1 / 32

Institut für Völkerkunde, Universität zu Köln Einführungsseminar WS 2004/05 Lioba Lenhart

Institut für Völkerkunde, Universität zu Köln Einführungsseminar WS 2004/05 Lioba Lenhart. 25.10.2004 4. Sitzung: Kultur und Sprache. Peoples & Bailey, Kapitel 3: „ Culture and Language “. Themen: (1) Grundlegende Merkmale von Sprache

lou
Download Presentation

Institut für Völkerkunde, Universität zu Köln Einführungsseminar WS 2004/05 Lioba Lenhart

An Image/Link below is provided (as is) to download presentation Download Policy: Content on the Website is provided to you AS IS for your information and personal use and may not be sold / licensed / shared on other websites without getting consent from its author. Content is provided to you AS IS for your information and personal use only. Download presentation by click this link. While downloading, if for some reason you are not able to download a presentation, the publisher may have deleted the file from their server. During download, if you can't get a presentation, the file might be deleted by the publisher.

E N D

Presentation Transcript


  1. Institut für Völkerkunde, Universität zu KölnEinführungsseminar WS 2004/05Lioba Lenhart 25.10.2004 4. Sitzung: Kultur und Sprache

  2. Peoples & Bailey, Kapitel 3:„Culture and Language“ Themen: (1) Grundlegende Merkmale von Sprache (2) Grammatik (Phonologie, Morphologie, Syntax) und nonverbale Kommuni- kation (3) Sprache und Kultur (4) Soziolinguistik Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Kultur und Sprache

  3. (1) Grundlegende Merkmale vonSprache Sprache – das geteilte Wissen über Laute, Wörter, Bedeutungen und gram- matikalische Regeln, das zum Senden und Empfangen von Botschaften ge- nutzt wird – ist ein zentrales Merkmal, das den Menschen von anderen Lebewesen unterscheidet. • Nur Menschen haben spezifisch entwickelte Stimmwege, d.h. Teile des Atmungssystems, die es möglich machen, bestimmte Laute zu bilden (Lunge, Luftröhre, Mund und Nasenwege); • Sprache ermöglicht den Menschen, unglaublich komplexe, präzise, detaillierte Informationen über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu kommunizieren, selbst über Ereignisse, die nie stattfanden, Personen und Dinge, die nur in der Phantasie existieren; sowie Kommunikation über abstrakte Konzepte (z.B. Wahrheit, Gut und Böse, Gott, Männlichkeit, Wohlstand, Unendlichkeit, Recht, Demokratie, Hass usw.); • Ohne Sprachfähigkeit wäre soziales Lernen, durch das Kinder Kultur erwerben – Übertragung von Informationen von einem Individuen zu einem anderen, von einer Generation zur nächsten –, kaum möglich. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Kultur und Sprache

  4. …Sprache als für den Menschen charakteristisches Merkmal Auch andere Tiere – Honigbienen, Wale, Delfine, Schimpansen u.a –, haben beeindruckende Kommunikationsfähigkeiten, sind aber nicht in der Lage, vergleichbar komplexe, präzise Informationen zu kommunizieren.  Schimpansen (die mit dem Menschen am engsten verwandten Primaten) können Zeichensprache erlernen bzw. Symbole, die für Wörter oder Konzepte stehen, in Satzform bringen – aber kein Tier kann die Frage beantworten, was seine Pläne für den morgigen Tag sind! Das menschliche Kommunikationssystem Sprache unterscheidet sich von Kommunikationssystemen anderer Lebewesen durch (1) Multimediales Potenzial (multimedia potential), • Diskretheit/Kombinierbarkeit der Elemente (discreteness), • Willkürlichkeit/Arbitrarität (arbitrariness), (4) Produktivität (productivity), (5) Loslösung/Entbundenheit (displacement) Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Kultur und Sprache

  5. (1) Multimediales Potenzial (multimedia potential) • Sprachliche Botschaften bedürfen eines Mediums der Übertragung vom Sender zum Empfänger. • Das Übertragungsmedium kann variieren: - Schrift, - Sprechen, - Gebärden (z.B. Gehörlosensprache), - Morsen, - Internet, - und anderes. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Kultur und Sprache

