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Strafen des JStG

Strafen des JStG. 3. Kap., 3. Abschnitt JStG Art. 21-35. Anwendung in der Praxis.

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Strafen des JStG

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  1. Strafen des JStG 3. Kap., 3. Abschnitt JStG Art. 21-35

  2. Anwendung in der Praxis Seit der Einführung des JStG können Strafen neben Schutzmass-nahmen angeordnet werden. Zugeschnitten sind die Strafen jedoch auf die Fälle von „normaler“ Jugendkriminalität, bei denen die per-sönlichen Voraussetzungen, die Anlass für eine Schutzmassnahme sind, nicht vorliegen. Strafen werden in der Regel allein ausge-sprochen, sie sind nach wie vor die weitaus häufigsten Sanktionen. Die richterliche Kompetenz liegt in der Deutschschweiz für die meisten Fälle bei den Jugendanwältinnen und Jugendanwälten, in der Westschweiz bei den Jugendrichterinnen und Jugendrichtern, in beiden Fällen im Strafbefehlsverfahren. Nur die (sehr seltenen) hohen Strafen, oder Verfahren, in denen gegen einen Strafbefehl Einsprache erhoben wurde, werden durch die Jugendstrafgerichte beurteilt.

  3. Kriterien der Strafzumessung Voraussetzung für jede Bestrafung ist das Vorliegen einer Schuld, die als vorwerfbare Schwere der Tat umschrieben wird. Davon unterschieden wird das «Verschulden» als Mass der Straf-zumessung. Darin fliessen mit dem Vorleben und den persönlichen Verhältnissen weitere Gesichtspunkte ein. Massgeblich für die Strafzumessung sind im Jugendstrafrecht aber nicht allein das Verschulden, sondern auch erzieherische, insbesondere spezialpräventive Gesichtspunkte. Die beiden Massstäbe können sich widersprechen. Dabei gilt, dass die dem Verschulden angemessene Höchststrafe aus erzieherischen Überlegungen nicht überschritten werden darf (Verschulden als Obergrenze), wohl aber aus erzieherischen Überlegungen unterschritten werden kann. Strafzumessung ist somit stärker individualisiert als im Erwchsenen-strafrecht

  4. Grenzen der Individualisierung Nach BGE 94 IV 57 muss die Strafe vor allem dem Alter und der gesamten Persönlichkeit des Jugendlichen angepasst sein, und zwar so, dass sie sich auf seine Weiterentwicklung nicht hemmend oder schädlich auswirke, sondern sie im Gegenteil günstig beein-flusse. Im Rahmen der erzieherischen Überlegungen spielt vor allem die Strafempfindlichkeit eine Rolle, d.h. die mutmassliche Wirkung der Strafe auf das Verhalten des Jugendlichen. Allerdings muss im Hinblick auf Gleichbehandlung, Akzeptanz und Glaubwürdigkeit, aber wohl auch mit Rücksicht auf die positive Generalprävention eine gewisse Relation zu den begangenen Straftaten gewahrt bleiben. Auf ein wirklich schweres Delikt kann nicht mit einem Verweis reagiert werden, auch wenn das im Einzelfall erzieherisch sinnvoll und vom Gesetz her möglich wäre. Auch daran zeigt sich, dass das Jugendstrafrecht kein reines Täterstrafrecht ist.

  5. Strafbefreiung, Art.21 Art.21 sieht in Abs.1 sechs Fälle von Strafbefreiung vor. Teilweise handelt es sich um Gründe, die auch im Erwachsenen-Strafrecht vorgesehen sind, teilweise wurden die im frühern Jugendstrafrecht enthaltenen Gründe sinngemäss übernommen. Allerdings handelt es sich im Gegensatz zu den ehemali-gen Art.88 und 98 aStGB nicht mehr um eine Kann-Regel, sondern um eine zwingende Bestimmung („Die urteilende Behörde sieht von einer Bestrafung ab“). Dennoch besteht in allen sechs Fällen ein grosser Ermessens-Spielraum, nämlich in der Frage, ob die offen formulierten Voraussetzungen erfüllt sind oder nicht. Art.21 verwendete viele unbestimmte Gesetzes-begriffe wie „geringe Schuld“, Wiedergutmachung „so weit als möglich“, Strafe „unangemessen“, „genug bestraft“, „verhältnismässig lange Zeit“.

  6. Meist Verfahrenseinstellung Der Art.21, Abs.1 ist als Entscheid der urteilenden Behörde formuliert, kommt aber in diesem Bereich weniger oft zur Anwendung, weil in den meisten Fällen, in denen diese Gründe zutreffen, gemäss Art.5, Abs.1 lit.a JStPO (der ausdrücklich auf Art.21, Abs.1 JStG Bezug nimmt) bereits im Vorfeld der richterlichen Beurteilung das Untersuchungsverfahren eingestellt wird. Das ist nicht nur verfahrensökonomisch vernünftig, sondern in der Regel auch erzieherisch sinnvoll. Die Einstellung oder die Strafbefreiung müssen gegenüber dem Jugend-lichen allerdings so begründet werden, dass sie nicht als Billigung oder Verharmlosung der begangenen Straf-taten missverstanden werden können. Nachfolgend werden die lit. a - f von Art.21 Abs.1 einzeln behandelt.

  7. lit.a. Gefährdung einer Massnahme Gefährdung einer früher angeordneten oder im laufenden Verfahren anzuordnenden Schutzmassnahme: Die Befreiung zielt zunächst auf Jugendliche ab, die in einem früheren Verfahren zu einer Massnahme verurteilt worden sind und während deren Vollzug neue Delikte begehen. Sind mit der laufenden Massnahme schon Erfolge erzielt worden, ist nach Meinung des Gesetzgebers nicht auszuschliessen, dass diese durch die Verhängung einer Strafe im neuen Verfahren gefährdet werden könnten. Andererseits kann aber auch von einer gleichzeitigen Bestrafung abgesehen werden, wenn im gleichen Verfahren eine Schutz-massnahme verhängt wird. Voraussetzung ist, dass angenommen werden muss, die Strafe gefährde den Erfolg der Massnahme, insbesondere weil eine negative Reaktion des Jugendlichen zu erwarten ist. Das könnte speziell dann der Fall sein, wenn eine einschneidende Massnahme auf Grund relativ leichter Delikte angeordnet wird, z.B. eine stationäre Suchtbehandlung als Reaktion auf Drogenkonsum.

