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Dissoziation und Multiple Persönlichkeitsstörung als Folge schwerer Traumata

Dissoziation und Multiple Persönlichkeitsstörung als Folge schwerer Traumata. 15. Riehener Seminar 26. Oktober 2004 R. Stettler Oberarzt, Klinik Sonnenhalde. Workshop - Agenda. Konzept der Dissoziation Dissoziative Symptomatik Dissoziative Identitätsstörung Erscheinungsbild Epidemiologie

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Dissoziation und Multiple Persönlichkeitsstörung als Folge schwerer Traumata

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Presentation Transcript


  1. Dissoziation und Multiple Persönlichkeitsstörung als Folge schwerer Traumata 15. Riehener Seminar 26. Oktober 2004 R. Stettler Oberarzt, Klinik Sonnenhalde

  2. Workshop - Agenda • Konzept der Dissoziation • Dissoziative Symptomatik • Dissoziative Identitätsstörung • Erscheinungsbild • Epidemiologie • Diagnostik • Zusammenhang mit Traumatisierung • Kritik des DIS-Konzepts / False Memory Syndrome • Behandlung • Psychotherapie und Seelsorge

  3. Konzept der Dissoziation • Pierre Janet (1859-1947) • Einführung des Begriffs “Dissoziation” als Desintegration und Fragmentierung des Bewusstseins • Real erlebte Traumata als einen der wichtigsten auslösenden Faktoren (1889) • Idées fixes

  4. Konzept der Dissoziation • Morton Prince: The dissociation of personality (1905) • Einführung des Störungsbegriffs der multiplen bzw. alternierenden Persönlichkeit(Fallschilderung Miss Beauchamp) • “Kobewusstsein” als Bezeichnung der mentalen Funktionen innerhalb verschiedener Identitäten

  5. Konzept der Dissoziation • Morton Prince: The dissociation of personality (1905) • erstmalige Beschreibung der Zusammen-hänge zwischen früher traumatischer Erfahrung und Dissoziativer Identitätsstörung

  6. Konzept der Dissoziation • Freud und Breuer (1895): Studien über Hysterie • Fallbeispiel der Anna O. als Grundlage für Theorientwicklung und Behandlungs-konzept der hysterischen Störungen • “hypnoide Zustände” • später Abwendung von der Hypothese des realen Traumas

  7. Konzept der Dissoziation • Janet versus Freud • Freud: dissoziative Störungen als psychodynamisches Ergebnis aktiver mentaler Verdrängungsprozesse (Hysterie als Konversion) • Janet: passive mentale Prozesse, die auf autoregulative (hypnoide) Verarbeitung traumatischer Erfahrungen rückschliessen lassen (Hysterie als Dissoziation)

  8. Konzept der Dissoziation • DSM und ICD • Kontroverse spiegelt sich auch in den über die Jahre wiederholt wechselnden Klassifizierungen der Hysterie als “Konversion” oder “Dissoziation” wider • Dissoziative Identitätsstörungerstmals im DSM-III (1980) • posttraumatische Belastungsstörungerstmals im DSM-III-R (1987)

  9. Konzept der Dissoziation „Die Dissoziation ist gewissermassen auf ihrem Irrweg aus den Pariser Salons des 19. Jahrhunderts, wo sie dem Spektakel des Bürgertums diente, in den Labors der Naturwissenschaften angekommen.“ Hoffmann SO, Eckhardt-Henn A, 2004

  10. Dissoziation: Definition • im engeren Sinne definiert: • komplexer psychophysiologischer Prozess, bei dem es zu Desintegration und Fragmentierung des Bewusstseins und anderer verwandter höherer psychischer Funktionen wie des Gedächtnisses, der Identität und der Wahrnehmung von sich selbst und der Umwelt kommt • plötzlich, in Stufen, vorübergehend, chronisch

  11. Dissoziation: Definition • kein grundsätzlich pathologischer Prozess • allgemein menschliche Verarbeitungs-möglichkeit • teils anlage-, teils umweltbedingter Trait • Dissoziationsfähigkeit bei Kindern besonders ausgeprägt, lässt mit zunehmendem Alter nach • keine grundlegende geschlechtsspezifische Unterschiede nachweisbar

  12. Dissoziative Phänomene im Alltag • Tagträume • Gedankenabschweifen • daraus resultierende Amnesien

  13. Dissoziative Symptome • 5 dissoziative Hauptsymptome • Amnesie • Depersonalisation • Derealisation • Identitätsunsicherheit • Identitätswechsel