  6. (2) Diskretheit/Kombinierbarkeit der Elemente (discreteness) • Sprache besteht aus gesonderten Einheiten (Laute, Wörter), die in verschiedener Reihenfolge kombiniert werden und jeweils verschiedene Bedeutung haben. • Wörter sind Bedeutungsträger. Diese werden aus getrennten Lauten (die für sich genommen keine Bedeutung haben) zusammen gesetzt. Sätze werden aus getrennten Wörtern/Bedeutungsträgern kombiniert.  Wenige Elemente können zu vielen Endprodukten kombiniert werden (wenige Laute zu vielen Wörtern, wenige Wörter zu vielen Sätzen) – dieselben Elemente werden immer wieder in jeweils unterschiedlichen Kombinationen verwendet. • Dem liegen spezifische Regeln – Grammatik – zugrunde. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Kultur und Sprache

  7. (3) Willkürlichkeit/Arbitrarität (arbitrariness) • Die Beziehung zwischen Lautketten, die Wörter darstellen, und den Bedeutungen dieser Wörter ist arbiträr Wörter sind Symbole, die Wahl der Zeichen ist willkürlich  die spezifischen Zeichen/Wörter haben keinen direkten Bezug zu den Dingen, für die sie stehen. • Bedeutungen sind ausschließlich über Konventionen festgelegt, die Sender und Empfänger teilen (die Verknüpfung von Bedeutungen mit Wörtern wird im Verlauf des frühkindlichen Sozialisationsprozesses gelernt). Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Kultur und Sprache

  8. (4) Produktivität (producticity) • Produktivität meint die Fähigkeit der Sprecher/innen einer Sprache, intuitiv, unbewusst und auf kreative Art und Weise die Laute und Wörter so zu kombinieren, dass eine unendliche Anzahl von bedeutungs-vollen Sätzen gebildet - also eine unendliche Anzahl von Botschaften gesendet/verstanden werden können.  Sprecher/innen und Zuhörer/innen kennen die individuelle Bedeutung der einzelnen Wörter und die Regeln, auf deren Basis sie bedeutungs- voll kombiniert werden können.  Sender und Empfänger sind sich ihres dies bezüglichen Wissens nicht bewusst, obschon sie es routiniert immer dann anwenden, wenn sie kommunizieren. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Kultur und Sprache

  9. (5) Loslösung/Entbundenheit (displacement) • Sprache ermöglicht Kommunikation über Objekte, Personen und Ereignisse, die räumlich/zeitlich weit auseinander liegen und/oder abstrakt sind und daher imaginiert werden müssen. Dies steht in Zusammenhang mit der symbolischen Natur von Wörtern und Sätzen – wir müssen Dinge nicht unmittelbar sichtbar vor Augen haben, um über sie zu kommunizieren.  Wir können über jemanden reden, der nicht anwesend ist, da die sprachlichen Symbole – in dem Fall ein Name – jemanden ins Gedächtnis rufen. Wir können über zukünftige Ereignisse spekulieren, da die Sprache Symbole hat, die für die Zukunft stehen und andere, die ein mentales Image etwaiger Ereignisse ermöglichen. Vergleichbares gilt auch für nicht fassbare Phänomene oder Phantasien (z.B. Geister, Gnome) oder räumlich oder zeitlich Entferntes (z.B. Exploration von Mars und Jupiter, Kämpfe im Nahen Osten) usw. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Kultur und Sprache

  10. (2) Grammatik(Phonologie, Morpholo- gie, Syntax) und nonverbale Kom- munikation Grammatik • Grammatik meint das Wissen über die Elemente einer Sprache (Laute, Wörter) und die Regeln, nach denen diese kombiniert werden können, um eine unendliche Zahl bedeutungsvoller Sätze zu bilden. • Grammatikalisches Wissen ist äußerst komplex, trotzdem aber in der Regel unbewusst und intuitiv  Muttersprachler/innen sind nicht in der Lage zu erklären, was sie dazu befähigt, in der ihnen eigenen Art zu sprechen und sich gegenseitig zu verstehen.  Sprecher/innen und Zuhörer/innen denken nicht lange darüber nach, auf welche Art und Weise intendierte Botschaften in Sätze trans- formiert bzw. Sätze im Hinblick auf die intendierten Botschaften dekodiert werden können. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Kultur und Sprache

