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Straftheorien und empirische Befunde zur General- und Spezialprävention

Straftheorien und empirische Befunde zur General- und Spezialprävention. Frieder Dünkel Universität Greifswald 2008. 1. Zweck und Rechtfertigung von Strafen und Maßregeln. ( Roxin § 3) Das Wesen der Strafe Übelszufügung und sozialethisches Unwerturteil, Ächtung des Normbruchs.

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Straftheorien und empirische Befunde zur General- und Spezialprävention

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  1. Straftheorien und empirische Befunde zur General- und Spezialprävention Frieder Dünkel Universität Greifswald 2008

  2. 1. Zweck und Rechtfertigung von Strafen und Maßregeln • (Roxin § 3) • Das Wesen der Strafe • Übelszufügung und • sozialethisches Unwerturteil, • Ächtung des Normbruchs

  3. Was soll Strafrecht ? • Sicherung des ethischen Minimums ? • Schutz von Rechtsgütern ? • Stabilisierung von Verhaltenserwartungen ? • Besserung des Täters ? • Abschreckung anderer ?

  4. 2. Absolute und relative Straftheorien im Überblick • Man unterscheidet herkömmlich • Absolute und • Relative Straftheorien. • Absolute Straftheorien sind frei (lat. absolutus) von Strafzweckerwägungen, • Relative Theorien sind „relativ“ auf einen Strafzweck wie z. B. Besserung oder Abschreckung bezogen. • Mit der Durchsetzung des Strafzweckgedankens (vgl. Franz von Liszt: Marburger Programm, 1882) wurde ein insofern rationales Sanktionenrecht entwickelt, als es sich der empirischen Begründung und Evaluation öffnete. • Absolute Theorien (Schuld, Sühne, Vergeltung) sind der empirischen Überprüfung dagegen nicht zugänglich

  5. Straftheorien Absolute „Vergeltung“ (Kant, Hegel) Relative Generalprävention Spezialprävention (v. Liszt) Negative (Abschreckung potentieller Tä- ter,Feuerbach: Theorie des psychologischen Zwangs) Positive (Stärkung des Vertrauens in die Rechtsordnung, “Normvalidierung”, Jakobs) Negative (Individuelle Abschre- ckung, „Denkzettel“- Strafen, z. B. Geldstra- fen, kurzer Freiheitsentzug o. ä.) Positive (Resozialisierung, Behandlung, Erziehung, “Besserung” des Täters)

  6. Struktur zu den Straftheorien Vergeltung Vorbeugung Anknüpfungspunkt Schuld Sozialgefährlichkeit Blickrichtung Blick zurück Blick voraus Idee Repression Prävention Relative Straftheorien: Generalprävention negative/positive GP Spezialprävention negative Spezialprävention (Denk- zettelstrafen zur individuellen Abschreckung positive Spezialprävention (Täter erst-/resozialisieren, v. Liszt, Moderne Schule) Theorien und Hauptvertreter Absolute Straftheorien Kant: „Der Mensch kann nie bloß als Mittel zu den Absichten eines anderen gehandhabt und unter die Gegenstände des Sachenrechts gemengt werden.“ Hegel: „ …als wenn man gegen den Hund den Stock erhebt.“ Vielmehr muss der Verbrecher als vernünftiges Wesen geehrt werden. Ausführung Zufügung eines Übels Erziehung, Behandlung Ziel Sühne (= Versöhnung mit der Gesellschaft) als autonome sittliche Leistung Eine Gesellschaft und damit auch ein Leben des Einzelnen ohne Straftaten

  7. 3. Vergeltungstheorie (Schuldausgleich) • Die Vergeltungstheorie sieht den Sinn der Strafe darin, dass in der Auferlegung eines Übels die Schuld des Täters in gerechter Weise vergolten (ausgeglichen) wird. • Talionsprinzip • Die staatliche Schuldstrafe löst historisch gesehen die Privatrache, familien- und Stammesfehde ab und ist daher eng mit der Herausbildung staatlich zentrierter Herrschaft verknüpft (s. Vorlesung Sanktionenrecht Nr. 1/2). • Die Vergeltungsstrafe basiert auf der Philosophie des deutschen Idealismus (Kant, Hegel)