  8. lit.a auch bei drohender Sabotage einer Unterbringung? Noch nicht geklärt ist, ob Art.21 Abs.1 lit.a auch angewen-det werden kann, wenn zu befürchten ist, ein Jugend-licher werde den Vollzug einer Unterbringungsmass-nahme sabotieren, weil er sich ausrechnet, dass er nach deren Abbruch und dem danach angeordneten Vollzug des Freiheitsentzugs früher entlassen wird. Vereinzelt wendet die Praxis die Bestimmung in diesem Sinn an. Vom Wortlaut her scheint das durchaus mög-lich, doch spricht gegen diese Interpretation, dass der Gesetzgeber ausschliesslich von einer Anwendung zu Gunsten des Jugendlichen ausgegangen ist. Das Pro-blem der drohenden Verweigerung wäre de lege ferenda wohl eher dadurch zu lösen, dass die in der Schutz-massnahme verbrachte Zeit in solchen Fällen nicht zwingend auf die Strafe anzurechnen wäre.

  9. lit.b. Bagatellfälle Wie im Erwachsenenstrafrecht (Art.52 StGB) wird in Bagatellfällen (geringe Schuld und geringe Tatfolgen) von einer Bestrafung abgesehen, weil kein Straf-bedürfnis, und damit kein öffentliches Interesse besteht. Besonders in diesen Fällen sollte gestützt aus das Opportunitätsprinzip bereits auf das Strafverfahren verzichtet werden.

  10. lit.c. Wiedergutmachung Das Absehen wegen Wiedergutmachung, ehemals in Art. 88 und 98 aStGB geregelt, wurde präziser formuliert. Wiedergutmachung ist auch im Erwachsenenstrafrecht als Strafbefreiungsgrund vorgesehen (Art.53 StGB), dort eingeschränkt auf Straftaten, welche die Voraus-setzungen für eine bedingte Strafe erfüllen. Durch die Wiedergutmachung soll der öffentliche Friede wiederhergestellt werden, weil der zugrunde liegende Konflikt zwischen Täter und Opfer privat gelöst wird. Der Jugendliche muss entweder den Schaden „so weit als möglich durch eigene Leistung“ wieder gut ge-macht haben (Zahlung durch die Eltern genügt nicht) oder eine „besondere Anstrengung unternommen“ haben, „um das von ihm begangene Unrecht auszugleichen“.

  11. Inhalt der Wiedergutmachung Entscheidend ist, dass der Jugendliche die Tat aufarbeitet und den Ausgleich mit dem Geschädigten aktiv anstrebt. Die Ausgleichsleistung kann in der Rückgabe einer ge-stohlenen Sache, einem Schadenersatz, einem Ge-schenk oder einer Arbeitsleistung bestehen. Bei Ju-gendlichen kann auch eine symbolische Wiedergut-machungsleistung in Frage kommen. Entscheidend ist nicht der Wert der Rückleistung, sonst wären wohlhabende Täter bevorzugt. Vielmehr kommt es auf die Motive des Jugendlichen an, weiter darauf, ob die Schwere der Tat und der Umfang der Wiedergut-machungsleistung in einem angemessenen Verhältnis stehen, und ob die Leistung für das Opfer objektiv glaubwürdig sein kann.

  12. Interessen der Öffentlichkeit und der Geschädigten Bei den in Art.21, Abs.1 lit.c vorbehaltenen Interessen der Öffentlichkeit kann es sich um solche der Generalprävention oder der Gewalt-prophylaxe handeln. So dürfte bei ehemals tabuisierten Delikten (häusliche Gewalt, sexuelle Übergriffe im Nahbereich, Gewalt gegen Kinder) ein Absehen von Strafe in der Regel dem öffentlichen Interesse widersprechen. Denn ein solches Vorgehen würde der kriminalpolitischen Zielsetzung zuwider laufen, diese Verhaltens-weisen nicht mehr wie früher als Privatangelegenheit zu behandeln. Im Rahmen der ebenfalls vorbehaltenen Interessen der Geschädigten kann es nicht auf deren Meinungsäusserung ankommen, sondern auf rechtliche geschützte Interessen, die nach objektiven Über-legungen zu bestimmen sind. Ein schützenswertes Interesse kann z.B. darin liegen, dass die Wahrung von Schadenersatzansprüchen vom Ausgang des Strafverfahrens abhängt.

  13. lit.d. Eigene Betroffenheit Wie im Erwachsenenstrafrecht (Art.54 StGB) kann von einer Bestrafung abgesehen werden, wenn der Jugendliche durch die Folgen der Tat schwer betroffen ist. Das kann z.B. zutreffen, wenn der Jugendliche bei dem von ihm verschuldeten Verkehrsunfall selbst schwer verletzt worden ist oder eine ihm nahe stehende Person verloren hat.

  14. lit.e. Bereits erfolgte Bestrafung Wie im alten Jugendstrafrecht (Art.88 und 98 aStGB) wird auf eine Ahndung verzichtet, wenn der Jugendliche durch Erziehungs-Personen (Eltern, Schule etc.) „schongenug bestraftworden ist“. In der Beurteilung, was „genug“ ist, liegt ein weiter Ermessens-spielraum. Als Kriterien für diese Beurteilung können folgende Gesichtspunkte eine Rolle spielen: Sind dem Jugendlichen klar Grenzen auf-gezeigt worden? Hat eine Auseinandersetzung über sein Ver-halten statt gefunden, aus der er Lehren gezogen hat? War die Sanktion dem Fehlverhalten angemessen, so dass sie von allen Beteiligten als Bestrafung objektiv akzeptiert werden konnte? Hat die Auseinandersetzung zu einer Einsicht geführt, worauf das strafbare Verhalten nicht mehr aufgetreten ist? Vermutlich kann die vom Bundesgericht zum Fristablauf (lit.f.) ent-wickelte Formel, wonach das Verhalten seit der Bestrafung „auf eine innere Umkehr schliessen“ lassen müsse (BGE 100 IV 20), auch hier angewendet werden.