  11. …Grammatik • In der Linguistik wird der Begriff ‚Grammatik‘ nicht wertend verwendet: Im linguistischen Sinne gibt es keine höher oder niedrig stehenden Sprachen bzw. Dialekte einer Sprache – sie alle sind geeignete Vehikel, Botschaften zu kommunizieren.  Es gibt also keine „schlechte“ Grammatik, keinen „schlechten“ Sprachstil u.ä. Solche Wertungen sind kulturelle Wertungen.  Auch regionale Dialekte oder schichtenspezifische Sprachen (Soziolekte) folgen bestimmten Regeln und sind damit genauso grammatikalisch „richtig“ wie die jeweilige Standardsprache. • Teilbereiche der Grammatik sind (1) Phonologie, Lautlehre (2) Morphologie, Wortlehre (3) Syntax, Satzlehre Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Kultur und Sprache

  12. (1) Phonologie, Lautlehre • Phon – ein unterscheidbarer sprachlicher Laut • Phonem – kleinster, Bedeutungsunterscheidender Laut einer bestimmten Sprache • Phonologie – Untersuchung des Lautsystems einer Sprache Phoneme können gebildet/unterschieden werden durch • den Ort und die Art und Weise, an dem und in der sie entstehen (Stimmapparat)  stimmhaft - stimmlos, • Atmung  aspiriert – nicht-aspiriert, • Tonhöhen. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Kultur und Sprache

  13. …Phonologie Stimmhafte und stimmlose Laute (Beispiel: Deutsch und Kosraen) d – t: beide Laute haben mit der Beschaffenheit des menschlichen Stimmapparats zu tun, d ist stimmhaft (Vibrieren der Stimmbänder), t ist stimmlos (Nicht-Vibrieren der Stimmbänder) d und t sind immer unterschiedliche Phone, nicht aber unbedingt unterschiedliche Phoneme  Im Deutschen werden d und t sie als bedeutungsunterscheidend wahrgenommen (z.B. in den Wörtern Dank – Tank).  In der mikronesischen Sprache Kosraen werden d und t nicht als bedeutungsunterscheidend wahrgenommen (z.B. bedeuten die Wörter tan und dan beide „Farbe“) Aspirierte und nicht-aspirierte Laute (Beispiel: Deutsch und Thai) Im Deutschen sind aspirierte und nicht-aspirierte Phone nicht bedeutungs- unterscheidend; in Thai aber sehr wohl (z.B. paa – „Wald“, Phaa (h steht für aspiriert) – „trennen“ Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Kultur und Sprache

  14. …Phonologie Tonsprachen Wenn Tonverlauf und Tonhöhe zur Bildung von Phonemen verwendet werden, spricht man von einer Tonsprache.  Im Deutschen spielen Tonhöhe und Variationen der Tonhöhen kaum eine Rolle – Ausnahmen sind Fragen und Imperative (z.B. Du gehst? Du gehst!)  In anderen Sprachen (u.a. Chinesisch, Thai, einige afrikanische Sprachen) werden durch Tonhöhen auch Phoneme gebildet. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Kultur und Sprache

  15. (2) Morphologie, Wortlehre • Morphem - eine bedeutungstragende Einheit innerhalb eines Worte; es gibt zwei Arten von Morphemen: - freie Morpheme können alleine als Wort stehen, - gebundene Morpheme können nicht alleine als Wort stehen, sondern in Kombination mit einem freien Morphem  verändern die Bedeutung eines freien Morphems (Prä- und Suffixe, Tempus, Numerus, Genus). • Morphologie beschäftigt sich damit, wie aus Phonen/Phonemen Worte gebildet werden • Lexikon – das gesamte Wortinventar einer Sprache Bsp. freie Morpheme, Deutsch: Frau, Kind, Auto Bsp. gebundene Morpheme, Deutsch: Lehrer-in, tief-er, un-gleich, Auto-s Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Kultur und Sprache

  16. (3) Syntax, Satzlehre (im Lehrbuch nicht thematisiert!) • Syntax beschäftigt sich damit, wie aus Wörtern Sätze gebildet werden • Worte nehmen hier bestimmte Funktionen ein: Subjekt, Prädikat, Objekt, etc.  es gibt nicht für alle Sprachen einheitliche Grundeinheiten – Objekte oder Adverbien gibt es z. B. nicht immer, Wortfolge in Sätzen kann unterschiedlich sein (Bsp. Deutsch, Wortfolge: Subjekt - Prädikat - Objekt; dagegen Indonesisch i.d.R. Objektfokus: Objekt - Prädikat - Subjekt) usw. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Kultur und Sprache

