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Geht die Gemeinde ins Exil? Abschiedsvorlesung Ernst Leuninger PTHV 17. April 2002

Geht die Gemeinde ins Exil? Abschiedsvorlesung Ernst Leuninger PTHV 17. April 2002. Geht die Gemeinde ins Exil? Abschiedsvorlesung. Dank den Professoren, dem ganzen Kollegium und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Dank den Studierenden

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Geht die Gemeinde ins Exil? Abschiedsvorlesung Ernst Leuninger PTHV 17. April 2002

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Presentation Transcript


  1. Geht die Gemeinde ins Exil?AbschiedsvorlesungErnst LeuningerPTHV 17. April 2002

  2. Geht die Gemeinde ins Exil?Abschiedsvorlesung • Dank den Professoren, dem ganzen Kollegium und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern • Dank den Studierenden • Dank meinen Geschwistern, den MitarbeiterInnen genannt seien Frau Rompel und Frau Weber • Gruß an meine Nachfolger • Gott sei Dank

  3. Geht die Gemeinde ins Exil? 0 Vorbemerkungen 1 Der Weg des Südreiches ins Exil 2 Von der Versammlung am Tor zur Synagoge 3 Von der Synagoge zur frühchristlichen ecclesia und paroikia 4 Ist das „Exil“ für uns ein Herausforderung? 5 Perspektiven des Handelns

  4. Geht die Gemeinde ins Exil? Vorbemerkungen Kirche Sonntags geschlossen Bäckerei Sonntags geöffnet

  5. Geht die Gemeinde ins Exil? St. Josef St. Mechtern

  6. Geht die Gemeinde ins Exil? Aus zwei bis drei Pfarreien wird eine S. Josef St Mechtern Filialkirche Der Priestermangel ist auf einen Schlag beseitigt

  7. Geht die Gemeinde ins Exil? • Etwa 1970 hatte jede der 330 Pfarreien im Bistum Limburg seinen Pfarrer • Bei gleichen Bedingungen ist um 2020 nur noch für sieben Pfarreien ein Pfarrer da. • Das Pfarramt verschwindet, mit ihm auch die Pfarrei? • Mit geht es um Hoffnungszeichen, die wir aus der Geschichte lernen können.

  8. Geht die Gemeinde ins Exil? Innerhalb von 30 Jahren hat sich der Gottesdienstbesuch halbiert

  9. Geht die Gemeinde ins Exil? 1. Der Weg des Südreiches ins Exil Erste bekannte Deportation um 1100 v.C. 743 v.C. erste Deportation des Nordreiches 722 v.C. Einnahme von Samaria und Deportation des Nordreiches 30.000 Gefangene. Der Nordstaat geht endgültig unter. 597 v.C. erste Eroberung von Jerusalem und Verschleppung der Oberschichten 587 Zerstörung des Tempel und Deportation, es bleiben nur Nichtbesitzende übrig Das Südreich Juda war für 50 Jahre untergegangen, dann Wiederaufbau des Tempels und Einweihung 515 Frauen werden ins Exil geschleppt

  10. Geht die Gemeinde ins Exil? 1. Der Weg des Südreiches ins Exil • Die Juden litten unter dem Verlust des Tempels • Nachdem der Kult mehr und mehr auf diesen einen Tempel konzentriert worden war, war der Verlust wie das Herausbrechen eines Schlusssteines aus einem Bogen, die staatlich und gesellschaftliche gestützte Religion die sich in Gesetz und Riten vollzog, war in Gefahr unterzugehen. • Es bleiben Familiengebet und Osterlamm, ohne neue soziale Begründung würden diese aber ihre Kraft verlieren. • Was sicherte die Identität der Juden? Bau des salomonischen Tempels Stadttor von Babylon

  11. Geht die Gemeinde ins Exil? 2 Von der Versammlung am Tor zur Synagoge • War der Kult früher gesellschaftlich abgesichert, so musste er jetzt in den kleinen Lebenswelten abgesichert werden. • Man hatte die Erfahrung des Stadttores als Ort der Beratung von Gemeindeangelegenheiten und dem Gerichtsort der Ältesten. • Diese Funktionen fielen im Exil weg, die religiöse wurde wichtig. In der kleinen Lebenswelt wurde Religion begründet und im Innern verankert, innere Frömmigkeit entsteht. • Der Platz am fließenden Wasser wird gesucht, ein Hinweis darauf in Psalm 137: „An den Flüssen Babylons saßen wir und weinten, als wir dein gedachten Zion.“ Ezechiel spricht vom kleinen (beinahe) Heiligtum Jahves. • Der Wortgottesdienst (ohne Opfer) wird erstmals in der Antike erfunden. Er wird die entscheidende Identität stiftenden Kraft. • Die Versammlung (synagogé) entstand in Selbstorganisation und Selbstverwaltung, die Priester waren ohne Tempel funktionslos. Die Ämter waren Wahlämter, wichtig waren die Ältesten. Jaffator Tor von Babylon Euphrat

