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F. W. N. Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844 – 1900) Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: 7. Zur Genealogie der Moral. Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011. Vorrede 1.

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  1. F W N Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844 – 1900) Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: 7. Zur Genealogie der Moral Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011

  2. Vorrede 1 • „Wir sind uns unbekannt, wir erkennen den, wir selbst uns selbst: das hat seinen guten Grund. Wir haben nie nach uns gesucht... Wer sind wir eigentlich? Wir bleiben uns eben notwendig fremd, wir verstehen uns nicht, wir müssen uns verwechseln, für uns heißt der Satz in alle Ewigkeit „Jeder ist sich selbst der fernste“, - für uns sind wir keine Erkennenden.“ 5, 247 • Wer sind wir? Frage nach dem Wer wir sind • Wir wissen alles über die Außenwelt = „Geborene Flügeltiere und Sammler des Geistes“ – aber über das Selbst = Leben wissen wir nichts. Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  3. Vorrede 2 • Gedanken über die Herkunft unserer moralischen Vorurteile • = lange Inkubationszeit, schon im MAM • „Die Gedanken selbst sind älter... Dass aber heute noch an ihnen festhalte, dass sie sich selber inzwischen immer fester aneinander gehalten haben, ja ineinander verwachsen sind...“ 5, 248 • Anspruch auf Akzeptanz aller! Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  4. Vorrede 2 • Unterschied • Ursprung =Quelle, Schöpfung= stellt fest= zurückführbar =hat festen Anfangs- und Endpunkt= Seiendes =erklärt, aber jenseits des Begreifens=Theologie • Descartes: Suche nach dem absoluten, unerschütterlichen Grund im Subjekt • Kant: Freilegung eines transzendentalen Grundes • Schelling, Fichte. Urgrund, archae, das anfängliche Seiende • Herkunft =Entstehung, kein Grund, keine Ursache der Dinge, • Frage: welche Faktoren haben gewirkt = immer kontingent. Wie kommt es, das etwas ist, wie es ist?, Konstellation statt Quelle, Verhältnisse, Übergänge, Konfigurationen, Sprünge freilegen= Bedingungen unseres Seins aufspüren Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  5. Vorrede 2 • Der Ursprung der Moral soll selber noch einmal erkannt werden: • Unter welchen Bedingungen erfand sich der Mensch seine Werte? • Das ist Nietzsches Vorgehensweise, die Genealogie, das heißt, zurückgehen auf die Entstehung: • Werte selbst sind etwas Gewordenes. Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  6. Vorrede 3 „... Sie bezieht sich nämlich auf die Moral, auf alles, was bisher auf Erden als Moral gefeiert worden ist... Welchen Ursprung eigentlich unser Gut und Böse haben... In Kürze mein Problem: Unter welchen Bedingungen erfand sich der Mensch jene Werthurtheile Gut und Böse? Und welchen Werth haben sie selbst? Hemmten oder förderten sie bisher das menschliche Gedeihen?“ 5, 249, 250 Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  7. Vorrede 6 • Werte selbst sind geschichtlich entstanden, formen sich durch unserem Umgang (keine BeGRÜNDung der Moral) • Entstehung selbst muss noch einmal historisch erkannt werden: • „Der Glaube an die Moral, an alle Moral wankt – endlich wird eine neue Forderung laut: Wir haben eine Kritik... Sprechen wir sie aus, diese neue Forderung: wir haben eine Kritik der moralischen Werthe nötig, der Werth dieser Werthe ist selbst erst einmal in Frage zu stellen – und dazu tut eine Kenntniss der Bedingungen und Umstände noth, aus den sie gewachsen, unter denen sie sich entwickelt und verschoben haben.