  8. Vergeltungstheorie (2) • Kant (Metaphysik der Sitten, 1798): • „So viel also der Mörder sind, die den Mord verübt oder auch befohlen , oder dazu mitgewirkt haben, so viele müssen auch den Tod leiden; so will es die Gerechtigkeit als Idee der richterlichen Gewalt nach allgemeinen a priori begründeten Gesetzen. … Das Strafgesetz ist ein kategorischer Imperativ.“ • „Denn, wenn die Gerechtigkeit untergeht, so hat es keinen Wert mehr, dass Menschen auf Erden leben.“ …

  9. Vergeltungstheorie (3) • Strafe muss sogar dann sein, wenn Staat und Gesellschaft nicht mehr bestehen; auch wenn diese sich auflösten, „müsste der letzte im Gefängnis befindliche Mörder vorher hingerichtet werden, damit jedermann das widerfahre, was seine Taten wert sind und die Blutschuld nicht auf dem Volke hafte, das auf diese Bestrafung nicht gedrungen hat.“

  10. Vergeltungstheorie (4) • Bedeutung des Talionsprinzips • „Auge um Auge Zahn um Zahn“ ist historisch zu lesen als „Auge nur um Auge“, • d. h. es ging um die Begrenzung der willkürlichen, unbegrenzten Rache! • Die Bibel kann daher nicht als Legitimation für ein hartes bzw. Tatschuld vergeltendes Strafrecht herangezogen werden.

  11. Vergeltungstheorie (5) • Hegel (Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821) sieht das Verbrechen als Negation des Rechts, • die Strafe als Negation der Negation des Rechts und damit als • „Wiederherstellung des Rechts“. • Präventive Strafzwecke werden bei Hegel (wie bei Kant) abgelehnt: • „Es ist mit der Begründung des Strafe auf diese Weise, als wenn man gegen den Hund den Stock erhebt, und der Mensch wird nicht seiner Ehre und Freiheit, sondern wie ein Hund behandelt.“

  12. 4. Negative und positive Generalprävention • Negative Generalprävention meint die Abschreckung anderer nach dem Prinzip der Furcht vor Strafe bzw. Strafandrohung • Prinzip des psychologischen Zwangs (Feuerbach)

  13. Theorie der Generalprävention • Historischer Vorläufer bzw. Begründer: Paul Johann Anselm von Feuerbach (1755-1833) • Theorie des psychologischen Zwangs. • Die Seele des potenziellen Straftäters ist nach Feuerbach zwischen zur Tat hindrängenden und der Begehung wider-strebenden Motiven hin und her gerissen. • Durch die Ausgestaltung des Strafrechts müsse den der Bege-hung entgegenwirkenden Strebungen das Übergewicht ver-schaffen werden, d.h. ein „psychischer Zwang“ zur Unter-lassung der Straftat. • Die Theorie ist primär eine Theorie der Strafdrohung, von der Unlustgefühle ausgehen sollen, die Straftaten vermeiden.

  14. Theorie der Generalprävention (2) • Feuerbachs Thesen sind in den modernen general-präventiven Ansätzen im Rahmen von individuellen Kosten-Nutzen-Abwägungen aufgegangen. •  ökonomische Kriminalitätstheorien. • Freud: „Der eigentlich Beneidete muss um die Frucht seines Wagnisses gebracht werden“ (ansonsten finden sich zahllose Nachahmer) •  Die Präventivwirkung des Strafrechts beruht auf der Erkenntnis: „crime doesn’t pay“. • Im modernen Strafrecht dienen dieser Überlegung alle Maß-nahmen, die dem Täter die Vorteile der Tat entziehen: • Verfall, erweiterter Verfall, Strafbarkeit der Geldwäsche etc.