  14. Dissoziative Symptome • relativ häufig • v.a. in belastenden Situationen • Überarbeitung • Erschöpfung • Verkehrsunfall • plötzlicher Tod eines nahestehenden Menschen • pathologische Dissoziationen sind post-traumatische Symptome

  15. Formen Dissoziativer Störungen

  16. Dissoziative Identitätsstörung Hauptmerkmal • Vorhandensein von mindestens zwei unterscheidbaren Teilidentitäten oder Persönlichkeitszuständen (Selbst-zuständen), die wiederholt die Kontrolle über das Verhalten der Person übernehmen, verbunden mit dem Auftreten Dissoziativer Amnesien

  17. Dissoziative Identitätsstörung –Systeme von Selbst-Zuständen • Zumeist 8-10 verschiedene „Persönlichkeiten“ • Nur in ca. 20% sehr komplexe Aufspaltungen mit 20 und mehr Persönlichkeitszuständen

  18. Dissoziative Identitätsstörung Alter-Persönlichkeiten • dissozierte Aspekte der Gesamtpersönlichkeit • Alter, Geschlecht, Sprache, Fähigkeiten, Wissen, vorherrschender Affekt können unterschiedlich sein • werden als nicht zur eigenen Persönlichkeit gehörend wahrgenommen • Übernahme der Kontrolle auf innere oder äussere Auslösereize hin • häufig teilweise oder vollständige Amnesie für Vorhandensein oder Handlungen der anderen Teilpersönlichkeiten

  19. Dissoziative Identitätsstörung –Systeme von Selbst-Zuständen • Unterschiedliche Selbst-Konzepte • Unterschiedliche Körpervorstellungen • Unterschiedliche Fähigkeiten • Unterschiedliche Wertvorstellungen • Unterschiedliche Lebensalter • Unterschiedliches Geschlecht • Verschiedene sexuelle Orientierung • Unterschiedliche wichtige Beziehungspersonen • Unterschiede in Mimik, Gestik, Stimmintonation, Wortwahl, Sprachmuster, Handschrift

  20. Dissoziative Identitätsstörung –Systeme von Selbst-Zuständen • Dissoziative Barrieren, welche Persönlichkeitszustände voneinander trennen, sind unterschiedlich durchlässig • Emotional neutrale Informationen werden eher ausgetauscht, als hoch affektiv besetzte (z.B. traumatisches Material) • Informationsfluss kann auch nur in einer Richtung erfolgen

  21. Dissoziative Identitätsstörung –Systeme von Selbst-Zuständen • Charakteristische Aufspaltung • Alltags-Persönlichkeit („Host“) • Kinder • Interne Helfer • Interne Verfolger

  22. Dissoziative Identitätsstörung –Systeme von Selbst-Zuständen • Switch = Wechsel von einer Alter-Persönlichkeit zur anderen • Erfolgt kontrolliert oder unkontrolliert • Vermehrte Kontrolle über Switch durch therapeutische Arbeit an Auslösesituationen und verbesserte Affekttoleranz

  23. Dissoziative Identitätsstörung –Systeme von Selbst-Zuständen • Ursprünglicher Sinn der Aufspaltung • Schaffen einer inneren Wirklichkeit, in der ein emotionales Überleben in einer traumatisierenden Situation gewährleistet Durch Bahnung auch bei weniger schwerwiegender Erfahrung ständig wiederholt und zunehmend dysfunktional Kluft, 1996

  24. Dissoziative Identitätsstörung –Systeme von Selbst-Zuständen • Namensgebung • Abkömmlinge des ursprünglichen Namens • Nach externen und internen Funktionen (Wächter, Botin, Chronistin) • Vorherrschender Affekt (Traurige, Stille) • Wichtig, alle Namen zu kennen und sie auch in Therapie zu benutzen Putnam et al., 1986

  25. Dissoziative Identitätsstörung • Auftreten zumeist schon im frühen Kindesalter • oft erst im Erwachsenenalter diagnostiziert • verläuft ohne adäquate Behandlung chronisch • Frauen: 3-9 x häufiger

  26. Prävalenz Dissoziativer Störungen - Allgemeinbevölkerung • Dissoziative Störungen: 2-7% • Dissoziative Identitätsstörung: bis1% (Studien aus USA, Kanada, Belgien, Niederlande, Türkei, Ungarn)