“ 5, 253 Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  8. Vorrede 6 • Die These: Es könnte sein, dass Moral gar nicht moralisch ist = Aufdeckung von Motiven, die wir selbst nicht mehr wahrnehmen! • Cui bono? Wer ist an Werten interessiert? • „Moral als Folge, als Symptom, als Maske, als Tartüfferie, als Krankheit, als Missverständnis; aber auch Moral aus Ursache, als Heilmittel, als Stimulanz, als Hemmung, als Gift. • Moral ist nicht Gegebenes. Immer in Hinsicht auf den Menschen: Wie? Wenn das Umgekehrte die Wahrheit wäre? Wie? Wenn in „Guten“ auch ein Rückgangsymptom läge, im Gleichen eine Gefahr, eine Verführung, ein Gift, ein Narkotikum... So dass gerade die Moral die Gefahr der Gefahren wäre.“ 5, 253 Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  9. Vorrede 6 • Hypothese: Moral ist Maskierung • „So dass gerade die Moral die Gefahr der Gefahren wäre“ (5, 253) • Moral korrumpiert das Menschliche • Moral verhindert Frage nach dem Leben • Grund, dass wir uns selber nicht verstehen, ist Moral • Daher Beginn mit der Voraussetzung einer Kritik der Moral, denn sie ist der Hinderungsgrund • Philosophie beginnt nicht mit Begründung der Moral, sondern mit einer radikalen Kritik der Moral Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  10. Nietzsches Vorgehen • Nicht mehr, was ist das Gute = Platon • sondern nun Herkunft des moralischen Urteils, in dem Gut und Böse zugeteilt wird • Gut und Böse sind keine Sache, Güter, • gut und böse sind Werte, die etwas zugemessen werden • Werte kommen aus der Ökonomie • Frage des Wertes = Umstellung auf Geldhandel • Kant: Urteil in der Vernunft selber begründet • Nietzsche: Wie sind Urteile zustande gekommen, das moralische Urteil ist nicht mehr im Sein des Menschen begründet Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  11. Das Ergebnis Moral ist nicht moralisch, ihr liegen ganz andere Motive zugrunde Moral = Ort an dem etwas bewertet wird, statt das es gelebt wird Ursprung der Werte: Werte von vornherein durch Aufteilung, Sortierung nach gut-böse = Bewertung des Lebens Werte hemmen das unmittelbare Leben Der Moral ist etwas lebensfeindliches zugrunde. Moral verhindert, uns selber kennenzulernen Vgl. Freud: Worin liegt das, das ich mich krank mache?= Bewusstmachung Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  12. 1. Abhandlung: „Gut und Böse“, „Gut und Schlecht“ Beginn mit Unterscheidung „Gut und Böse, gut und schlecht“ Pathos der Distanz =Rangunterschiede: 5, 259 • „Die Schlechten“ = • Die Niedrig-Gesinnten • Die Gemeinen • Die Pöbelhaften • UNTEN • „Die Guten“ = • Die Vornehmen • Die Mächtigen • Die Höhergestellten • Die Hochgesinnten • OBEN • = beurteilen ihr Tun selbst als Gut • = Eudämonia • = 1. Ranges Im Gegensatz dazu Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  13. 1. Abhandlung: „Gut und Böse“, „Gut und Schlecht“ • Gegenüberstellung in etymologischer Hinsicht: • Die Schlechten • gemein • pöbelhaft • niedrig • = schlicht • = schlechtweg schlechterdings • = der gemeine Mann • Die Guten • seelisch vornehm • priviligiert • edel • Die Wahrhaftigen = • Griech. Adel (Abs. 5) • Schönheit, Leiblichkeit, Gesundheit, Abenteuer • Jagd (Abs. 6) • Hier noch keine Abwertung, noch ohne verdächtigen Seitenblick 5, 262 Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  14. 1. Abhandlung: „Gut und Böse“, „Gut und Schlecht“ • Ausbildung typischer Charakterzüge • Die Schlechten • = der Geringe • = Der Lügenhafte • = Der Gemeine • auch Feigheit • = malus, der gemeine Mann, der Dunkelfarbige • Die Guten • = „die Wahrhaftigen“ (griechischer Adel), einer, der ist, der Realität hat, der wahr ist • = der Wahre, der Wahrhaftige • = Adel = adlig • = seelische Noblesse • Hier nun Unterscheidung durch Überlegenheit, Menschen höheren Ranges 5, 263 Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  15. 