  15. Theorie der Generalprävention (3) • Die Theorie der positiven Generalprävention zielt auf die Erhaltung und Stärkung des Vertrauens in die Be-stands- und Durchsetzungskraft der Rechtsordnung ab. • Drei Aspekte können unterschieden werden: • Der sozialpädagogisch motivierte Lerneffekt, die „Einübung in Rechtstreue“ • Der Vertrauenseffekt der Bürger sieht, dass die Rechtsordnung sich durchsetzt • Der „Befriedungseffekt, der sich einstellt, wenn das allge-meine Rechtsbewusstsein sich aufgrund der Sanktion über den Rechtsbruch beruhigt und den Konflikt mit dem Täter als erledigt ansieht.“ (Roxin § 3 Rn. 27)

  16. Theorie der Generalprävention (4) • Der Befriedungsaspekt wird auch als „Integrationspräven-tion“ bezeichnet. • Jakobs definiert den Sinn der Strafe unter Rückgriff auf die Systemtheorie von Luhmann in diesem Sinn der positiven Generalprävention: • „Stets geht es bei der Strafe um eine Reaktion auf einen Norm-bruch. Stets wird durch die Reaktion demonstriert, dass an der gebrochenen Norm festgehalten werden soll. Und stets erfolgt die demonstrierende Reaktion auf Kosten des für den Norm-bruch Zuständigen.“ (Jakobs AT I. Rn. 2) • Zweck der Strafe ist die Stabilisierung der verletzten Norm.

  17. Theorie der Generalprävention (5) • Strafe ist das kontrafaktische Festhalten an der verletzten Norm. • An der Norm, die eine normative Erwartungshaltung darstellt, wird im Enttäuschungsfall kontrafaktisch festgehalten. Hierdurch wird Normvertrauen stabilisiert. • Die Reaktion muss aber nicht notwendig Strafe sein, auch Sanktionsverzicht, außerstrafrechtliche Sanktionen (zivilrechtlicher Schadensersatz o.ä.) können zur Normstabilisierung beitragen.

  18. Theorie der Generalprävention (6) • Demgegenüber bedeutet negative Generalprävention das herkömmliche Konzept der Abschreckung potenzieller Täter durch • hohe Strafandrohungen, • hohe tatsächlich verhängte Strafen oder • andere Maßnahmen, die die Kosten des Verbrechens erhöhen bzw. den Nutzen minimieren.

  19. Theorie der Generalprävention (7) • Vorteile der generalpräventiven Theorie: • Im Gegensatz zur Spezialprävention kann sie erklären, warum Strafe auch bei nicht besserungsbedürftigen Tätern notwendig ist. • Das Prinzip der Generalprävention tendiert nicht dazu, klare Tatbeschreibungen durch undeutliche und rechtsstaatlich bedenkliche Gefährlichkeitsprognosen zu ersetzen, • im Gegenteil muss der Gegenstand des Verbots möglichst klar definiert sein, wenn der Bürger zu rechtstreuem Verhalten motiviert werden soll.

  20. Theorie der Generalprävention (8) • Nachteile der Theorie der Generalprävention: • Sie enthält keinen Maßstab zur Begrenzung der Strafdauer. • Wie viel Strafe ist notwendig, um die Rechtstreue der Bevöl-kerung zu erhalten oder potenzielle Täter abzuschrecken? • Gefahr des Umschlags in staatlichen Terror (vgl. zahlreiche Diktaturen) • Die Instrumentalisierung des Täters, um andere zu erziehen oder abzuschrecken, verstößt gegen die Menschenwürde, der Täter wird zum Objekt staatlichen Strafens! • Generalprävention vermag ebenso wenig wie die Vergeltungs-theorie positive Impulse für die Sanktionsausgestaltung, insbesondere den Strafvollzug, zu geben.

  21. 5. Negative und positive Spezialprävention • Negative Spezialprävention meint die individuelle Abschreckung des Täters durch sog. Denkzettelstrafen, z.B. Geldstrafen, aber auch kurze oder besonders lange Freiheitsstrafen. • Positive Spezialprävention meint Sanktionen, die das Ziel der Besserung, Erziehung u.ä. durch spezifische Behandlungsmaßnahmen verfolgen.

