300 likes | 364 Views
Samuel Pfeifer. Spirituelle Deutungen psychischer Schwierigkeiten –. Chancen und Probleme. Heinrich Füssli (1741 - 1825). Nachtmahr. Übersicht. A) Definitionen B) Kausalattribution - empirische Forschung C) Psychodynamik und Spiritualisierung D) Implikationen für die Therapie.
E N D
Samuel Pfeifer Spirituelle Deutungen psychischer Schwierigkeiten – Chancen und Probleme
Heinrich Füssli(1741 - 1825) Nachtmahr
Übersicht A) Definitionen B) Kausalattribution - empirische Forschung C) Psychodynamik und Spiritualisierung D) Implikationen für die Therapie
Spiritualität ist die Lebenseinstellung auf das letztlich unfassbare Geistige (Gott). Für den spirituellen Menschen ist dieser Bereich Ursprung und Ziel seines Lebens, das seine Lebensführung, Verantwortlichkeit und Ethik fundamental bestimmt. (vereinfacht nach Scharfetter 1999)
Spiritualisierung • Vorgänge und Erlebnisse werden (einseitig) in einem religiösen Kontext gedeutet. • Diese Deutung bezieht sich auf dieKausalität und auf die Veränderung (Therapie) von Problemen • Subjektives Erleben wird in einen spirituellen Gesamtzusammenhangeingebettet
Kausalattribution WARUM? • Kausalität = Ursache • Attribution = Zuweisung • Attribution auf Personen • Attribution auf Situationen Auswirkungen auf • Sichtweise der andern • Sichtweise meiner selbst • Umgang mit andern • Bewältigung von Schwierigkeiten
Attributionsfaktoren Locus of Control • Intern (geistliches Leben, Anstrengung) • Extern (Anfechtung, Belastung, Fluch) Stabilität • Stabil (persönliche Disziplin, wirksamer Schutz) • Variabel (Befindlichkeit, Verläßlichkeitanderer)
Auswirkungen (nach Weiner) • Bewältigung oder • Hoffnungslosigkeit • Zusammenarbeit und Mitgefühl oder • Schuldzuweisung und Ablehnung
STUDIE: Kausalattributionen beiSchizophrenie (Angermeyer & Klusmann, 1988) Fünf Bereiche: • Psychosoziale Belastung • Familie • Persönliche Probleme • Biologische Faktoren • „Esoterische“ Faktoren Eur Arch Psychiatr Neurol Sci 238:47-54 (1988)
Familie • Zerbrochene Herkunftsfamilie (Broken home) • Mangel an elterlicher Liebe • Vater war zu streng • Eltern hatten zu hohe Erwartungen • Überbehütende Mutter • Feindlich-abweisende Haltung der Eltern Persönliche Probleme • Vermeidung von Alltagsproblemen • zuwenig Willenskraft • Alkohol und Drogen • zu intelligent • zu ehrgeizig • allgemeines Versagen Eur Arch Psychiatr Neurol Sci 238:47-54 (1988)
«Esoterische Probleme» Angermeyer & Klusmann (1988) Eur Arch Psychiatr Neurol Sci 238:47-54 • Mangel an Vitaminen • Umweltverschmutzung • Besessenheit durch böse Geister • schädliche Erdstrahlen • Bestrafung von Gott • Ungünstiges Horoskop • Offene Frage 1,0 % • Mögliche Ursache 54,9 % • (sehr) wahrscheinlich 22,3 % • Böse Geister: • mögliche Ursache 10,9 % • (sehr) wahrscheinlich 3,1 %
Okkulte Belastung Pfeifer S. (1994) Belief in demons and exorcism. An empirical study of 343 psychiatric patients in Switzerland. British Journal of Medical Psychology 67:247–258 • 343 Patienten (114 m, 229 f) • alle gläubig im engeren Sinne • Landeskirche (kath, ev.) 139 • Trad. Freikirchen 164 • Char. Freikirchen 40 • Schizophrenie 60 • Depression 87 • Angststörungen 56 • Persönlichkeitsstörungen 65 • Anpassungsstörungen 75
Okkulte Belastung Pfeifer S. (1994) Belief in demons and exorcism. An empirical study of 343 psychiatric patients in Switzerland. British Journal of Medical Psychology 67:247–258 • Okkulte Belastung 37,6 %als mögliche Ursache • Freibetung 30,3 %in Anspruch genommen • Deutlicher Zusammenhang • mit Diagnose (p < 0.01) • mit Konfession (p < 0.005)
Glaube an dämonische Ursache Nicht-wahnhafteStörungen Nach Pfeifer (1999), Psychopathology (in print)
Bio-psycho-sozialesModell Konflikte auseigenen Erfahrungen KulturelleTraditionen AlternativeErnährungs-/Körper-Theorien Glaubens-Überzeugungen Esoterisch-magischeVorstellungen Pfister, S. & Thiel, S. (1999). Religiosität und subjektive Krankheitstheorie. Eine empirische Untersuchung bei 53 psychiatrischen PatienInnen. Dissertation Medizinische Fakultät der Universität Bern. Mosaik der Kausalattributionen
SpirituelleDeutung Das biopsychosoziale Modellund Spiritualisierung
Formen der Spiritualisierung • Spirituelle Formen der inneren Kommunikation: „Ich rede mit Gott; Gott redet zu mir.“ • Spirituelle Deutung von natürlichen Strebungen und unangepasstem Verhalten • Spirituelle Deutung von Leiden (psychisch und somatisch); d. h. Kausalattribution ohne wahnhafte Anteile • religiöse Wahnideen
Funktion der Spiritualisierung • Deutung (Kausalattribution)z.B. „Anfechtung“ als Grund für Schlafstörung • Abwehrz.B. Gebetskreis statt Änderung eines Verhaltensmustersz.B. Wunschdenken spirituell verbrämt • Bewältigung (Coping)z.B. Zuspruch eines prophetischen Wortes / Gefühl der Befreiung durch „Gebieten“
Unterschiedliche Intensität Nachfühlbar • Verpassen eines Glaubenszieles:z.B. „Ich bete zu wenig!“z.B. „Ich fühle mich von Gott verlassen“z.B. „Ich schädige mein Karma!“ Extrem • Dämon des Stolzes, der Begierde etc. (uneingestandene Regungen werden auf dämonische Wirkung zurückgeführt) • Dämon als Ursache von Schlafstörungen, Alpträumen, Zwangsgedanken etc.