1. Abhandlung, Abschnitt 7: „Gut und Böse“, „Gut und Schlecht“ • Höchste Kaste = Priesterkaste: Gut und schlecht • politische Rangbezeichnung, Standesunterschied  • seelischer Vorrangbegriff • Wertungsgegensätze verinnerlichen und verschärfen sich • Die Priesterkaste spaltet sich ab von der Kriegerkaste, sie entsteht aus Ohnmacht: • „... aus der Ohnmacht wächst bei ihnen der Hass ins Ungeheure und Unheimliche, ins Geistigste und Giftigste.“ (5, 267) • Die Priester üben geistige Rache, „Akt der geistigen Rache“ als „radikale Umwertung der Werte der Starken“ (5, 267) = Ressentiment Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  16. 1. Abhandlung, Abschnitt 9,10: „Gut und Böse“, „Gut und Schlecht“ • Das ist der Sklavenaufstand: Das Ressentiment wird selbst schöpferisch. (5,268) • Moral: die Intoxikation ist gelungen. (5,269) • „Der Sklavenaufstand in der Moral beginnt damit, dass das Ressentiment selbst schöpferisch wird und Werte gebiert: das Ressentiment solcher Wesen, denen die eigentliche Reaktion, die der Tat versagt ist, die sich nur durch eine imaginäre Rache schadlos halten.“ (5,270) • Aktion = Reaktion (5,271) Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  17. 1. Abhandlung, Abschnitt 6: „Gut und Böse“, „Gut und Schlecht“ Moral = Verinnerlichung = Ressentiment Durch Fehlen der Stärke= imaginäre, subtile Rache Abschnitt 6: „Wertungsgegensätze auf gefährliche Weise sind verinnerlichen und verschärfen konnte“ (5,265) „Es ist von Anfang an etwas Ungesundes in solchen priesterlichen Aristokratien und in den daselbst herrschenden, dem Handeln abgewendeten, teils brütenden, teils gefühlsexplosiven Gewohnheiten als deren Folge jene den Priestern aller Zeiten fast unvermeidlich anhaftende intestinale Krankhaftigkeit.“(5,265) Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  18. 1. Abhandlung, Abschnitt 8 und 14: „Gut und Böse“, „Gut und Schlecht“ Ressentiment = Fabrikation und Schmieden von Idealen „in einer dunklen Werkstatt“ (5, 281) „Das aber ist das Ergebnis... Des tiefsten und sublimsten, nämlich Ideale schaffenden, Werte schaffenden Hasses, dessen gleichsam nie auf Werden da gewesen ist.... „mit seiner Rache und Umwertung aller Werte bisher über alle anderen Ideale, über alle vornehmeren Ideale immer wieder triumphiert hat.“ (5,268) Schwäche zu Stärke Ohnmacht zu Güte Ängstliche Niedrigkeit zu Demut Unterwerfung zu Gehorsam Feigheit zu Geduld „umlügen“ zu Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  19. Krieger = körperlich fit HANDELN = ausleben Priester = körperlich schwach = kein Handeln UMWERTUNG durch SPRACHE Die Schlichten und Gemeinen Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  20. Das körperlich Schwach = GUT Priester = körperlich schwach = kein Handeln Intoxikation gelungen! Sieg durch Vergiftung Ausleben und Handeln = BÖSE Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  21. 1. Abhandlung, Abschnitt 9: „Gut und Böse“, „Gut und Schlecht“ Ergebnis: Die Umwertung ist gelungen: Abschnitt 9: „Die Herren sind abgetan, die Moral des gemeinen Mannes hat gesiegt. Man mag diese Sieg zugleich als eine Blutvergiftung nehmen...ich widerspreche nicht. Unzweifelhaft ist aber diese Intoxikation gelungen.“ (5,269) Sieg des Pöbels, des Mittelmaßes, des Mitleidens, der Schwäche – Jenseits als Verdienst Träger der Kultur = eine Form des niedergehenden Lebens Sieg Wendung der Kraft nach innen = Domestizierung und Zähmung des Menschen Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  22. 