  15. lit.f. Zeitablauf Keine Bestrafung erfolgt, wenn „seit der Tat verhältnismässig lange Zeit verstrichen ist“. Im Gegensatz zu früher (Art.88 aStGB: drei Monate für Kinder, und Art.98 aStGB: ein Jahr für Jugendliche) sind keine Fristen mehr festgelegt. Anhaltspunkte ergeben sich aus den kurzen Verjährungsfristen gemäss Art.36. Danach kann angenommen werden, dass die Zeit in jedem Fall „verhältnismässig lang“ ist, wenn zwei Drittel der jeweiligen Verjährungsfrist vergangen sind[1]. Wie weit schon vorher von einer verhältnismässig langen Zeit gesprochen werden kann, hängt vom Alter, aber auch von der Schwere des Delikts und der Betroffenheit des Opfers ab. Bei Kindern, die den Zusammenhang mit der Tat nach einiger Zeit nicht mehr herstellen können, ist die Strafbefreiung früher gerechtfertigt als bei älteren Jahrgängen. Von einer Strafe kann sodann umso eher abgesehen werden je länger die seither verstrichene Zeit und je leichter die Straftat sind : Das lässt sich dadurch rechtferti-gen, dass bei schwereren Delikten auch die Erinnerung länger haften bleibt. Der Jugendliche muss sich seither wohl verhalten haben. Das BGer hat das in die Formel gefasst, das Verhalten seit der Tat müsse „auf eine innere Umkehr schliessen lassen“, BGE 100 IV 20. [1] Stratenwerth, AT II, § 6, N 103

  16. Strafbefreiung wegen Mediation Art.21, Abs.3 aJStG, der in der ursprünglichen Gesetzesfassung die Möglichkeit der Mediation im gerichtlichen Verfahren vorsah, ist mit der Einführung der JStPO genauso wie Art.8 aJStG, der die Mediation im Untersuchungsverfahren ermöglichte, aufgehoben worden. Dass eine Mediation aber nach wie vor in allen Verfahren durchgeführt werden kann und im Erfolgsfall zu einer Einstellung des Verfahrens führt, ergibt sich seither aus dem Art.17 JStPO.

  17. Verweis, Art.22 Abs.1 Die urteilende Behörde spricht den Jugendlichen schuldig und erteilt ihm einen Verweis, wenn dies voraussichtlich genügt, um den Jugendlichen von weitern Straftaten abzuhalten. Der Verweis besteht in einer förmlichen Missbilligung der Tat. Der Verweis ist die erste der im Gesetz in aufsteigender Reihenfolge geregelten Strafen. Der Verweis ist ein Tadel, er appelliert an den guten Willen und an das Verantwortungsgefühl des Jugendlichen. Damit er in diesem Sinne wirkt, sollte er dem Jugend-lichen eigentlich persönlich eröffnet und begründet und nicht bloss, wie das im Rahmen des Strafbefehlsver-fahrens meist geschieht, schriftlich mitgeteilt werden.

  18. Verweis ist eigenständige Strafe Der Verweis hat zwar Verwarnungscharakter, er ist aber mehr als eine „gelbe Karte“. Er ist eine eigenständige Strafe des Jugendstrafrechts. In ihm kommt der sym-bolische Charakter einer Grenzen setzenden Sanktion am deutlichsten zum Ausdruck. Während im Erwachsenenstrafrecht der Verweis, dort „Verwarnung“ genannt, nur in Spezialgesetzen vorgesehen ist, stellt er im Jugendstrafrecht nach der persönlichen Leistung die am zweithäufigsten angewendete Sanktiondar.

  19. Voraussetzungen Der Verweis setzt eine günstige Legalprognose voraus: Er muss voraussichtlich genügen, “um den Jugendlichen von weiteren Straftaten abzuhalten“. Die Anwendung des Verweises erfordert, dass der Jugendliche sich auf eine solche Warnstrafe ansprechen lässt. Aus der gesetzlichen Formulierung könnte geschlossen werden, dass der Verweis unabhängig von der Schwere des Delikts in allen Fällen anzuwenden wäre, wo eine günstige Prognose gegeben ist. Danach könnte ein Schwerverbrechen, bei dem keine Wiederholungsgefahr besteht, mit einem Verweis bestraft werden. Eine solche Auslegung stünde aber im Widerspruch zum übergeord-neten Schuldprinzip. Tatsächlich kommt der Verweis als mildeste Strafart nur für leichtere Straftaten und in der Regel nur bei der ersten Verurteilung in Betracht.

  20. Verweis mit Probezeit, Art.22 Abs.2 Die urteilende Behörde kann dem Jugendlichen zusätzlich eine Probezeit von sechs Monaten bis zu zwei Jahren und damit verbundene Weisungen auferlegen. Begeht der Jugendliche während der Probezeit schuldhaft eine mit Strafe bedrohte Tat oder missachtet er die Weisungen, so kann die urteilende Behörde eine andere Strafe als einen Verweis verhängen. Im Unterschied zum früheren Jugendstrafrecht ist vorgesehen, dass der Verweis mit einer Probezeit und mit Weisungen verbunden werden kann. Mit diesem Instrument ist der „Aufschub des Ent-scheids“, der im früheren Jugendstrafrecht in Art.97 aStGB vor-gesehen war, ersetzt worden. Wenn der Jugendliche die Probezeit nicht besteht, oder wenn er die Weisungen nicht befolgt, kann die urteilende Behörde eine andere Strafe (für die ursprünglichen Delikte) verhängen. Im Gegensatz zu früher ist die nachträgliche Anordnung einer Massnahme allerdings nicht mehr möglich.