  17. Nonverbale Kommunikation Zur Übertragung von Botschaften (senden, empfangen) benutzen Menschen nicht nur Laute, Wörter und Sätze. Hinzu kommen • Bewegungen des Körpers oder von Teilen des Körpers – untersucht im Forschungsfeld Kinesics ; • räumliche Nähe bzw. Distanz zum/r Gesprächspartner/in – untersucht im Forschungsfeld Proxemics. Die damit verbundenen Botschaften sind dem Sender oft unbewusst, werden aber auch bewusst eingesetzt. Auch diese Formen der Kommunikation sind meist symbolisch: Die Botschaf- ten, die mit einer bestimmter Berührung, Körperbewegung oder Distanz zum Gesprächspartner zum Ausdruck gebracht wird, beruhen auf Konventi- onen – sind jeweils kulturspezifisch! Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Kultur und Sprache

  18. … nonverbale Kommunikation Im Bereich der nonverbalen interkulturellen Kommunikation sind Missverständnisse häufig.  Beispielsweise gelten Berührungen der Gesprächspartner/innen in einigen kulturellen Kontexten als angemessen, in anderen nicht (“high touch“- vs. „low touch“- Kulturen); mitunter geht dies mit Status- und Machtunterschieden einher (in einigen Kulturen dürfen Personen mit höherem Status solche mit niedrigerem Status berühren, Umgekehrtes wird aber als Affront aufgefasst).  Ähnliches lässt sich für die Einhaltung bestimmter Distanzen zu Gesprächspartnern konstatieren, die in verschiedenen Kulturen sehr unterschiedlich festgelegt sind. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Kultur und Sprache

  19. (3) Sprache und Kultur • Die kognitive Ethnologie (cognitive anthropology) beschäftigt sich mit der Beziehung von Sprache und Kultur, die in engem Zusammenhang stehen: kulturelle Klassifikationen der Realität sind ähnlich wie Sprache organisiert. Kultur wird als ein Set mentaler Modelle erachtet, die sprachlichen Ausdruck finden. Aufgabe des/r Ethnologen/in ist der Nachvollzug dieser Modelle aus Sicht der Sprecher/innen einer Sprache und Kulturteilnehmer/innen.  Informant/innenaussagen werden mit Methoden der Linguistik aufbereitet.  Schwerpunkte der Betrachtung sind Lexikon und semantische Domänen. Lexikon (wie gesagt): das gesamte Wortinventar einer Sprache Semantik: Lehre von den Bedeutungen sprachlicher Zeichen Semantische Domänen: Wortfelder, bestehend aus der Bedeutung nach zusammen gehörigen Wörtern; Wörter, die zu einer gemeinsamen Klasse gerechnet werden Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Kultur und Sprache

  20. Semantische Domänen • In den Bereichen, die in einer Kultur oder subkulturellen Gruppe von besonderer Bedeutung sind, sind Lexikon und Klassifikationen äußerst detailliert. Beispiel: Bauern in USA: Wissen über Nutztiere/Tierbezeichnungen – Rind, Pferd, Schwein Den unterschiedlichen Bezeichnungen für Rind, Pferd und Schwein liegen dieselben differenzierenden Merkmale zugrunde: Geschlecht, Alter/ Ent-wicklungsstand. Diese semantische Domäne lässt sich folgendermaßen darstellen  Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Kultur und Sprache

  21. … Semantische Domänen Hier:horse,Pferd Geschlecht weiblich männlich nicht-kastriert kastriert Alter/ neugeboren foal Entwicklungs- nicht Stand geschlechtsreif filly colt geschlechtsreif marestalliongelding Entspricht der deutschen Klassifikation: foal – Fohlen, Füllen, filly – Stutenfohlen, mare – Stute, stallion – Hengst, colt – Hengstfohlen, Hengstfüllen, gelding – kastriertes Pferd, Wallach Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Kultur und Sprache

  22. … Semantische Domänen • Jede Kategorie kann durch die Merkmale beschrieben werden, durch welche die Bauern sie in ihrer Klassifikation von anderen Kategorien unterscheiden:  z.B. ist ein „Fohlen (filly)“ ein „noch nicht geschlechtsreifes weibliches Pferd (an immature female horse)“ • Die Klassifikation „Pferd“ folgt einem Muster (pattern) – dieselben Unterschiede und Gemeinsamkeiten (Geschlecht, Alter) werden auch benutzt, um andere Nutztiere (Schwein, Rind) zu beschreiben. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Kultur und Sprache