  12. Geht die Gemeinde ins Exil? 2 Von der Versammlung am Tor zur Synagoge • In den letzten zwei Jahrhunderten v. C. wurde die Synagoge (hier Kafarnaum) überdacht, das war nach hellenistischem Vorbild. • Die Verlesung des Gesetze und der Propheten mit Auslegung gehörten zum Kern. • Dann folgte das Gebet aus dem Psalmen, aber auch neue Gebete entstanden. • Den Abschluss bildete oft ein Mahl. • Es gab das Amt der Synagogenvorstehers. • Die Rabbiner haben als Gesetzeslehrer eine eigenene Tradition in ihren Wander- und festen Schulen. Sie hatten Beziehungen zu den Synagogen, aber oft auch kritische. Erst im Mittelalter wurden sie zu amtlichem Personal. • Die Synagoge, rückgebunden an Gesetz und Propheten wurden zum Lebenswelt nahen neuen Träger der Identität jüdischer Religion. Der Tempel lebte nur als Hoffnungsperspektive.

  13. Geht die Gemeinde ins Exil? 3 Von der Synagoge zur frühchristlichen ecclesia und paroikia • Synagoge meint Versammlung, Gemeinde und Haus, ursprünglich ja den Namen (Kahal) für das ganze Gottesvolk. • Sie verbindet Menschen in der Diaspora, aber auch in Judäa und Galiläa. Nach der Zerstörung des 2. Tempels 70 n.C. wird sie zur entscheidenden Sicherung der jüdischen Religion. Sie hatte religiöse und soziale Funktionen. Sie wurde auch „ecclesia“ genannt. • Die frühesten schriftlichen Zeugnisse stammen aus dem NT. Jesus lehrte in den Synagogen. Berühmt ist das Auftreten Jesu in der Synagoge zu Nazareth (Lukas 4,16-30. Aus der Synagoge entwickelt sich im Konflikt um Jesus die christliche Gemeinde. Das ist bei dem Text zu sehen. Sie ist aber von Anfang an missionarisch. • In Philippi treffen sich die Juden im Freien, die Christen bilden eine eigene Gruppe im Haus der Lydia. Diese Hausgemeinden heißen auch ecclesia. Die Juden verzichten um der Unterscheidung willen auf den Gebrauch dieses Begriffs. • Die Einzelgemeinden heißen ecclesia, später nur noch die Gesamtgemeinde der Christen, die Einzelgemeinden (Ortskirchen) werden „paroikia“ (die in der Fremde wohnen) genannt. • Bei Entstehung der Landgemeinden werden diese paroikia (Pfarrei) genannt, für die Bischofskirche bleibt ein Verwaltungsbegriff „dioecesis“. Vermutlich als Kirche überbaute Synagoge von Nazareth Philippi

  14. Geht die Gemeinde ins Exil? 4. Ist das „Exil“ für uns ein Herausforderung? • Es gibt eine Kirchenkrise, einen massiven Umbruch, zeitbedingt (gesellschaftliche Stützung fällt weg) und selbstgemacht. Von 1972 bis 2000 hat sich die Zahl der Kirchenbesucher im Bistum Limburg halbiert. Die Zahl der Katholiken für die ein Priester zuständig ist steigt auf etwa 15.000 am Ende des Jahrzehnts im Bistum Limburg. • „Parochus cognoscet oves suas facie“, war ein mittelalterlicher Spruch, „der Pfarrer kenne die Seinen (Schafe) von Angesicht“, so entsteht Beziehungspastoral. Geht damit die Pfarrei als klassische Form der ecclesia in der Lebenswelt der Menschen unter? • Es gab zwei Varianten des Exils, das Nordreich mit seiner Religion ging zuerst einmal unter, das Südreich schuf die Synagoge und ihre Religion überlebte. Sie schufen nach Wegfall der gesellschaftlichen Stützung eine lebensweltnahe Religion. • Es braucht notwendig schwerpunktmäßig subsidiar (die Basis unterstützende) größere Ebenen, auch ist manche Pfarrei nicht mehr lebensfähig, insgesamt muss sie weiter entwickelt werden, die Menschnähe darf aber als identitätsbildende Kraft nicht verloren gehen, sondern muss neu gefunden werden. • Wir haben die Erfahrung aus der Industrialisierung mit den Superpfarreien in den Großstädten und den entsprechenden pastoralen Verlusten und den riesigen Pfarreien aus Südamerika, in diese Lücken gehen dort die Sekten.