  21. Problematik und Nutzen Der Verweis mit Probezeit ist im Hinblick auf die ne-bis-in-idem-Problematik nicht unbedenklich, weil nicht wie bei der bedingten Strafe nur der Vollzug aufgeschoben wird. Der Verweis ist mit dem Aussprechen bereits vollzogen. Eine Lösung dieses dogmatischen Problems kann in der Interpretation gesucht werden, wonach nicht der endgültige Strafentscheid aufgeschoben wird, sondern das Absehen von der eigentlich von Anfang an gerechtfertigten härteren Strafe (eine Art bedingt aufgeschobene Strafbefreiung). Trotz dieser Problematik ist der Verweis mit Probezeit vom Erziehungs-gedanken her eine sinnvolle Neuerung. Denn damit kann die Warn-funktion des Verweises konkretisiert und seine präventive Wirkung verstärkt werden. Dem Jugendlichen wird signalisiert, dass sein weiteres Verhalten entscheidend ist und beobachtet wird. Die kriminologische Erkenntnis, wonach die meisten Jugenddelikte Episode bleiben, rechtfertigt dieses Vorgehen. Im Ergebnis wird mit der durch eine Probezeit ergänzten Verwarnung eine ähnliche Wirkung erzielt, wie sie im anglo-amerikanischen Bereich mit dem Instrument der Probation angestrebt wird.

  22. Persönliche Leistung, Art.23 1. Arbeitsleistung, Art.23, Abs.1 Der Jugendliche kann zu einer persönlichen Leistung zu Gunsten von sozialen Einrichtungen, von Werken im öffentlichen Interesse, von hilfsbedürftigen Personen oder des Geschädigten mit deren Zustimmung verpflichtet werden. Die Leistung hat dem Alter und den Fähigkeiten des Jugendlichen zu entsprechen. Sie wird nicht entschädigt. Die persönliche Leistung hat die frühere Arbeitsleistung (Art.87 aStGB und Art.95 aStGB) ersetzt. In den weitaus meisten Fällen besteht die Leistung auch unter der neuen Bezeichnung in einem Arbeits-einsatz zu Gunsten von sozialen Einrichtungen oder Werken des öffentlichen Dienstes, ausnahmsweise zu Gunsten der genannten Privatpersonen. Zum Wesen der Arbeitsstrafe gehört natürlich, dass sie unentgeltlich geleistet wird. Neben Arbeitsleistungen können neuerdings auch andere Leistungen, insbesondere die Teilnahme an Kursen oder Freizeitprogrammen angeordnet werden (folgt unter 2.).

  23. Bedeutung der Arbeitsstrafe Die Arbeitsleistung ist eine pädagogisch besonders sinnvolle Sanktion, weil sie sich nicht im passiven Erdulden eines Übels erschöpft, sondern einen aktiven Einsatz erfordert. Entscheidend ist allerdings, dass sie behutsam ausgesucht und auf das Alter sowie die Fähig-keiten und Bedürfnisse des Jugendlichen abgestimmt wird. Wenn eine Arbeitsleistung als blosse Schikane oder als sinnlose Beschäftigung ausgestaltet ist, verliert sie ihre erzieherische Funktion. Deshalb müssen auch die „Arbeitgeber“ und Veranstalter sorgfältig ausgewählt, eingeführt und begleitet werden. Die Persönliche Leistung wird in den Kantonen unterschiedlich häufig angewendet. Während sie 2008 in der ganzen Schweiz in 46% aller Urteile angeordnet wurde, waren es im Kanton Bern 57%, im Kanton Glarus dagegen nur 13%. Die Unterschiede hängen damit zusam-men, wie viel geeignete Arbeitsplätze zur Verfügung stehen. Das zeigt, wie wichtig die Anstrengungen der Vollzugsbehörden sind, gute Angebote zu finden und zu pflegen.

  24. Einverständnis? Im Gegensatz zur Gemeinnützigen Arbeit im Erwachsenen-strafrecht (Art.37 StGB) ist keine Zustimmung des Verur-teilten erforderlich. Im Lichte der in den internationalen Standards festgehaltenen Zwangsarbeitsverbote[1] ist das nicht unbedenklich. Allerdings macht die Anordnung einer Arbeitsleistung auch gar keinen Sinn, wenn der Jugendliche nicht bereit ist, die Leistung zu erbringen. Eine faktische Akzeptanz ist deshalb immer erforderlich, auch wenn die Zustimmung nicht ausdrücklich erklärt werden muss. [1] Insbesondere Art.4, Abs.2 EMRK

  25. Arbeitsangebot Als Arbeiten kommen vor allem Tätigkeiten in öffentlichen odergemeinnützigen Betrieben in Frage, in einer Stadt-gärtnerei, in einem Werkhof, bei der Feuerwehr, in Museen, auf Sportplätzen, in Schulhäusern, bei Ver-kehrsbetrieben, auf Robi-Spielplätzen, in Spitälern oder Altersheimen (allerdings nicht im Pflegebereich). Von Caritas und andern Anbietern werden Lager organi-siert, wo Arbeiten für Bergbauern, für die Umwelt oder für den Unterhalt von Wanderwegen geleistet werden. Im regelmässig in der Nähe von Thun stattfindenden ein-wöchigen Gwatt-Lager wird am Vormittag gearbeitet, am Nachmittag werden Freizeitgruppen und am Abend ge-leitete Gespräche durchgeführt.