Formen spiritueller Therapie(im christlichen Raum *) *) vielfältige Variationen in anderen Religionen • Traditionell und häufig: Gebet, Beichte, Abendmahl / Eucharistie, Segen durch Handauflegung • Übergangsobjekte und Abwehr von Unglück: Heiligenbilder, Amulette, Kreuz, Schutzbringer etc. • Aktivitäten: Wallfahrten, Teilnahme an religiösen Festen, religiöse Übungen, Aufsuchen von speziellen Heilern • Besondere Formen der Seelsorge: „Bilder“, Prophetie, Freibetung, „Gebieten“ (selbst oder durch andere), Exorzismus
Häufig: • Vermischung von spiritueller Hilfe • mit Volksaberglauben(speziell im katholischen und orthodoxen Raum) • mit analytisch orientierter Populärpsychologie(z.T. in charismatischer Literatur)
Umgang mit Spiritualisierung 1. Diagnostik / Assessment • "Nur was wir würdigend ansehen, öffnet sich uns" • Erklärungsmodell oder Begleitphänomen? • Wahn oder Subkultur? • Psychodynamik: Bewältigung oder Abwehr? • Welche therapeutischen Konsequenzen ergeben sich aus der Spiritualisierung? (traditionell-christlich, magisch, dramatisch)
Umgang mit Spiritualisierung - 2 2. Evaluation • In Zusammenarbeit mit dem Ratsuchenden • Unterschiedliche Frömmigkeits-Stile! • Persönliche Integrität des Therapeuten • theologische Gewichtung: wichtig, aber nicht primärer Teil der Therapie WESENTLICH: • Welchen Einfluss hat die Spiritualisierung auf Symptomlinderung, persönliche Entwicklung und die Lebensbewältigung des Ratsuchenden (soziale Aufgaben, Beziehungen)?
Outcome positiv Outcomenegativ Ergebnis der Spiritualisierung IDEAL Symptomlinderung Persönliche Freiheit -- Beziehungs-fähigkeit -- Lebensbewältigung
3. Procedere • Einfühlung in das Leiden des Patienten und Offenheit für seine religiöse Welt zeigen • Zusammenarbeit mit dem Seelsorger (falls möglich) • Psychoedukation: Das spirituelle Leben kann durch psychische Krankheit (z.B. Depression) eingeschränkt werden. Bild: verstimmtes Klavier • Reframing: Spiritualität als Teil eines umfassenderen Krankheits- und Bewältigungsmodells
3. Procedere --- Fortsetzung • Spirituelle Deutung als Hilfe oder als Last? Unterstützung oder Gruppendruck? (Jakobus 1:13)Umgang mit enttäuschtem Glauben, übersensiblem Gewissen, überhöhten Zielen etc. • Nutzen biblischer Bilder und Metaphern (mit Bedacht; keine Streitgespräche!) • Manchmal: „Agree to disagree“ und dennoch zur Verfügung stehen, wenn Not da ist.
Kennzeichen funktionaler Spiritualität • Stärkt das Selbstvertrauen (im Vertrauen auf Gott) • Hilft zu reifer Beziehungsgestaltung und Gestaltung der „sozialen Nische“ • Hilft zur Lebensbewältigung • Erhält das Bewußtsein und die Ehrfurcht vor dem Letzten, vor Gott. (in Anlehnung an Pargament)
Ich plädiere nicht für eine religiöse Psycho-therapie oder eine Psychotherapie nur für Religiöse, sondern für eine Therapie, die – unter anderen spezifisch menschlichen Aus-drucksformen – auch das Phänomen Religion ernst nimmt. Ich plädiere für eine Therapie, die . . . im Detail zu explorieren versucht, was die ganz individuelle, oft sehr unorthodoxe und sich im Laufe des Lebens meist stark verän-dernde «heart religion» für den Patienten, die «Religion seines Herzens» ist. Hans Küng
Download www.seminare-ps.net Weitere Präsentationen zu den Themenbereichen Psychiatrie, Seelsorge, Erziehung und Lebensberatung finden Sie auf der Homepage