  22. Theorie derSpezialprävention • Die Theorie der Spezialprävention zielt auf die künftige Legalbewährung (Rückfallfreiheit) des individuellen Täters ab. • als „relative“ Straftheorie verfolgt sie einen Zweck, d. h. sie ist auf die Verbrechensverhütung bezogen (lat. referre = bezogen auf …) • Historisch: schon Seneca († 65 n. Chr.) sagte unter Berufung auf Platon (427-347 v. Chr.): • „nemo prudens punit, quia peccatum est, sed ne peccetur …“ • „Kein kluger Mensch straft, weil gesündigt worden ist, sondern damit nicht gesündigt werde.“

  23. Theorie derSpezialprävention (2) • In der Aufklärung entwickelte sich erstmals eine spezialpräventive Theorie und Praxis • vgl. die seit Ende des 16. Jh. unter dem Einfluss eines religiös gefärbten Besserungsgedankens entstandenen Gefängnisse („Zuchthäuser“) in den Niederlanden, England und später ganz Europa. • Das klösterliche Prinzip „ora et labora“ (bete und arbeite) herrschte in den frühen Gefängnissen vor, vgl. Vorlesung Strafvollzugsrecht Nr. 2/3. • Allerdings gewann die Vergeltungstheorie unter dem Einfluss von Kant und Hegel zunächst die Oberhand.

  24. Theorie derSpezialprävention (3) • Der Durchbruch auf dem Weg zu einem „Zweckstrafrecht wurde durch den bedeutendsten deutschen Kriminalpolitiker Franz von Liszt (1851-1919) bewirkt. • Spezialprävention kann danach in drei Formen betrieben werden: • Die Sicherung der Allgemeinheit durch Einsperrung des Täters, • die individuelle Abschreckung des Täters vor der Begehung weiterer Straftaten durch Strafe, und • die Besserung des Täters durch Behandlung bzw. Resozialisierung

  25. Theorie derSpezialprävention (4) • In seiner Marburger Antrittsvorlesung (sog. Marburger Programm, 1882) unterschied von Liszt dementsprechend drei Strategien der Behandlung nach den entsprechenden Tätergruppen: • die Unschädlichmachung der nicht abzuschreckenden und nicht besserungsfähigen „Gewohnheitsverbrecher“, • die Abschreckung der bloßen Gelegenheitstäter und • die Besserung der Besserungsfähigen. • Im Hinblick auf letztere Gruppe wurde die Resozialisierung, Sozialisation, Besserung zum Leitgedanken des modernen Strafrechts.

  26. Theorie derSpezialprävention (5) • Franz von Liszt ist damit der Vater des Resozialisierungs-vollzugs bzw. eines humanen Strafvollzugs oder einer „sozialen Strafrechtspflege“, aber auch • der Vater der Sicherungsverwahrung (SV), wie sie von den Nationalsozialisten mit dem Gesetz für „gefährliche Gewohn-heitsverbrecher“ 1933 eingeführt wurde. • Nach ihrer weitgehenden Zurückdrängung in der Nachkriegs-zeit, insbesondere in den 1960er bis 1980er-Jahren erlebt die SV derzeit durch die Reformgesetze von 1998, 2002 bzw. 2004 eine Renaissance.