  26. Andere Arbeitseinsätze Als Alternative sieht Art. 23, Abs.1 vor, dass Arbeiten zu Gunsten der Geschädigten mit deren Zustimmung angeordnet werden können. Mit solchen Leistungen lässt sich ausnahmsweise eine Wiedergutmachung im engeren Sinne anstreben. Allerdings bedürfen diese Einsätze einer besonders sorgfältigen Vorbereitung und Betreuung. Denkbar ist z.B. die Anordnung, dass ein verunreinigtes Gelände zu säubern ist, oder dass für ein betagtes Opfer einfache Hilfsdienste zu leisten sind. Schliesslich können auch Leistungen für „hilfsbedürftige Personen“ angeordnet werden. Am ehesten ist dabei an Einsätze zu denken, die von Organisationen der Behin-derten- oder Altershilfe organisiert werden, ausnahms-weise können Personen aus dem individuellen Umfeld des Jugendlichen in Betracht kommen. Ausgeschlossen sind Leistungen für andere Privatper-sonen oder für gewinnorientierte Unternehmen, hier wäre das Ausbeutungsrisiko zu gross.

  27. Persönliche Leistung: Kurse o.ä. 2. Teilnahme an Kursen oder ähnlichen Veranstal-tungen, Art.23, Abs.2 Als persönliche Leistung kann auch die Teilnahme an Kursen oder ähnlichen Veranstaltungen angeordnet werden. Die „Kurse oder ähnliche Veranstaltungen“ können offene, nicht nur für Straftäter bestimmte Veranstaltungen sein, z.B. Sozialkompetenz-Trainings, Verkehrsunterricht, Gesundheitskurse oder Angebote im Zusammenhang mit Freizeitaktivitäten, Alkohol, Sexualerziehung oder Drogen (Suchtpräventionskurse, Kifferkurse). Es kann sich aber auch um gezielte Täterprogramme handeln, z.B. soziale Trainingskurse für gewaltbereite Täter, Sexualdelinquenten oder Strassenverkehrstäter. Riedo (Jugendstrafrecht 149) will solche Programme nur im Rahmen von ambulanten Behandlungen zulassen, verkennt aber wohl deren pädagogischen Charakter).

  28. Beispiele für gezielte Programme Besonders aktuell sind in diesem Zusammenhang Anti-Aggressivitäts-Trainings (AAT, Stopp-Gewalt, Coolness-Training, an verschiedenen Orten angeboten) sowie Multisystemische Anti-Aggressivitäts-Programme (MAAP, vor allem im Kanton Bern). Bei Delikten, die in Gruppen begangen wurden, können die Beteiligten verpflichtet werden, einen destruktiven Gruppenprozess mit einer Fachperson aufzuarbeiten (sog. Gruppenworkshops). Bei der sozialkognitiven Methode „Denkzeit“ arbeitet ein ausgebildeter Trainer über ca. 40 Sitzungen einzeln mit einem Jugendlichen. In der Ostschweiz bietet das Forensische Institut forio ver-schiedene Gruppenprogramme an. Ein Programm, das mit Freizeit- und Arbeitseinsätzen eine Tagesstruktur für „herumhängende“ Jugendliche zu vermitteln sucht, organisiert im Kanton Basel-Land das Projekt „Take-off“.

  29. Massnahmen-ähnlicher Charakter Die Teilnahme an Kursen oder ähnlichen Veranstaltungen hat in der Praxis einen Massnahmen-ähnlichen Charakter. Tatsächlich können solche Veranstaltungen auch im Rahmen von ambulanten Schutzmassnahmen durchgeführt werden. Das Strafmass im Rahmen der Persönlichen Leistung kann deshalb nur teilweise nach dem Verschulden festgelegt werden. Es macht keinen Sinn, einen halben Kurs zu besuchen, nur weil das Verschulden geringer ist. Doch können Verschuldensunterschiede dadurch ausge-glichen werden, dass im Gegensatz zu den Arbeits-leistungen nach Abs.1 die Teilnahme an Kursen oder ähnlichen Veranstaltungen gemäss Art.33 zusätzlich mit einer Busse verbunden werden kann. Die Busse kann auch dazu dienen, den Strafcharakter zu betonen, wenn ein bestimmter Kurs zu wenig als Strafe empfunden wird.

  30. Persönliche Leistung: Dauer und Vollzug Art.23 Abs.3-6 3 Die persönliche Leistung dauert höchstens zehn Tage. Für Jugendliche, die zur Zeit der Tat das 15. Altersjahr vollendet und ein Verbrechen oder ein Vergehen begangen haben, kann die persönliche Leistung bis zu einer Dauer von drei Monaten angeordnet und mit der Verpflichtung verbunden werden, sich an einem bestimmten Ort aufzuhalten. 4 Wird die Leistung nicht fristgemäss oder mangelhaft erbracht, so ermahnt die vollziehende Behörde den Jugendlichen unter Ansetzung einer letzten Frist. 5 Bleibt die Mahnung ohne Erfolg und hat der Jugendliche zur Zeit der Tat das 15. Altersjahr nicht vollendet, so kann er verpflichtet werden, die Leistung unter unmittelbarer Aufsicht der vollziehenden Behörde oder einer von ihr bestimmten Person zu erbringen. 6 Bleibt die Mahnung ohne Erfolg und hat der Jugendliche zur Zeit der Tat das 15. Altersjahr vollendet, so erkennt die urteilende Behörde: a. an Stelle einer Leistung bis zu zehn Tagen auf Busse; b. an Stelle einer Leistung über zehn Tagen auf Busse oder Freiheitsentzug; der Freiheitsentzug darf die Dauer der umgewandelten Leistung nicht übersteigen.

