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Fragmentierung oder Kompensation? Die sozialen Netzwerke prekär Beschäftigter Andreas Gefken , Dipl.-Soz. Forschungsprojekt: „Soziales Kapital im Lebensverlauf“ (Prof. Dr. Petra Böhnke; VolkswagenStiftung).
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Fragmentierung oder Kompensation? Die sozialen Netzwerke prekär BeschäftigterAndreas Gefken, Dipl.-Soz.Forschungsprojekt: „Soziales Kapital im Lebensverlauf“ (Prof. Dr. Petra Böhnke; VolkswagenStiftung) Tagung: Die gespaltene Gesellschaft. Sozialwissenschaftliche Perspektiven auf alte und neue soziale Ungleichheiten 6. Dezember 2012 an der Johannes Kepler Universität Linz
Gliederung 1. Thematischer Ausgangspunkt 2. Fragestellung und Methode 3. Fallanalyse (1): Frau B. 4. Fallanalyse (2): Frau N. 5. Schlussfolgerungen: Fragmentierung oder Kompensation?
1. Thematischer Ausgangspunkt - Schnittpunkt von Sozialkapitalforschung und Prekaritätsdiskurs • Soziales Kapital: „[D]ie Gesamtheit der aktuellen und potentiellen Ressourcen, die mit dem Besitz eines dauerhaften Netzes von mehr oder weniger institutionalisierten Beziehungen gegenseitigen Kennens oder Anerkennens verbunden sind“ (Bourdieu 1992: 63). • Prekarität: „Zone der Prekarität“ (Castel 2000) als Kombination unsicherer Beschäftigungsverhältnisse und instabiler Sozialbeziehungen
2. Fragestellung und Methode Zentrale Fragestellung: Wie entwickelt sich das individuelle soziale Kapital einer Person und dessen Struktur, d.h. Netzwerke persönlicher Beziehungen, in Folge prekärer Arbeit? • leitfadengestützte Interviews (vgl. Helfferich 2009) mit prekär Beschäftigten (Leih- und Zeitarbeit, befristeter und geringfügiger Beschäftigung, Teilzeit; vgl. Brehmer/Seifert 2008) • GroundedTheory (Glaser/Strauss1967; Strauss/Corbin 1996)
3. Fallanalyse (1): Frau B. • Bei Freundschaften und Verwandten: • Inanspruchnahme kleinerer Alltagshilfen: • → Reziprozität erschwert • → Beziehungsüberlastung • Geld leihen bei Verwandtschaft: • Beziehungsverschlechterung
„[J]a bei vielen ist es so, dass man da nicht einschätzen kann, darf ich noch ein zweites Mal fragen, weil die Möglichkeit, dass man mal was zurück gibt, dass es einen gewissen Ausgleich gibt, die werden geringer.“ (I02,26).
„[M]an muss sich dann öfter mal privat was leihen [..], was dann irgendwann erstens unangenehm ist und dann aber auch so einen gewissen Ruf gibt "Was will sie jetzt schon wieder?", [..] Man meldet sich dann öfter, weil man mal Zeit hat und dann gibt es bestimmte Leute, die denken: "Oh, will die schon wieder irgendwas? Gibt es schon wieder Probleme oder so?" (I02,14)
„[E]igentlich wird dann auch erwartet, ja wenn Verwandtschaft doch in der Nähe ist und dass man bei denen auch Hilfe kriegt oder alle Leute denken das. Das ist nicht so. [..] • [I]m Gegenteil, die maßen sich dann eher an ein Urteil zu geben. "Schafft's schon so", oder die Angst jetzt, wo ich noch weniger Geld habe als früher, „Ja, wenn wir da den kleinen Finger hinreichen, dann will sie vielleicht mehr“ und da merke ich schon, dass da sich Menschen ganz stark distanzieren in der Verwandtschaft“ (I02,24)
„Also nach dem Job dachte ich ja, Karriere, fett Geld, so was halt und Job das wichtigste, so mehr oder weniger wird's dann irgendwann sein, mittlerweile habe ich die Einstellung dass halt das soziale Umfeld das wichtigste ist.“ (I03,11)
„Also früher habe ich auch oberflächlich irgendwas, also das ist mittlerweile deutlich tiefer und intensiver. Weil man natürlich schon merkt dass das einem noch einen Halt gibt und dass Job nicht alles ist im Leben.“ (I03,26)
4. Fallanalyse (2): Frau N. Bei Eltern: Soziales Kapital als finanzielle Unterstützung → Reziprozität stark aufgeschoben
„Und dann natürlich auch jetzt schon wieder, jetzt die Rechnung, hier und da, und ich habe, Gott sei Dank, das Glück, meine Mutter wird dann schon, meine Mutter verdient sehr, sehr gut, mein Bruder auch, die haben fantastische Gehälter [..] und wenn mal was ist, was ich nicht kann, dann helfen sie mir auch.“ (I03,17)
„[M]eine Mutter, der tut das auch ganz gut, weil, ich glaube sie weiß, dass sie mich auf emotionaler Ebene nicht so unterstützen kann, [..] ich glaub schon, dass das dann für sie auch mal ein schönes Gefühl ist, wenn sie weiß, ok jetzt hab ich ihr geholfen weil ich mal eine große Rechnung oder so bezahlt habe.“ (I03,22)
4. Fallanalyse (2): Frau N. Bei Eltern: Soziales Kapital als finanzielle Unterstützung → Reziprozität stark aufgeschoben
5. Schlussfolgerungen: Fragmentierung oder Kompensation? - zentrale Rolle der Herkunftsfamilie für Netzwerkstabilität in prekärer Lebenslage • Ressourcenausstattung der Herkunftsfamilie • Qualität der Beziehungen zur eigenen Familie • Wechselseitiges Verhältnis: Prekarität <-> Sozialkapital
Literatur • Bourdieu, Pierre (1992): Ökonomisches Kapital – kulturelles Kapital – soziales Kapital, in: Ders.: Die verborgenen Mechanismen der Macht. Schriften zu Politik & Kultur 1, hrsg. v. Margareta Steinrücke, Hamburg: VSA-Verlag, S. 49-80. • Brehmer, Wolfram/ Seifert, Hartmut (2008): Sind atypische Beschäftigungs-verhältnisse prekär? Eine empirische Analyse sozialer Risiken, in: ZAF 4/2008, S.501-531. • Castel, Robert (2000): Die Metamorphosen der sozialen Frage. Eine Chronik der Lohnarbeit, Konstanz. • Glaser, Barney G./ Strauss, Anselm (1967): The Discovery of Grounded Theory: Strategies for Qualitative Research, Chicago. • Helfferich, Cornelia (2009): Die Qualität qualitativer Daten, Wiesbaden: VS-Verlag. • Strauss, Anselm/ Corbin, Juliet (1996): Grounded Theory: Grundlagen Qualitativer Sozialforschung, Weinheim.