1. Abhandlung, Abschnitt 10 und 11: „Gut und Böse“, „Gut und Schlecht“ “Der Sklavenaufstand in der Moral beginnt damit, dass das Ressentiment selbst schöpferisch wird und Werte gebiert: Das Ressentiment solcher Wesen, denen die eigentliche Reaktion, die der Tat, versagt ist, die sich nur durch eine imaginäre Rache schadlos halten. Während alle vornehme Moral aus einem triumphierenden Ja-Sagen zu sich selbst herauswächst, sagt die Sklavenmoral von vorne herein nein zu einem „Außerhalt“, zu einem „Anders“, zu einem „Nicht-Selbst“: Und dieses Nein ist ihre Schöpferische Tat. Diese Umkehrung des wertsetzenden Blicks – diese notwendige Richtung nach außen statt zurück auf sich selbst – gehört eben zum Ressentiment.“ (5,270) Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  23. 1. Abhandlung, Abschnitt 10 und 11: „Gut und Böse“, „Gut und Schlecht“ • Vornehme Moral • Ja-Sagen zu sich selbst • Leben und Mitleiden • Glück von sich aus, genügt sich selbst • Mächtig • Ehrlich • Kraftvoll • Aktiv • Instinktive Klugheit = Funktionssicherheit, tapferes Drauf-Losgehen, unmittelbare Gefühlsausbrüche (5,273) • Raubtier • Kraftvoll • Stärke äußert sich • Sklavenmoral • Nein zu einem Anderen = schöpferische Tat • Voraussetzung ist: Gegen- und Außenwelt • Glück erst durch Blick auf andere = Blick des Verachteten, Objekt wird zum Zerrbild und zum „Scheusal“ • Ohnmächtig • Giftig und feindselig • Betäubend • Passiv • Raffinierte, kalkulierende Klugheit, Warten, Schweigen, Schleichwege, Hintertüren (5,272) • Haustier (5,276) • Kultivierung • Zähmung • Schwächung der Instinkte, Verinnerlichung Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  24. 1. Abhandlung, Zfg: „Gut und Böse“, „Gut und Schlecht“ • noch einmal in Kürze: Moral & Ressentiment • Pathos der Distanz = Rangordnung ist Konstrukt (vgl. Rousseaus Naturzustand) • Beginn der Moral durch Wertung von „Unten“: • Messen, Vergleichen (5,269) = das Ressentiment als Ursprung der Moral • Umwertung des Tuns – der Niedergang der aristokratischen Werte • Die Priester = die „großen Verinnerlicher“ • Stauung des Inneren, Prätention & Tiefe • Ende des Auslebens = Böse • Mensch = das interessante Tier (5, 265, 266) • Freud: Sublimation • Kraft nach innen = Intellektualisierung = Kultivierung Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  25. Handeln / sich ausleben = Energie entlädt sich im Außen Kraft richtet sich nach innen = Verinnerlichung / Tiefe = Kultur

  26. 1. Abhandlung, Abschnitt 13: „Gut und Böse“, „Gut und Schlecht“ 5, 279: Philosophischer Kerngehalt Wirkendes = Kraftäußerung Theologische Philosophie =Ontologie: setzt hinter Wirken ein wirkendes Subjekt hinter allem Handeln= vorausgesetzt, kann handeln oder nicht = Freiheit Stärke als Äußerungen der Stärke Es gibt kein Sein hinter dem Tun, Wirken- Täter nur hinzugedichtet Missverständnis = Verführung der Sprache (5,280)= hinter Tun Seiendes = nicht nach Ursprung fragen, sondern Entstehung – keine Begründungsmoral, nur Entstehungsfaktoren Verführung der Sprache – „Wechselbälge“ = Atom =Ding an sich (5, 280) = Raubvogel, Lamm 5,279: Zurechenbarkeit von Handlungen = hier beginnt Gefahr Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  27. 1. Abhandlung, Abschnitt 13: „Gut und Böse“, „Gut und Schlecht“ 5, 279: „Aber es gibt kein solches Substrat; es gibt kein „Sein“ hinter dem Thun, wirken, werden; „Der Täter“ ist zum Thun bloß hinzugedichtet - das Thun ist alles.“ Statt Ich tue  Ich werde getan Statt Aktivum  nur das Passivum Statt Vernunft  hier die Triebe Statt Bewusstes  Unbewusstes = das Es Auflösung des Ichs = Postmoderne – keine Zuschreibung und Verantwortlichkeit Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  28. 