  31. Dauer der persönlichen Leistung Im Gegensatz zum früheren Jugendstrafrecht, wo die Einzelheiten der Arbeitsstrafe nicht geregelt waren, finden sich im Art.23, Abs.3-6, Präzisierungen zur möglichen Dauer und zu den Konsequenzen, falls die Leistung nicht erbracht wird. Persönliche Leistungen können gegenüber jüngeren Jugendlichen (unter 15 Jahren) zwischen einem und höchstens 10 Tagen angeordnet werden. Für Jugendliche, die das 15. Altersjahr vollendet haben, kann die persönliche Leistung bis zu einer Dauer von 3 Monaten angesetzt und mit der Verpflichtung verbunden werden, sich an einem bestimmten Ort aufzuhalten, z.B. an einem Lager-Ort. Nicht geregelt ist die Dauer der einzelnen Einheit, doch können die 4 Stunden, die bei den Erwachsenen als Tagessatz gelten, wohl eine Richtlinie sein. Allerdings gibt es Kantone, die eine Tagesleistung von 8 Stunden anwenden, mit der Begründung, Jugendliche verfügten über mehr Zeit. Doch können auch Jugendliche berufs-tätig sein, oder sie sind in einen Schulbetrieb eingespannt. Es lässt sich deshalb kaum rechtfertigen, dass die gleiche Strafart für Jugendliche viel härter gehandhabt wird als für Erwachsene.

  32. Vollzug der Leistung bei Kindern Was geschieht, wenn nicht geleistet wird? Wird die Leistung nicht fristgemäss, oder wird sie mangel-haft erbracht, erfolgt zuerst eine Ermahnung. Wenn diese nichts fruchtet, unterscheiden sich die Folgen je nach dem Alter: Unter 15-Jährige können dazu angehal-ten werden, die Leistung unter unmittelbarer Aufsicht zu erbringen, eine Ersatzstrafe ist hier nicht vorgesehen. Die Praxis behilft sich in diesen seltenen Fällen teilweise damit, dass sie die Arbeitsleistung in einem geschlosse-nen Bereich eines Erziehungsheims erbringen lässt. Riedo (Jugendstrafrecht 151) möchte die Verpflichtung zur Arbeitsleistung in diesen Fällen mit einer Strafdrohung gemäss Art.292 StGB verbinden. Doch wäre danach wieder nur ein Verweis oder eine Arbeitsleistung bis zu 10 Tagen als Sanktion möglich.

  33. Vollzug bei Über-15-Jährigen Anders verhält es sich im Falle der Nicht-Leistung bei den Über-15-Jährigen: Für sie sind Ersatzstrafen ausdrück-lich vorgesehen: An Stelle der nicht erbrachten Leistung von bis zu 10 Tagen können sie zu einer Busse, an Stelle einer höheren Leistung zu Busse oder zu Frei-heitsentzug (höchstens mit gleicher Dauer wie die Leistung) verurteilt werden. Im Gegensatz zu Art.39 StGB gibt es hier keinen festen Umrechnungssatz für die Höhe der Ersatzstrafe. Orientierungspunkt dürfte die Strafe sein, die ange-messen gewesen wäre, wenn von Anfang an eine der andern Strafen angeordnet worden wäre.

  34. Bedingter Vollzug der PL Neu ist die Möglichkeit des bedingten Vollzugs: Nach Art.35 kann die persönliche Leistung mit bedingtem oder teilbedingtem Vollzug angeordnet werden. Der voll bedingte Vollzug ist hier kaum sinnvoll, da es sich bei der persönlichen Leistung im Gegensatz zum Freiheits-entzug nicht um eine potenziell schädliche Sanktion handelt. Dass Jugendliche zum Ausgleich eines begangenen Unrechts eine Leistung erbringen, ist pädagogisch begründbar und für sie selbst einsehbar. Das Absehen vom bedingten Strafvollzug ist deshalb möglich, weil Art.35, Abs.1 die unbedingte Strafe zulässt, wenn sie notwendig erscheint, „um den Jugendlichen vor der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten“. Bei Straf-arten, die als blosse Androhung gar nicht spürbar sind, kann aus erzieherischen Überlegungen angenommen werden, dass diese Voraussetzung zutrifft. Im Gegen-satz zu dem im Erwachsenenstrafrecht geltenden Art.42, Abs.1 StGB ist der bedingte Vollzug im Jugendstrafrecht nicht als „Regel“ vorgeschrieben.

  35. Mindestens Teilvollzug Im Zweifel über die Höhe der Leistung sollte diese eher geringer bemessen und dafür wirklich erbracht werden; das dürfte wirksamer sein als eine höhere Leistung, die dann bedingt aufgeschoben wird. Das Anliegen, dass zumindest ein Teil der Leistung tatsächlich erbracht werden muss, lässt sich allenfalls mit dem teilbe-dingten Vollzug erreichen.

  36. Busse, Art.24 Der Jugendliche, der zur Zeit der Tat das 15. Altersjahr vollendet hat, kann mit Busse bestraft werden. Diese beträgt höchstens 2000 Franken. Sie ist unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Jugendlichen festzulegen. Geldbussen waren schon im alten Jugend-strafrecht ab 15 Jahren vorgesehen, und sie konnten ebenfalls mit bedingtem Vollzug angeordnet werden (Art.96 aStGB). Sie spielen im Jugendstrafrecht vor allem bei Strassen-verkehrs-Delikten eine wichtige Rolle.

  37. Busse sollte selbst bezahlt werden Das JStG hat keine grundsätzliche Änderung ge-bracht. Die Altersgrenze von 15 Jahren gilt nach wie vor, sie wird damit begründet, dass Jugend-liche nach Art.30 des Arbeitsgesetzes erst von diesem Alter an als Arbeitnehmer beschäftigt werden dürfen. Damit ist auch angesprochen, dass die Geldstrafe nur dann eine pädagogische Wirkung hat, wenn der Jugendliche aus eigenen Mitteln dafür auf-kommen muss. Wird die Busse von den Eltern bezahlt, verliert sie ihren Sinn. Auf jeden Fall sollten höhere Bussen nur gegenüber Jugend-lichen eingesetzt werden, die ein eigenes Ein-kommen haben.