  27. Theorie derSpezialprävention (6) • Franz von Liszt gründete zusammen mit dem Belgier Prins und dem Holländer van Hamel 1889 die Internationale Kriminalistische Vereinigung (IKV), die durch ihre Kongresse viel zur Verbreitung der spezialpräventiven Idee beitrug. • 1924 wurde die Internationale Strafrechtsvereinigung gegründet (AIDP), • 1947 die Gesellschaft für Sozialverteidigung (Défense Sociale). • Weitere Etappen des spezialpräventiven Strafrechts: • StÄndG 1953: Einführung der Bewährungshilfe, Ausweitung der Strafaussetzung zur Bewährung; • ebenfalls 1953: JGG-Reform mit der Einbeziehung der Heran-wachsenden in das erzieherisch orientierte Jugendstrafrecht

  28. Theorie derSpezialprävention (7) • Die Entwürfe der sog. Alternativ-Professoren zum StGB (1966) und zum Strafvollzug (1973) • Die Strafrechtsreformgesetze von 1969 und 1975. • § 46 I 2 StGB i. d. F. seit 1969: • „Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Lebens des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.“ • § 2 StVollzG von 1977: • „Im Vollzug der Freiheitsstrafe soll der Gefangene fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Starftaten zu führen.“ •  Resozialisierung als alleiniges Vollzugsziel!

  29. Spezialprävention in der Rspr.: BVerfGE 35, 202, „Lebach-Urteil“(1973) • Der Resozialisierungsgrundsatz wird als unmittelbares Ver-fassungsprinzip aus dem Sozialstaatsprinzip und Art. 2 I i.V.m. 1 I GG (Menschenwürde) abgeleitet. • „Nicht nur der Straffällige muss auf die Rückkehr in die freie Gesellschaft vorbereitet werden; diese muss ihrerseits bereit sein, ihn wieder aufzunehmen. • Verfassungsrechtlich entspricht diese Forderung dem Selbst-verständnis einer Gemeinschaft, die die Menschenwürde in den Mittelpunkt ihrer Wertordnung stellt und dem Sozialstaats-prinzip verpflichtet ist. ... • Vom Täter aus gesehen erwächst das Interesse an der Reso-zialisierung aus seinem Grundrecht aus Art 2 I i.V.m. Art 1 GG.

  30. Spezialprävention in der Rspr.: BVerfGE 35, 202, „Lebach-Urteil“(1973) • Von der Gemeinschaft aus betrachtet verlangt das Sozialstaats-prinzip staatliche Vor- und Fürsorge für Gruppen der Gesell-schaft, die auf Grund persönlicher Schwäche oder Schuld, Unfähigkeit oder gesellschaftlicher Benachteiligung in ihrer persönlichen und sozialen Entfaltung behindert sind. ... • Nicht zuletzt dient die Resozialisierung dem Schutz der Ge-meinschaft selbst: diese hat ein unmittelbares eigenes Interesse daran, dass der Täter nicht wieder rückfällig wird und erneut seine Mitbürger oder die Gemeinschaft schädigt“ (S. 235 f.). • Konkret wurde die Ausstrahlung eines Dokumentarfilms kurz vor der Entlassung des L. untersagt, da hierdurch die Resoziali-sierung gefährdet würde (vgl. LS Nr. 3).

  31. Spezialprävention in der Rspr.: BGHSt 24, 40 • Der BGH betont, • „dass die Strafe nicht die Aufgabe hat, Schuldausgleich um ihrer selbst willen zu üben, sondern nur gerechtfertigt ist, wenn sie sich zugleich als notwendiges Mittel zur Erfüllung der präventiven Schutzaufgabe des Strafrechts erweist.“

  32. Probleme der spezialpräventiven Theorie • Die Spezialprävention liefert kein Maßprinzip für die Strafe. • Konsequent wäre, den Verurteilten so lange festzuhalten (z.B. im Strafvollzug), bis er resozialisiert ist, d.h. die Strafe müsste grds. von unbestimmter Dauer sein. • Wenn tief greifende Persönlichkeitsdefizite bzw. ein erhebli-cher Behandlungsbedarf bestehen, kann es auch bei lediglich geringfügigen (Bagatell-)Straftaten zu langjährigem Freiheits-entzug kommen. • Konsequenz? • Ein spezialpräventives Täterstrafrecht (gleiches gilt für ein erzieherisches Jugendstrafrecht) bedarf der Limitierung entweder durch das Schuldprinzip oder das Verhältnismäßig-keitsprinzip (Proportionalität von Strafe und Anlasstat)