1. Abhandlung, Abschnitt 13: „Gut und Böse“, „Gut und Schlecht“ Die Sprache als die große Verführerin Wirkendes Subjekt (5,279) Anstelle des Lebens, das sich auslebt, wird etwas Wirkendes einer Substanz = Subjekt setzt sich selber und bleibt sich gleich zugeschrieben = Leben wird gehemmt in seiner Unmittelbarkeit Als ob es dem Subjekt freistünde, auch anders zu handeln Wirken = Trieb = WilleSubjekt = Aushängung des Instinktes, des Aggressionstriebes = Verinnerlichung = Tiefe = Schuld = schlechtes Gewissen Zuschreibung Zuschreibung Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  29. 1. Abhandlung, Zfg: „Gut und Böse“, „Gut und Schlecht“ Keine Güterethik, sondern Werteethik Handlungen werden bewertet nach der Differenz von gut und Böse Gut und Böse = Urteilskriterien Jedes Werturteil spricht etwas zu = von mir aus zugesprochen, muss nicht in Dingen enthalten sein, alles Werten ist Zusprechen Abschn.13 (5,279) Entlarvt er als Verführung durch Sprache: Trennung von Handeln (Tun) und Handelndem (Handlungssubjekt) = nur von denen, die nicht handeln (Priester) = Lämmer = müssen sich selber Sein zusprechen, weil sie nicht handeln = Entstehung des Ressentiment. Die Nichthandelnden rächen sich an den Handelnden, unterstellen Subjektsein, die auch Handeln unterlassen können = Nichthandelnde haben nur Sprache, setzen aber nun reales Subjekt voraus Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  30. 2. Abhandlung, „Schuld“, „schlechtes Gewissen“ und Verwandtes“ • Hat auf Freud gewirkt • Wiederaufnahme der HS: Tier lebt im Augenblick = unhistorisch • „Ein Tier heranzüchten, das versprechen darf – ist das nicht gerade jene paradoxe Aufgabe selbst, welche sich die Natur in Hinsicht auf den Menschen gestellt hat? Ist das nicht das eigentliche Problem vom Menschen?“ (5, 291) • Aktives Hemmungsvermögen (im Gegensatz zum Tier, 5,291) = Mensch wird durch Hemmung zum Gedankenwesen, d.h. er kann im Gegensatz zum Tier etwas versprechen (5,292, 293) = verantwortlich = Gewissen Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  31. 2. Abhandlung, „Schuld“, „schlechtes Gewissen“ und Verwandtes“ • Hat auf Freud gewirkt • Wiederaufnahme der HS: Tier lebt im Augenblick = unhistorisch • Abschn: 1 • „Ein Tier heranzüchten, das versprechen darf – ist das nicht gerade jene paradoxe Aufgabe selbst, welche sich die Natur in Hinsicht auf den Menschen gestellt hat? Ist das nicht das eigentliche Problem vom Menschen?“ (5, 291) • Aktives Hemmungsvermögen (im Gegensatz zum Tier, 5,291) = Mensch wird durch Hemmung zum Gedankenwesen, d.h. er kann im Gegensatz zum Tier etwas versprechen (5,292, 293) = verantwortlich = Gewissen Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  32. 2. Abhandlung, „Schuld“, „schlechtes Gewissen“ und Verwandtes“ • Hat auf Freud gewirkt • Wiederaufnahme der HS: Tier lebt im Augenblick = unhistorisch • „Ein Tier heranzüchten, das versprechen darf (1. Abschnitt) – ist das nicht gerade jene paradoxe Aufgabe selbst, welche sich die Natur in Hinsicht auf den Menschen gestellt hat? Ist das nicht das eigentliche Problem vom Menschen?“ (5, 291) • Aktives Hemmungsvermögen (im Gegensatz zum Tier, 5,291) = Mensch wird durch Hemmung zum Gedankenwesen, d.h. er kann im Gegensatz zum Tier etwas versprechen (5,292, 293) = verantwortlich = Gewissen Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  33. 2. Abhandlung, „Schuld“, „schlechtes Gewissen“ und Verwandtes“ • 4 Schritte: • Gedächtnis = Behalten = Verlässlichkeit = Stabilität des Lebens = Gedächtnis des Willens (5, 292) • Regelhaftigkeit = Ursache / Wirkung = Berechenbarkeit des Menschen (5, 292): „.. er hat ein Gedächtnis, hat gelernt, die Zukunft zu berechnen und kausal zu denken.“ • Verantwortlichkeit = Souveränes, sittliches Individuum (5, 293): „Die lange Herkunft der Verantwortlichkeit, das souveräne Individuum.