  27. Prävalenz Dissoziativer Störungen - Psychiatriepatienten • Dissoziative Störungen: 5-15% • Dissoziative Identitätsstörung: 1-5%

  28. Prävalenz Dissoziativer Störungen - Psychiatriepatienten • Spezielle Risikogruppen • posttraumatische oder akute Belastungsstörung • Borderline-Persönlichkeitsstörung • Essstörungen • Suchterkrankungen • forensische PatientInnen u.a. Steinberg, 1996; Liss 2001

  29. Prävalenz Dissoziativer Störungen - Bedeutung für das Gesundheitssystem • lange psychiatrische Vorgeschichte • häufige stationäre Aufenthalte • durchschnittlich ca. 3 Vordiagnosen • Latenzzeit bis zur richtigen Diagnose: 6 - 22 Jahre !

  30. Dissoziative Identitätsstörung -Klinisches Erscheinungsbild • verschiedene Teilpersönlichkeiten können Diagnosekriterien verschiedener psychischer Störungen erfüllen oder auch ein gutes psychisches Funktionsniveau aufweisen! Huber 1995

  31. Dissoziative Störungen - Klinische Diagnostik • Viele suchen wegen Folgeproblemen oder Begleiterscheinungen Hilfe (Depression, Essstörung etc.) • Viele versuchen dissoziative Symptome gezielt zu verstecken oder zu bagatellisieren • Auf Risikofaktoren und diskrete Symptome achten

  32. Dissoziative Störungen -Operationalisierte Diagnostik Screeninginstrumente Primär psychologische Dissoziation • Dissociative Experience Scale (DES) • deutsche, ergänzte Bearbeitung: Fragebogen für dissoziative Symptome (FDS) • Dissociation Questionnaire (DIS-Q)

  33. Dissoziative Störungen -Operationalisierte Diagnostik Screeninginstrumente Somatoforme Dissoziation • Somatoform Dissociation Questionnaire in Kurz- (SDQ-5) und Langform (SDQ-20)

  34. Dissoziative Störungen -Operationalisierte Diagnostik Diagnostische Interviews • Dissociative Disorders Interview Schedule (DDIS); deutsche Bearbeitung (SIDDS) in Erprobungsphase • Structured Clinical Interview for Dissociative Disorders (SCID-D); autorisierte deutsche Bearbeitung: strukturiertes klinisches Interview für DSM-IV-dissoziative Störungen (SKID-D), Validierungsstudie erfolgt

  35. Nicht näher bezeichnete Dissoziative Störungen Definition • Dissoziative Symptomatik, die Diagnosekriterien für spezifische DS nicht oder nicht vollständig erfüllt • Verschiedene Persönlichkeitszustände, die nicht als völlig getrennt von der eigenen Person erlebt werden • NNBDS und DIS können im Krankheitsverlauf ineinander übergehen

  36. Komplexe dissoziative Störungen • A-Kriterien • Durchgehendes Muster dissoziativen Funktionierens (Gedächtnisprobleme, Amnesie, Depersonalisation etc.) • B-Kriterien • Subjektiv erlebte Manifestation teilweise abgespaltener Selbst-Zustände (Hören von Stimmen im Kopf, innerer Kampf etc.) • C-Kriterien • Objektive und subjektive Manifestationen vollständig abgespaltener Selbst-Zustände (krasse Diskontinuität im Zeiterleben, Entdecken von Selbstverletzungen, an die man sich nicht erinnern kann etc.) • Taxometrische Diagnosestellung (Konzept für DSM V) Dell, 2001

  37. Achse I Depressionen Psychotische Störungen PTSD Angststörungen Substanzmissbrauch Somatoforme Störungen Ess-Störungen Achse II Borderline PS Ängstlich-vermeidende PS Dissoziative Identitätsstörung –Komorbidität Ellason et al. 1996

  38. Dissoziative Identitätsstörung –Pseudopsychotische Symptome • Akustische Pseudohalluzinationen • Herabsetzende und beschimpfende Stimmen (meist an „Alltags-Persönlichkeit“ gerichtet) • Imperative Stimmen, sich selbst zu bestrafen • Kommentierende oder streitende Stimmen • Weinen, Schreien, typischerweise von Kind, das in Not • Stimmen sollten sich im weiteren Therapieverlauf den verschiedenen Selbst-Zuständen zuordnen lassen