  33. Probleme der spezialpräventiven Theorie (2) • Eine weitere Schwäche der spezialpräventiven Theorie liegt in der Problematik nicht resozialisierungsbedürftiger Täter: • Der Konflikttäter, der sein Opfer in einer einmaligen Konstellation getötet hat, • der NS-Mörder, der inzwischen jahrelang unauffällig und sozial integriert gelebt hat. • Aus rein spezialpräventiven Überlegungen müssten diese Tätergruppen freigelassen werden, weil spezialpräventive Strafbedürfnisse ausscheiden. • Aufgabe: Welche gesellschaftspolitische Lösung bzw. Begründung für Bestrafung halten Sie für angebracht?

  34. Probleme der spezialpräventiven Theorie (3) • Hat der Staat das Recht, erwachsene Menschen gegen ihren Willen zu erziehen bzw. zu behandeln. • Ist Zwangsbehandlung, Zwangstherapie zulässig, ggf. unter welchen Umständen und wo sind die Grenzen? • Gehirnwäsche? • BVerfGE 22, 219: • „Der Staat hat … nicht die Aufgabe, seine Bürger zu bessern.“ • Art. 1 I GG verbietet die Zwangserziehung jedenfalls insoweit, als sie den unantastbaren Persönlichkeitskern eines Erwachsenen betrifft.

  35. 6. Täter-Opfer-Ausgleich als selbständiger Strafzweck? • Einige Autoren (z.B. Ostendorf) sehen in der Wiedergut-machung bzw. dem Täter-Opfer-Ausgleich einen selbständigen Strafzweck. •  Vgl. die Ansätze einer Restorative Justice • Richtig daran ist, dass ein wesentlicher, häufig übersehener Aspekt des modernen Strafrechts in der friedensstiftenden Funktion, der Schaffung von Rechtsfrieden bzw. im positiven Fall einer echten Aussöhnung zwischen Täter, Opfer und Gesellschaft liegt. • Andere Autoren (z.B. Roxin) sehen die Wiedergutmachung als integrierten Bestandteil der Spezial- und Generalprä-vention an.

  36. Das Modell von S. Walther: Sozialkonstruktive Tatbewältigung („Wiedergutmachung“) als dritte Spur neben Strafen und Maßregeln • Walther (ZStW 1999, 122 ff.) knüpft an der Tat als Realkonflikt bzw. u. U. traumatischem sozialen Geschehen an ( Verbrechen als abstrakte Rechtsgutverletzung). • Die Konsequenz ist, nach sozialkonstruktiven Lösungen zu suchen, die im geltenden Strafrecht auch schon angelegt sind (§§ 46, 46a StGB, §§ 153a, 155a, 155b StPO etc.). • Walther schlägt „Maßnahmen“ als eigenständige zweite Spur vor, die vorwiegend Wiedergutmachungsfunktion haben sollen, u.U. auch im Rahmen von selbständigen Bewährungs-, Reparationssanktionen, Verwarnungen, etc.

  37. Das Modell von S. Walther: Sozialkonstruktive Tatbewältigung („Wiedergutmachung“) als dritte Spur (2) • Strafe wird bei Walther zur „symbolischen Justizgewäh-rung gegenüber dem Opfer und der Gemeinde.“ • „Dreh- und Angelpunkt ist die förmliche Zurückweisung und Missbilligung des vom Täter zu verantwortenden Unrechts.“ • „Auch die Maßnahmen der Wiedergutmachung sollten unter einen neuen Leitgedanken gestellt werden, den der sozialkonstruktiven Konfliktbewältigung.“ (S. 137) • Sanktionspolitisch schlägt Walther eine wiedergutma-chungsorientierte Umgestaltung der §§ 152 ff. StPO vor.