“ = kann versprechen (5,293) • Gewissen = zweite Natur = Instinkt: „Der lange Wille geht in Fleisch und Blut über.“ (5, 294) Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  34. 2. Abhandlung, „Schuld“, „schlechtes Gewissen“ und Verwandtes“ • Abs.2. 5, 293 • „Souveräne Individuum“ • Ertrag der Sittlichkeit, diese internalisiert • „Reifste Frucht ...das von der Sittlichkeit der Sitte wieder losgekommene, das autonom übersittliche Individuum“ (5,293) • „Herr des freien Willens“= autonomes Subjekt =Souverän= eigener Gesetzgeber = mit sich selbst identisch • Bleibt sich immer gleich, voll berechenbar, Zeit überdauert- der Wirkende hinter allem Wirken, steht außerhalb allen Wirkens, alle Triebe aufgehoben Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  35. 2. Abhandlung, „Schuld“, „schlechtes Gewissen“ und Verwandtes“ • Aufhebung der Geschichte – Ontologisierung – Mensch beraubt sich seiner Lebendigkeit, Zukunft schon vorweggenommen – Versprechende = Souveräne steht außerhalb der Zeit- im Wirkenden ist alles Wirken bereits aufgehoben – das Wirken wird zu einer Eigenschaft des Wirkenden, das Wirken nicht mehr absolut und losgelöst von allen Festigkeiten = Wille substantiiert Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  36. 2. Abhandlung, „Schuld“, „schlechtes Gewissen“ und Verwandtes“ • Abschnitt 3 • „Wie macht man dem Menschen-Thiere ein Gedächtnis?“ (5, 295) • Durch Schmerzen als eine Art Memotechnik: „Man brennt etwas ein, damit es im Gedächtnis bleibt; nur was nicht aufhört, weh zu thun, bleibt im Gedächtnis.“ (5, 295) • Strafe & Grausamkeit: durch grausame Strafen erziehen zur Vernunft; Gedächtnis-Schaffen im Sinne von Einbrennen = Vorbedingung von Gewissen Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  37. 2. Abhandlung, „Schuld“, „schlechtes Gewissen“ und Verwandtes“ • Wie entsteht das Gedächtnis: durch Schmerzen und Wehtun (S. 295) • Dazu ist der Staat notwendig, er besteht aus Tyrannen und Bösewichtern (theoretische Grundlage hierzu bietet Macchiavelli „Il Principe“ und Jakob Burkhardt „Der Staat“.) • Strafe ist das verinnerlichte Verhältnis von Schuldnern und Gläubigern, doch Strafe macht den Menschen nicht besser (5,298). • Sie macht den Menschen nur schlauer, in dem er sich vorsieht, dass er nächstes mal klüger vorgeht. Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  38. 2. Abhandlung, „Schuld“, „schlechtes Gewissen“ und Verwandtes“ • Strafe soll Schuldgefühl wecken • bisher noch nicht moralisch (5, 318) • Die Strafe hat die Entwicklung des Schuldgefühls am meisten aufgehalten (5, 319). Sie war gedacht als Abschreckung, doch nichts dergleichen. Das Leben ist für Nietzsche per se ungerecht, es ist Wille zur Macht. Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  39. Das schlechte Gewissen • Das schlechte Gewissen = die tiefe Erkrankung des Menschen: • „alle Instinkte, welche sich nicht nach außen entladen, wenden sich nach innen – dies ist das, was ich die Verinnerlichung des Menschen nenne.“ (5, S. 322) • Mensch bekommt dadurch Tiefe und Seele, er wird interessanter. Instinkte wenden sich gegen den Menschen. Andererseits wird der Mensch dadurch erst gezähmt. Vergleiche Freud: jede Kultur beruht auf einem Triebverzicht, Bändigung der Aggressionsleistung = Kultivierung • „... Alle jene Instinkte des wilden, freien, schweigenden Menschen, sich rückwärts, sich gegen den Menschen selbst wandten... Alles das gegen die Inhaber solcher Instinkte sich wenden,: das ist der Ursprung des schlechten Gewissens.