  23. … Semantische Domänen Eine andere Darstellungsweise einer semantischen Domäne ist das Baumdiagramm. Beispiel: Semantische Domäne „Pflanze“ Pflanze Baum Strauch Blume Buche Eiche Holunder Johannisbeere Rose Tulpe Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Kultur und Sprache

  24. … Semantische Domänen Studie zu Farbtermini von Berlin, Brent O. und Paul D. Kay. 1969. Basic Color Terms. Berkeley: University of California Press. Dieser Studie zufolge gibt es je nach Sprache/Kultur eine unter- schiedliche Anzahl von basalen Farbtermini. Es wurden aber nichtsdestotrotz in Bezug auf Farbterminologien klare Gesetz- mäßigkeiten festgestellt: • wenn 2 Termini, dann schwarz/dunkel und weiß/hell differenziert, • wenn 3 Termini, dann auch rot, • wenn 4 Termini, dann auch grün oder gelb, • wenn 5 Termini, dann auch gelb und grün, • wenn 6 Termini, dann auch blau, • wenn 7 Termini, dann auch braun, • erst dann folgen violett/lila, pink/rosa, orange und grau. Die Ergebnisse dieser Untersuchung sind im Wesentlichen bis heute bestätigt – obschon einige Ausnahmen inzwischen bekannt sind. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Kultur und Sprache

  25. … Semantische Domänen • Die meisten semantischen Domänen sind hierarchisch strukturiert – so z.B. die Domäne „Farben“: blau – himmelblau, azurblau usw., gelb – zitronengelb usw., rot – rosarot usw. usw. • Es gibt Grenzfälle und Uneindeutigkeiten bei der Einordnung – so z.B. die Domäne „Farben“ – violett, kann rot und blau zugeordnet sein • Nicht in allen Kulturen existieren für alles Wahrgenommene auch Be-zeichnungen – so z.B. die Domäne „Farben“ - einige Kulturen differenzieren mehr als andere; es gibt Kulturen, die nur „hell“ und „dunkel“ unterscheiden, andere differenzieren gegenüber unserer Kultur sehr viel stärker, legen der Kate- gorisierung von Farben und Farbnuancen andere Kriterien zugrunde (z.B. nicht Brechung von Lichtwellen/Länge von Lichtwellen, die ein Objekt reflektiert, sondern Grade von Trockenheit und Feuchtigkeit). • Der Differenzierungsgrad semantischer Domänen hängt von ihrer Wichtigkeit ab – so kennen z.B. Fischer mehr Termini für Fische als Nicht-Fischer. • Es gibt semantische Domänen, die in allen Kulturen vorhanden sind – z.B. Domänen „Verwandtschaft“, „Körper(teile)“, „Farben“). Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Kultur und Sprache

  26. Sprache, Wahrnehmung und Kultur Die Analyse semantischer Domänen lässt begründete Schlüsse auf die Struktur und Relevanz bestimmter kultureller Bereiche zu. Folglich spiegeln bestimmte Aspekte von Sprache die Kultur ihrer Sprecher/innen wider. Eine bekannte Hypothese zum Zusammenhang von Sprache, Wahrnehmung und Kultur - dieSapir-Whorf-Hypothese - geht noch weiter: Sprache beeinflusst die Wahrnehmung und die Gedankenstruktur ihrer Sprecher/innen und bestimmt daher ihre Kultur bzw. wesentliche Teilbereiche von Kultur – z.B. Vorstellungen über Zeit und Raum. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Kultur und Sprache

  27. … Sapir-Whorf-Hyothese • Die Sapir-Whorf-Hypothese wurde nie von Sapir und Whorf gemeinsam formuliert! • Sapir: Worte, die wir verwenden, implizieren konzeptuelle Kategorien; sie prägen die Art und Weise, in der wir die Welt wahrnehmen. Denk- und Wahrnehmungsprozesse werden durch die Eigenheiten der Sprache, die man spricht, strukturiert und in gewisser Weise gesteuert. Jede Sprache ist ein Spiegel der sozialen Wirklichkeit und exklusiv; keine Sprachen sind sich so ähnlich, dass sie dieselbe soziale Wirklichkeit widerspiegeln • Whorf ging einen Schritt weiter und behauptete, dass die Weltsicht einer Person von ihrer Sprache nicht nur beeinflusst, sondern determiniert wird. Die Wirklichkeit, wie sie uns erscheint, ist dass Produkt der Kategorien, die unserer Wahrnehmung und unserem Denken von der Sprache, die wir sprechen, aufgezwungen werden. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Kultur und Sprache