  38. Bedingter Vollzug der Busse Die Möglichkeit des bedingten Vollzugs besteht auch wie-terhin. Bedingter Vollzug bedeutet, dass die Busse nicht bezahlt werden muss, falls sich der Jugendliche in der Probezeit bewährt. Der bedingte Vollzug ist in Art.35 ergänzt worden durch die Option teilbedingter Vollzug, die wie bei der persönlichen Leistung auch hier eher Sinn macht als der voll bedingte Vollzug. Der voll bedingte Vollzug beinhaltet die Gefahr, dass die finanziellen Verhältnisse zu wenig abgeklärt werden und die Busse zu hoch angesetzt wird. Der zu hohen Busse wird dann durch die Gewährung des bedingten Vollzugs die Spitze gebrochen. Im Zweifel ist es pädagogisch sinnvoller und präventiv wirk-samer, eine weniger hohe Busse festzulegen und diese ganz (oder teilweise) bezahlen zu lassen.

  39. Bemessung der Busse Neu ist eine Höchstgrenze von 2000 Franken festgelegt worden. Früher wurde für die Obergrenze auf das Erwachsenen-Strafrecht verwiesen. Dass jetzt eine eigene, wesentlich tiefere Grenze gilt, ist an sich zu begrüssen. Doch stösst die Busse in den seltenen Fällen, wo Jugendliche bereits über ein echtes Einkommen verfügen, mit der niedrigeren Limite schnell an Wirksamkeits-Grenzen. Die Bemessung der Bussen ist schwierig. Die finanziellen Situationen von Jugendlichen sind nicht nur sehr unter-schiedlich, sie können sich auch rasch ändern. Dem tragen mehrere Regelungen Rechnung: Es können Erstreckungen und Ratenzahlungen gewährt werden. Auf Gesuch hin kann die Busse in eine persönliche Leistung umgewandelt werden. Und wenn sich die Einkommens-verhältnisse ohne Verschulden des Jugendlichen verschlechtert haben, kann die urteilende Behörde die Busse herabsetzen, Art.24, Abs.2-4.

  40. Vollstreckung Falls die Busse innert der gesetzten Frist nicht bezahlt wird. ist kein Umrechnungs-Schlüssel festgelegt. Doch ergibt sich eine Orientierungshilfe aus dem Maximal-betrag der Busse (2000 Franken) und der Höchstdauer der Ersatz-Freiheitsstrafe (30 Tage). Danach wäre als grober Durchschnittswert anzunehmen, dass etwa 70 Franken einem Tag Freiheitsentzug entsprechen dürften. Die individuelle Festlegung muss jedoch nach dem Ver-schulden beurteilt werden. Gemäss Art.1, Abs.2 lit.d sind die Art. 69 bis 73 StGB des Erwachsenenstrafrechts betreffend Einziehung und Ver-wendung zu Gunsten des Geschädigten im Jugend-strafrecht sinngemäss anwendbar. Das hat zur Folge, dass eine vom Jugendlichen zu bezahlende Busse auf Verlangen des Geschädigten diesem zugesprochen wer-den kann, soweit sein Schaden weder durch eine Ver-sicherung noch vom Täter gedeckt wird.

  41. Unterschiedliche Anwendung Gesamtschweizerisch wurden 2009 in 19,8% der Jugendstrafurteile Bussen ausgesprochen. Im Kanton Bern waren es 25,47%, im Kanton Zürich 13,65%, im Kanton Genf 0,56%. Die durchschnittliche Höhe einer unbedingten Busse belief sich im Kanton Bern auf 173 Franken, im Kanton Zürich auf 297 Franken. (Quelle: Masterarbeit von Elmar Wohlhauser)

  42. Der reguläre Freiheitsentzug, Art.25 Abs.1 Der Jugendliche, der nach Vollendung des 15. Altersjahres ein Verbrechen oder Vergehen begangen hat, kann mit Freiheitsentzug von einem Tag bis zu einem Jahr bestraft werden. Die Freiheitsstrafe ist wegen ihrer potenziell schädlichen Wirkungen eine problematische und zudem teure Strafe. Das JStG ist deshalb be-strebt, den Anwendungsbereich einzugrenzen und negative Wirkungen durch einen jugend-gerechten Vollzug zu minimieren.

  43. Anwendungsbereich des Freiheitsentzugs Mit Freiheitsentzug können nur Jugendliche bestraft werden, die nach Vollendung des 15. Altersjahrs ein Verbrechen oder ein Vergehen begangen haben. Nach Art.10 StGB sind das Straftaten, die im Erwachsenen-strafrecht mit Geld- oder mit Freiheitsstrafe bedroht sind. Nicht mit Freiheitsstrafen geahndet werden können somit Übertretungen, d.h. leichte Straftaten, die mit Busse als Höchststrafe bedroht sind (Art. 103 StGB); Hebeisen bedauert dies ausdrücklich[1], weil der Freiheitsentzug bei geringfügigen Vermögensdelikten angeblich eine gute Wirkung zeigen könne. Die in Deutschland mit dem dort praktizierten Jugendarrest gemachten Erfahrungen bestätigen diese Annahme allerdings nicht: Jehle u.a., Legalbewährung nach strafrechtlichen Sanktionen, Godesberg 2010; Goeckenjan, Der Vollzug des Jugend-arrests, ZJJ 1/2013, S.68. [1] Hebeisen in Bänziger/Hubschmid/Sollberger, S.157

  44. Bemessung des Freiheitsentzugs Die Dauer der Freiheitsstrafe kann von einem Tag bis zu einem Jahr fest gelegt werden. Das Fehlen von Vor-aussetzungen für die Anwendung von Freiheitsstrafen und von speziellen Kriterien für deren Bemessung (abgesehen vom Verschulden) ist deshalb bedenklich, weil die Freiheitsstrafe, wie aus den Materialien her-vorgeht[1], eigentlich nur als ultima ratio eingesetzt werden sollte. Dennoch hat der Gesetzgeber darauf ver-zichtet, solche Regeln ausdrücklich vorzusehen. Eine Zurückhaltung in der Anwendung des Freiheitsent-zugs ist nicht nur aus kriminalpolitischen Überlegungen und aus Kostengründen geboten, sie wird auch durch die internationalen Standards nahe gelegt. [1] Botschaft S.272