“ (5, 323) Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  40. Das schlechte Gewissen • Es ist hier wieder der Staat, der ein „Rohstoff von Volk und Halbtieren“ durchknetet, gefügig macht und formt. (5, S. 324). Gegen alle Vertragstheorie wie z.B. bei Locke und Hobbes. • Der Staat als Kunstwerk. Das Werk des Staates ist ein Formenschaffen, ein Formen- aufdrücken“. Der Staatsgründer ist ein unbewusster Künstler (5, S. 325). • Das schlechte Gewissen ist noch der ins Innere gekerkerte Instinkt, ein Rest an Freiheit: • „dieser zurückgedrängte, zurückgetretene, ins Innere eingekerkerte und zuletzt noch an sich selbst entladende und auslassende Instinkt der Freiheit: das, nur das ist in seinem Anbeginn das schlechte Gewissen.“ (5, 325) Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  41. Das schlechte Gewissen • Strafe als Gefühl der Schuld, das den Schuldigen aufwecken sollte, wandelt sich zur Lebensschuld. Durch Zeitbezug, das heißt durch Bezug in die Vergangenheit, meinen wir Schulden gegenüber einem Ahnherrn (5, 328) zu haben, der sich im Laufe der Zeit als Gottherausmendelt. (5, 328) „Der Ahnherr wird zuletzt notwendig in einen Gott transferiert.“ • Wir schulden unser Leben Gott. Das ist eine Schuld, die wir nicht abtragen können, wodurch sich der „Geniestreich des Christentums (5, S. 331) als die Opferung des Lebens von Jesu aus Liebe für den Menschen herauskristallisiert.“: • „Das Schuldgefühl gegen die Gottheit hat mehrere Jahrtausende nicht aufgehört zu wachsen, und zwar immerfort im gleichen Verhältnis, wie der Gottesbegriff, und das Gottesgefühl auf Erden gewachsen und in die Höhe getragen worden ist.“ (5, S.329) •  Geniestreich des Christentums: Gott selbst sich für die Schuld des Menschen opfernd, Gott selbst an sich selbst bezahlt machend (5, S. 331). Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  42. Lebensschuld Schuld gegenüber Ahnen und Vorfahren Schuld gegenüber Gott Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  43. Das schlechte Gewissen • Urzustand: Entladung der Instinkte = AUSLEBEN, Aggression auf andere • Ursprung des schlechten Gewissen: (Abschnitt 16, S. 322 -> „Wasserthiere“) • Aushängung aller Instinkte = An-Land-Gehen der Amphibien = Seele • A: Auf Ausleben folgt Bestrafung durch • Staat (Hemmung = Grausamkeit von außen) • B: Verinnerlichung der Strafe durch • Selbststrafe (Hemmung = Grausamkeit gegen sich selbst) • Triebenergie wendet Mensch gegen sich selber an Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  44. Das schlechte Gewissen, Abschnitt 16 „... die tiefe Erkrankung... Mit einem Male waren alle ihre Instinkte entwertet und ausgehängt... Sie sollten nun mehr auf den Füßen gehen und „sich selber tragen“, wo sie bisher vom Wasser getragen wurden: sie hatten für diese neue unbekannte Welt ihren alten Führer nicht mehr,... alle Instinkte welche sich nicht nach außer entladen wenden sich nach innen. – Das ist das, was ich die Verinnerlichung des Menschen nenne. Seine Seele... seine Seele... das alle jene Instinkte sich gegen den Menschen selbst wandten.“ 5, 322 Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  45. Das schlechte Gewissen, Abschnitt 17 • Herren haben kein schlechtes Gewissen, formen andere • Schwergewicht auf die Unterjochung gelegt, d.h. formen sich selber • Die Unterjochten = Entwicklungsträger zum Negatives • Nach dem der Mensch sich selbst quält = Erfindung der Religion als neue gesteigerte Weise der Selbstqual Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  46. 3. Abhandlung: Was bedeuten „asketische Ideale“? • Der Mensch braucht immer ein Ziel. Lieber will er noch „das Nichts wollen als nicht wollen“ (5, S. 339). • Askesewird zuerst negativ gesehen, als Abwendung von den Sinnen. Nietzsche nimmt Bezug auf Schopenhauer, Kant und Stendhal, die aber alle Askese immer von der Rezeptionsseite aus sehen, der Rezipient soll ein „interesseloses Wohlgefallen“ haben. • Nietzsche will aber Askese positiv fassen, vom Künstler her gesehen. Askese in Verbindung mit Produktivität. Askese ist Freiwerden (erinnert an Mystik = Leerwerden = Ledigwerden), Freiwerden vom Alltag, vom Heute, von der Bindung an eine Frau und auch Freiwerden von der Sprache (den großen hohlen Wörtern) (Sprachgitter). (5, S. 353) Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  47. 