  38. Das Modell von S. Walther: Sozialkonstruktive Tatbewältigung („Wiedergutmachung“) als dritte Spur (3) • Auf richterlicher Ebene sollten der Schuldspruch mit Ermahnung, eine echte Bewährungsstrafe, die Geldstrafe zur Bewährung, • ggf. jeweils zu koppeln mit Wiedergutmachungsleistungen oder gemeinnütziger Arbeit, • eingeführt werden. • Eine echte Bewährungsstrafe, ggf. mit restorativen Elementen verknüpft, haben auch schon Dünkel/Spieß in BewHi 1992, S. 117 ff. vorgeschlagen. • Einen konsequent wiedergutmachungsorientierten Gesetzesvorschlag hat der Arbeits-kreisdeutscher, schweizerischer und österreichischer Strafrechtslehrer mit dem Alter-nativ-Entwurf Wiedergutmachung (AE-WGM) 1992 vorgelegt. Die Wiedergut-machung wird in Abgrenzung zur Strafe als der „autonomiebetonte und opferbezogene Weg zur Wiederherstellung des Rechtsfriedens“ bezeichnet (S. 24). WG soll in allen Verfahrensstadien und im Vollzug eine zentrale Rolle spielen.

  39. 7. Vereinigungstheorien • Seit Roxins bahnbrechendem Aufsatz in der JuS 1966, S. 377 ff. dominieren in der deutschen Strafrechtsdogmatik die sog. Vereinigungstheorien, die die verschiedenen Strafzwecke auf unterschiedlichen Ebenen verankern und so zu einem vernünftigen Ausgleich gelangen wollen. • Stichwort: Dreisäulentheorie der Strafrechtspflege

  40. Struktur der „dialektischen Vereinigungstheorie“(nach Roxin JuS 1966, 377) Das Strafrecht tritt dem Einzelnen gegenüber androhend verhängend vollziehend Insoweit domi- niert die Idee der General- prävention Vergeltung Spezial- prävention Die Erforder-lichkeit der Erst-/Resozia-lisierung Anknüpfungs- punkt ist Der Schutzder Gesell-schaft Die Schuld des Täters Den fragmen- tarischen Cha-rakter des StR, Subsidiaritäts- prinzip (Strafe als ultima ratio) Das Erkenntnis-problem (was ist Schuld?) Die Unantast-barkeit der Menschen-würde (Art. 1 I GG) Eine Grenze ist gezogen durch

  41. 8. Empirische Voraussetzungen der Wirksamkeit von Generalprävention • Adressaten des generalpräventiven Strafrechts, d.h. alle Bürger, müssen über die Faktoren, von welchen die generalpräventive Wirkung erhofft wird, informiert sein •  Kenntnis der Norm und der Strafdrohung bzw. des Strafvollzugs.

  42. Empirische Voraussetzungen der Wirksamkeit von Generalprävention (2) • Durch diese Faktoren müssen die Bürger für ein bestimmtes Verhalten motivierbar sein. • Motivation durch die Norm; • Stichwort: homo oeconomicus; • utilitaristische Abwägung i.S.d. Kosten-Nutzen-Relation.

  43. Empirische Voraussetzungen der Wirksamkeit von Generalprävention (3) • Diese Motivation muss gerade vom generalpräventiv wirkenden Faktor ausgelöst werden (Eignung der Präventionsmittel); • bestimmen Strafdrohung und Strafvollzug die Gesetzmäßigkeit menschlichen Lebens? • Stichwort: verhaltenssteuernde Wirkung anderer Normensysteme, moralische Verbindlichkeit der Norm. • Vgl. Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, § 30 I 2.

  44. 9. Forschungsansätze zur Generalprävention: Negative Generalprävention • Abschreckung potentieller Täter durch Strafandrohung, Strafverfolgung und u.U. harte Strafen • Konzept:  Angst vor Strafe, • psychologischer Zwang, • Aufbau von Hemmungen, die Tat zu begehen, • vgl. bereits Feuerbach

  45. 9.1 Methodischer Ansatz: Makroanalytisch • Vergleich unterschiedlicher Sanktions- bzw. Strafzumessungspraktiken mit Straftaten- bzw. Verurteiltenziffern anhand offizieller Statistiken. • Querschnittsuntersuchungen Vergleich der Kriminalitätsentwicklung in verschiedenen Regionen mit unterschiedlicher Strafzumessungspraxis. • Längsschnittuntersuchungen Vergleich der Kriminalitätsentwicklung innerhalb einer Region vor und nach einer Änderung des Strafrechts oder der Strafrechtspraxis.