  39. Dissoziative Identitätsstörung -posttraumatische Störung • Nachweis von langandauernden schweren frühkindlichen Traumatisierungen in Form von sexuellen, körperlichen und emotionalen Misshandlungen: bei um 90%

  40. Dissoziative Identitätsstörung -posttraumatische Störung nach Eckhardt-Henn A u. Hoffmann SO, 2000

  41. Dissoziative Identitätsstörung -posttraumatische Störung • Traumatisierte Kinder zeigten sowohl zu Beginn der Messung als auch nach 1 Jahr mehr dissoziative Prozesse als nichttraumatisierte Kinder • Grad an Dissoziation stieg bei Traumatisierten noch an, ging bei nicht traumatisierten zurück • N = 199 Vorschulkinder Mc Fie, 1999

  42. Dissoziative Identitätsstörung -posttraumatische Störung • Bindungsforschung: Desorganisierter Bindungsstil • Nachweis vermehrter Episoden von tranceartigen Zustände bei Kindern mit desorganisiertem Bindungsstil (= Indikator für traumatische Erfahrungen) • erhöhte Vulnerabilität für Dissoziative Störungen Liotti 1992, Main u. Morgan 1996, Carlson 1998

  43. Dissoziative Identitätsstörung -posttraumatische Störung • Dissoziative Antwort auf Traumata als kreative Überlebensstrategie, die hilft, mit den überwältigenden Erfahrungen fertig zu werden (Kind kann fantasieren, dass Traumatisierung nicht ihm, sondern anderer Person passiert sei) • Alternativpersönlichkeiten können sich an den Missbrauch nicht mehr erinnern • Preis für diese Traumabewältigung ist unkontrollierte Dissoziation im Erwachsenenalter

  44. Dissoziative Identitätsstörung -Soziokognitives Modell • Infragestellung der DIS als psychiatrische Störung • Phänomenologie sei erlerntes, durch Medien oder Therapeuten iatrogen suggeriertes Rollenverhalten (“multiple identity enactment”) Spanos, 1994

  45. Dissoziative Identitätsstörung -False-Memory-Syndrom • illusorische bzw. falsche Erinnnerungen an nie stattgefundenen sexuellen Missbrauch in der Kindheit könne durch spezielle therapeutische Techniken produziert werden • Hypnose • Traumdeutung • geführte Imagination • Teilnahme an Selbsthilfegruppe für missbrauchte Frauen • Gruppentherapien Lindsay und Read 1994

  46. Dissoziative Identitätsstörung -False-Memory-Syndrom • Retractors - Distanzierung von miss-brauchter Erinnerung: • Untersuchung von 20 Frauen • bei 19 Erinnerungen wd Psychotherapie (20. las Buch über sexuellen Missbrauch) • bei 18 wurden Trance-Zustand/Hypnose in der Psychotherapie verwendet • suggestive Deutung regressiven Verhaltens Richtung Missbrauch • 14 nahmen zusätzlich an Gruppentherapien teil (“Leugnung der Realität” vorgeworfen) Nelson und Simpson, 1994

  47. Dissoziative Identitätsstörung -Behandlung Methode der Wahl • hochfrequente ambulante Einzeltherapie • eklektischer Therapieansatz • psychodynamisch • kognitiv-behavioral • hypnotherapeutisch • familientherapeutisch • Durchschnittliche Therapiedauer 4-8 Jahre ISSD, 1997

  48. Dissoziative Identitätsstörung -Behandlung Primärziel • Förderung innerer Verbundenheit und der Beziehungen zwischen alternierenden Persönlichkeitsanteilen • Entwicklung eines zunehmenden Gefühls für einheitliches und alltagstaugliches Selbst

  49. Dissoziative Identitätsstörung -Behandlung Übergeordnetes Therapieziel • vollständige Integration aller Teilidentitäten in die Gesamt-persönlichkeit

  50. Dissoziative Identitätsstörung -Behandlung Minimalziel • weitgehende Kooperation aller Alternativ-Ichs, so dass kein Anteil Amnesien im Tagesbewusstsein aufweist • bewusste Kontrolle, welche Anteile zu welchem Zeitpunkt aktive Kontrolle übernehmen • innerlich soll kein Anteil abgespalten, abgelehnt oder stigmatisiert werden

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