3. Abhandlung: Was bedeuten „asketische Ideale“? • Das Gefährliche am Priester-Ideal: der Philosoph erscheint in der Maske des Priesters. Er konnte nicht als Philosoph in Erscheinung treten, dadurch musste er sich als religiöser Mensch verkleiden. „Der asketische Priester hat bis auf die neuste Zeit die widrige und düstere Raupenform abgegeben, unter der allein die Philosophie leben durfte und herumschlich“. (5, S.361) • Der Priester als Philosoph ist ein Selbstwiderspruch, denn er richtet sich gegen das Leben und hält auch das Leben noch am leben. Das war schon bei Kant, er will die Reichweite der Vernunft erkennen, erkennt aber nur, dass die Vernunft nichts erkennen kann. (5, S. 363) Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  48. 3. Abhandlung: Was bedeuten „asketische Ideale“? • „Selbstwiderspruch“. „Leben gegen leben, ein psychologisches Missverständnis“ (5, S. 365). • Es ist ein Kunstgriff in der Erhaltung des Lebens, und das Gefährliche nun daran ist, dass eine Tatsache festgestellt wird, hinter die nicht mehr zurückgegangen werden kann: der Mensch als das kranke Tier. Hier setzt die Philosophie Voraussetzungen, die sie nicht mehr eigens hinterfragt. „Darin drückt sich eine große Tatsache aus, die Krankhaftigkeit im bisherigen typischen Menschen, zumindest des zahm-gemachten Menschen (5, S. 366). • Priester empfinden einen großen Ekel am Menschen, doch der Mensch, in dem er als krank erklärt wird, kann nicht verändert werden. Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  49. 3. Abhandlung: Was bedeuten „asketische Ideale“? • Die modernen Priester heute, das sieht Nietzsche gut, ist die moderne Wissenschaft. • Hier wird die Wahrheit als Wahrheit gesetzt und nicht mehr hinterfragt. Unsere moderne Religion ist die Wissenschaft nach Nietzsche. • Zahlreiche „der Glaube an die Wissenschaft“ ... • Es ist immer noch ein metaphysischer Glaube, auf dem unser Glaube an die Wissenschaft ruht. (5, S. 401). Die Wissenschaft selber muss noch eigens in Frage gestellt werden. Der Wert der Wahrheit ist noch selber einmal in Frage zu stellen und darf nicht als gesetzt genommen werden. (5, S. 401). Nietzsches Lebensfrage: ist denn das, was wir für wahr halten, auch wahr? Wahrheit muss genealogisch aufgelöst werden. Einzig dagegen die Kunst gibt sich als Täuschung zu erkennen (5, S. 402). Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

  50. 3. Abhandlung: Was bedeuten „asketische Ideale“? • Die Priester, die den Menschen als krankhaftes Tier setzen, geben den Menschen Sinn. Denn ihr Leiden hat plötzlich einen Sinn. Dadurch konnten sie so mächtig werden, denn nach Nietzsche braucht der Mensch Sinn und Orientierung. Der Mensch ist immer zum Wollen verdammt, er braucht einen Sinn, doch, so die Botschaft von Nietzsche, muss er sich klar darüber sein, dass es keinen Sinn in verbindlicher Weise gibt, dass der Mensch sein Leben immer neu einrichten muss. • Der Mensch bleibt zum Wollen verdammt, ohne dass er einen eindeutigen Zweck und Ziel gewinnen kann. „Und, um es noch zum Schluss zu sagen, was ich anfangs sagte: lieber will noch der Mensch das Nichtswollen als das nicht-wollen.“ (5, S. 412). Apl. Prof. Dr. Renate Breuninger ⃒ Sommersemester 2011 ⃒ Nietzsche – Zwischen Idealismus und Existenzphilosophie: Zur Genealogie der Moral

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