  15. Geht die Gemeinde ins Exil? 5 Perspektiven des Handelns Prämisse: Die gesellschaftliche Absicherung von Religion trägt nicht mehr. Es bedarf der religiösen Identitätsbildung in der unmittelbaren Lebenswelt, dem Milieu. Zehn Handlungsperspektiven sollen dazu entwickelt werden. 1. Gemeinde muss wie Synagoge menschennah sein, sie darf nicht in die Region auswandern. Religiöse Identitäsbildung entsteht in unmittelbaren Lebensbezügen. Dabei kann und muss es solche Orte der Identitäsbildung auch in anderen Zusammenhängen geben, sie müssen aber immer Lebenswelt nah sein. 2. Synagoge lebte von Selbstorganisation. Auch bei Gemeinde gehört Partizipation, aktive Teilhabe, zur religiösen Identität, Selbstorganisation aus dem Bewusstsein, dass „wir das Volk Gottes sind“. Der synodale Weg ist konsequent weiter zu gehen. 3. Die Synagoge mit ihrem Gottesdienst war bindende Kraft. Bei der Gemeinde darf es darf nicht zur rotierenden Parkplatzgemeinden kommen. Gottesdienst braucht Verlässlichkeiten. Er ist die stärkste bindende Kraft, er ist notwendig, auch wenn nicht genügende Priester da sind. Die Gemeinde braucht ihr Treffen, gerade auch am Sonntag, ohne den Gottesdienst am Sonntag Vormittag hat dieser auch keine Chance und mit ihm geht auch die Gemeinde unter. 4. Synagoge lebte aus der Begegnung mit der Tora. Gemeinde ist fortlebender Christus. Er ist in ihr lebendig, die Begegnung mit ihm in seinem Wort muss immer wieder geschehen aber auch in der unmittelbaren Hilfe am Nächsten in der Nachbarschaft.

  16. Geht die Gemeinde ins Exil? 5. Perspektiven des Handelns 5. Die Synagoge war für die Juden das kleine Heiligtum. Gemeinde ist das Zeugnis Christi in die Welt hinein (Sakrament des Heiles),vor allem auch im unmittelbaren Gespräch mit dem Leben der Menschen. 6. Die Synagoge schuf sich die notwendigen Aufgabenfelder und Ämter. Auch wir sind hier auf dem richtigen Weg, Frauen sind aus den Berufen nicht wegzudenken, auch hier macht uns die heutige Synagoge etwas vor. Bei der Rekonstruktion eines Leitungsamtes für die Gemeinde dürfen Frauen nicht außen vor bleiben. 7. Synagogen waren der Armenpflege verpflichtet. Der Dienst an den Armen war immer eine Herausforderung und muss es auch in der Gemeinde sein. Ein sozial- pastoraler Ansatz, vom Leben der Menschen her, der auch über die Grenzen weggreift bedarf der weiteren Förderung. Hier leisten Gemeinden heute schon beispielhaftes. 8. Synagogen gab es in den unterschiedlichsten Richtungen, letztlich wussten sie sich aber verbunden durch ihre gemeinsame Grundlage der Tora. Auch hier muss sich eine positive Nachbarschaft von Christen weiter entwickeln. 9. Synagogen schufen eine neue religiöse Identität. Hier sind menschennahe Gemeinden unverzichtbar. Sie schaffen Milieus zur Bildung religiöser Identität. 10. Synagogen verstanden sich als das ganze Gottesvolk und wussten sich diesem verbunden. Dies Bewusstsein ist vorhanden und gehört wesensnotwendig zu einer christliche Identität. Jede Gemeinde ist ein menschennahes Heilsmilieu und zugleich mit verantwortlich für das Heil aller.

  17. Geht die Gemeinde ins Exil? 5 Perspektiven des Handelns So kann die Gemeinde in dieser Herausforderung einer nahezu priesterlosen Situation wachsen und ihre Aufgabe, glaubhaft die erfahrene Gegenwart des Auferstandenen menschennah in Wort und Werk zu bezeugen, erfüllen. Sie trägt damit bei, ein Milieu in der unmittelbaren Lebenswelt der Menschen zu schaffen, das zur Bildung einer christlichen Identität notwendig ist. Sie geht aber in missionarischem Bewusstsein immer wieder über sich selbst hinaus. Das Milieu der menschennahen Gemeinde sichert in der Kraft des Geistes Gottes vor allem die Kirche der Zukunft und die Zukunft der Kirche.

  18. Geht die Gemeinde ins Exil?Gemeinde bringt Kirche zu den Menschen

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