  46. Quer- und Längsschnittvergleiche zu Auswirkungen unterschiedlicher Strafzumessungspraktiken • Beispiele: Sellin 1959 zur Todesstrafe in den USA, die in machen Bundesstaaten eingeführt bzw. abgeschafft wurde; später Ehrlich auf der Basis eines utilitaristischen Handlungskonzepts;hierzu kritisch (und lesenswert!) Köberle, MschrKrim 1982, S. 200 ff. • Schöch, NStZ 1991 und in Krüger 1998 zur Geldstrafe im Vergleich zu den vor 1969 üblichen kurzen Freiheitsstrafen bei Trunkenheitsfahrten. • Die Einführung der Diversion in den USA und in Deutschland hat nicht zur Erhöhung der Kriminalitätsraten geführt, vgl. z.B. Heinz, NK Heft 1/1994.

  47. Aspekte der (negativen) Generalprävention bzgl. Delikten der Trunkenheit im Verkehr • Mit der Strafrechtsreform 1969 wurde die vorher übliche Verhängung von kurzen Freiheitsstrafen ohne Bewährung bei Trunkenheitsfahrten durch die Geldstrafe ersetzt. • Zugleich wurde das Instrument des Führerscheinentzugs ausgeweitet (durchschnittlich längere Sperrfristen). • Würde von der Schwere der Bestrafung eine abschreckende Wirkung ausgehen, wäre angesichts der Milderung der Sanktionspraxis (Kurze Freiheitsstrafe ohne Bewährung  Geldstrafe) ein Anstieg der entsprechenden Delikte zu erwarten. • Tatsächlich ergab sich jedoch eine gegenteilige, d.h. die Abschreckungsthese insoweit widerlegende Entwicklung:

  48. Generalprävention bzgl. Delikten der Trunkenheit im Verkehr • Im Ergebnis zeigte sich seit 1970 ein drastischer Rück-gang der Verurteiltenzahlen und vor allem der KFZ-Belastungsziffer, d.h. der wegen Trunkenheitsdelikten im Verkehr Verurteilten pro 100.000 zugelassene Kfz. • Der Wandel der Sanktionspraxis hat dazu beigetragen, dass man das Straf- und Ordungswidrigkeitenrecht als das „erfolgreichste Modell bei der Bekämpfung des Alkohols im Verkehr“ bezeichnen kann (vgl. Schöch 2001, S. 28).

  49. Verurteilungen wegen alkoholbedingter Straßenverkehrsvergehen im Vergleich mit dem Kfz-Bestand (alte Bundesländer) 1960-1998 * Fahrlässige Tötung und alkoholbedingte Straßenverkehrsgefährdung ** Fahrlässige Körperverletzung und alkoholbedingte Straßenverkehrsgefährdung *** Verurteilte pro 100.000 zugelassene Kraftfahrzeuge Quelle: Schöch, Neue Kriminalpolitik 1/2001, S. 29.

  50. Aspekte der „Positiven“ Generalprävention bzgl. Trunkenheit im Straßenverkehr • Die moralische Verbindlichkeit der Norm, nicht alkoholisiert zu fahren, ist in Ost- und Westdeutschland sehr hoch • Die Normakzeptanz liegt auf einer Skala von 0-10 bei mehr als 9 (vgl. Krüger u. a. 1998). • Nur ca. 0,5% der bei Allgemeinkontrollen getesteten Fahrer fielen 1992-94 mit einem BAK von mehr als 0,8‰ auf. • Dennoch gibt es zwei Problemgruppen, die vor allem in Ostdeutschland überrepäsentiert sind: die sog. fahren-den Trinker und männliche bis zu 24-jährige junge Täter.

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