  28. … Sprache, Wahrnehmung und Kultur • Beispiel: Zeitvorstellungen (Whorf, Studien der 1930/40er Jahre) Annahme: Durch Sprache wird die Zeitvorstellung bestimmt Vergleich: Westliche Vorstellung von Zeit und Vorstellung der Hopi von Zeit Westliche Welt: wir denken über Zeit in räumlichen Metaphern (eine lange Zeit, eine kurze Zeit), legen Zeiteinheiten fest (Tage, Stunden), als ob diese Einheiten die gleichen Messqualitäten hätten wie abgrenzbare, sichtbare Einheiten (z.B. Äpfel und Birnen); und wir klassifizieren auf einem linearen Kontinuum Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft. Hopi: Der Begriff der Zeit wird in der Hopi-Sprache eindeutig anders aufgefasst als beispielsweise im Deutschen oder Englischen. Zeit wird nicht in Tempi (Imperfekt, Perfekt usw.) und nicht in räumlichen Metaphern ausgedrückt, sondern Ereignisse werden als sich kontinuierlich entfaltend formuliert und wahrgenommen. ? Aber: Determiniert die Sprache der Hopi tatsächlich ihre konkrete, tagtägliche Zeitvorstellung? !  sicher nicht absolut  es besteht vielmehr eine wechselseitige Einflussnahme! Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Kultur und Sprache

  29. … Sprache, Wahrnehmung und Kultur Weitere Beispiele dafür, dass Sprache, Wahrnehmung und Kultur sich wechselseitig beeinflussen:  räumliche Vorstellungen  z.B. australische Aborigine-Gruppe, die keine relativen Präpositionen ("vor", "hinter", "neben" usw.) kennt, sondern nur vier unseren Himmelsrichtungen grob analoge Himmelsrichtungen, um die Position zweier Dinge zueinander zu beschreiben;  z.B. Sprachen von Inselbewohnern, in denen es oft nur „meerzugewandt“ und „meerabgewandt“ als Termini für Positionsbestimmung gibt. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Kultur und Sprache

  30. … Sprache, Wahrnehmung und Kultur Kritische Reflexion zur Sapir-Whorf-Hypothese: Es besteht eine nachgewiesene Beziehung zwischen Sprache, Denken, Wahrnehmung und Kultur/Weltsicht. Die Frage ist allerdings, wie wichtig der Faktor Sprache ist. Sicher prägt nicht Sprache allein Kultur. Insofern sie es tut, handelt es sich um Einflussnahme, nicht um Determinierung! Auch sind umgekehrte Richtungen der Einflussnahmen (Kultur Sprache) und Wechselwirkun- gen zu berücksichtigen. Denn • Weltbilder wandeln sich schneller als Sprachen. • Unterschiedliche Weltbilder gibt es auch bei sprachlicher Verwandtschaft. • Ähnliche, gemeinsam geteilte Weltsichten sind auch im Falle von Bi- und Multilingualität gegeben. Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Kultur und Sprache

  31. (4) Soziolinguistik Die Soziolinguistik untersucht, in welcher Form das Sprechverhalten von kulturellen Faktoren und dem sozialen Kontext (einschließlich Ziele der Sprecher/in, Anwesenheit Dritter, u.a.) beeinflusst wird. Sprechweisen können benutzt werden, um sich selbst darzustellen und in subtiler Weise Rang- und Statusunterschiede deutlich zu machen (z.B. zwischen ethnischen Gruppen, unterschiedlichen Klassen, Männern und Frauen usw.) Beispiele:Soziale Dimension von Sprache • Anredeformen (z.B. Anreden, wie z. B. „Du“ und „Sie“ im Deutschen, im Kreise von Gleichaltrigen, Jüngeren und Älteren, Freunden, Geschäftsleuten usw.); • Männer-/Frauensprachen (z.B. bestimmte Gruppen in China - Männer und Frauen benutzen unterschiedliches Vokabular); - Respekt- und Höflichkeitssprachen (Bsp. Java: unterschiedliche Sprachniveaus von Adeligen/hochrangigen Personen und einfachen Bürgern, Älteren und Jüngeren usw.); • Namentabus (Namen von Verstorbenen dürfen nicht genannt werden). Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Kultur und Sprache

  32. Zur nächsten Stunde Kapitel 4 des Lehr- buchs (Seiten 65-82) lesen !  „Enculturation and the Life Cycle“ Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Kultur und Sprache

More Related