  45. Praktische Anwendung Im Jahr 2012 wurden in 13’158 Urteilen 528 voll bedingte (4%) und 399 unbedingte oder teil-bedingte Freiheitsentzüge (3%) angeordnet. Die Dauer der unbedingten Freiheitsentzüge verteilte sich folgender Massen: Bis 1 Monat 299 >1 - 3 Mte. 57 >3 - 6 Mte. 21 >6 – 12 Mte. 19 >12 Mte. 3

  46. Der Freiheitsentzug bis zu vier Jahren, Art.25, Abs.2 Der Jugendliche, der zur Zeit der Tat das 16. Altersjahr vollendet hat, wird mit Freiheitsentzug bis zu vier Jahren bestraft, wenn er a. Ein Verbrechen begangen hat, das nach dem für Erwachsene anwendbaren Recht mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bedroht ist; b. Eine Tat nach den Artikeln 122, 140 Ziffer 3 oder 184 StGB begangen und dabei besonders skrupellos gehandelt hat, namentlich wenn der Beweggrund des Jugendlichen, der Zweck der Tat oder die Art der Ausführung eine besonders verwerfliche Gesinnung offenbaren.

  47. Eng umschriebene Voraussetzungen Die grundlegendste durch das JStG eingeführte Neuerung im schweizerischen Jugendstrafrecht stellt der nach Art.25, Abs.2 besonders geregelte Freiheitsentzug bis zu vier Jahren dar. Jugendliche (erst) vom 16. Altersjahr an (massgeblich ist immer das Deliktsalter) werden mit diesem erweiterten Freiheitsentzug bestraft, sofern sie eines der abschlies-send geregelten schweren Verbrechen begangen haben. Die Anwendung des erhöhten Strafrahmens ist in die-sem Fall zwingend, ausser wenn Milderungsgründe nach Art.48 StGB oder eine verminderte Zurechnungsfähigkeit nach Art.19, Abs.2 StGB vorliegen. Unter die erhöhte Strafdrohung fallen zwei Gruppen von Straftaten:

  48. 1.Generell unterstellte Tatbestände Nach Art.25, Abs.2 lit.a wird der Freiheitsentzug bis zu vier Jahren auf alle Verbrechen angewendet, die im StGB für Erwachsene mit einer Mindeststrafe von drei Jahren bedroht sind. Es sind dies die folgenden Tatbestände: Vorsätzliche Tötung (Art.111 StGB), Mord (Art.112 StGB), Raub verbunden mit Lebensgefahr, schwerer Körperverletzung oder grausamer Behandlung (Art.140, Z.4 StGB), Geiselnahme verbunden mit grausamen Drohungen (Art.185, Z.2 StGB), sexuelle Nötigung verbunden mit grausamem Vorgehen (Art.189, Abs.3 StGB), Vergewaltigung verbunden mit grausamem Vorgehen (Art.190, Abs.3 StGB), Brandstiftung verbun-den mit Lebensgefahr (Art.221, Abs.2 StGB). Theoretisch kennen auch der Völkermord (Art.264 StGB) und der qualifizierte politische Landesverrat (Art.266, Z.2 StGB) eine solche Strafdrohung, doch dürften diese Tatbestände kaum je von Jugend-lichen begangen werden.

  49. 2. Verbunden mit Skrupellosigkeit unterstellte Tatbestände Zusätzlich sind nach Art.25, Abs.2 lit.b drei weitere Verbrechen, die im StGB nicht mit einer Mindeststrafe von drei Jahren bedroht sind, Anlass zu einer Bestrafung bis zu vier Jahren, sofern sie „besonders skrupellos“ begangen wurden, namentlich wenn der Beweggrund, der Zweck der Tat oder die Art ihrer Ausführung eine besonders verwerfliche Gesinnung offenbaren. Die drei ausdrücklich erwähnten StGB-Artikel sind: Art.122 (Schwere Körperverletzung), Art.140, Z.3 (banden-mässiger oder besonders gefährlicher Raub) und Art.184 (qualifizierte Freiheitsberaubung und Entführung).

  50. Was bedeutet skrupellos? Die Umschreibung der Skrupellosigkeit knüpft an die Tatbestandsmerkmale des Mords in Art.112 StGB an, deckt sich aber insofern nicht völlig, als im Art.112 StGB der Beweggrund, der Zweck der Tat oder die Art der Aus-führung als solche „besonders verwerflich“ sein müssen, während die gleichen Merkmale im Art.25, Abs.2 lit.b JStG „eine besonders verwerfliche Gesinnung offenbaren“ müssen. Daraus könnte man schliessen, die „Skrupellosigkeit“ bedeute im Jugend-strafrecht etwas Anderes als im Erwachsenenstrafrecht. Auch der Tat-bestand des Mordes sprach früher von einer besonders verwerflichen Gesinnung, doch wurde diese dort fallen gelassen, um zu verdeutlichen, dass nicht Charaktereigenschaften des Täters, sondern Merkmale der Tat den Ausschlag geben. Sicher gilt auch im Jugendstrafrecht, dass die verschuldensrelevanten Merk-male sich in der Tat ausgedrückt haben müssen, sonst verkommt das täterbezogene Strafrecht zum Gesinnungsstrafrecht. Die besondere Skrupellosigkeit bedeutet in Art.25, Abs.2 lit.b deshalb das Gleiche wie in Art.112 StGB. Die drei Beispiele für die Skrupellosigkeit sind nicht abschliessend zu ver-stehen, die Skrupellosigkeit kann sich auch aus andern Merkmalen oder aus einer Kombination der drei genannten Voraussetzungen ergeben. In Frage kommen als Motive beispielsweise Habgier, Sadismus oder Rache, als Tatmerkmale etwa Heimtücke, Kaltblütigkeit oder Grausamkeit.

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