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Einführung in die Philosophie 21. November 2012 Prof. Dr. Thomas Schramme

Einführung in die Philosophie 21. November 2012 Prof. Dr. Thomas Schramme 6. Soziale Gerechtigkeit. Gliederung. Gerechtigkeitsbegriff Gerechtigkeit vs. Wohltätigkeit Ansprüche Jedem das Seine? Formaler Gerechtigkeitsbegriff und Unparteilichkeit Generelle Kritik

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Einführung in die Philosophie 21. November 2012 Prof. Dr. Thomas Schramme

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  1. Einführung in die Philosophie21. November 2012Prof. Dr. Thomas Schramme 6. Soziale Gerechtigkeit

  2. Gliederung Gerechtigkeitsbegriff Gerechtigkeit vs. Wohltätigkeit Ansprüche Jedem das Seine? Formaler Gerechtigkeitsbegriff und Unparteilichkeit Generelle Kritik Voraussetzungen und Umstände der Gerechtigkeit Komparative vs. Nicht-komparative Gerechtigkeit

  3. Gerechtigkeitsbegriff Aristoteles: • allgemeine Gerechtigkeit: Gesamt des richtigen Handelns (der Tugend) • spezielle Gerechtigkeit: • Verteilungsgerechtigkeit: Kriterium der Würdigkeit (Proportionalität) • ausgleichende Gerechtigkeit: a) bei Geschäften (kommutative G) und b) Schädigungen/Verbrechen: korrektive Gerechtigkeit • Verteilungsgerechtigkeit = soziale Gerechtigkeit? • Politische Rechte (z.B. Wahlrecht) und Freiheit als zu verteilendes Gut?

  4. Gerechtigkeit vs. Wohltätigkeit • "was wir uns gegenseitig schulden" - als Menschen?- als Mitglieder einer Gemeinschaft? • Formulierung legt "realistische" Lesart nahe: ist feststellbar, was uns jeweils zusteht? • ist Gerechtigkeit nicht (zumindest teilweise) eine Frage, was wir uns gegenseitig zugestehen wollen? Beispielsweise unterschiedliche wohlfahrtsstaatliche Regelungen

  5. Ansprüche Anspruch stellen ≠ Anspruch haben Gerechtfertigte Ansprüche (Anrechte; entitlements); bei Zuwiderhandlung erfolgen Sanktionen (erzwingbar) aber wie rechtfertigen? Jemandem steht etwas zu, weil er etabliertes Verteilungs-kriteriumerfüllt (z.B. Zugang zu Bildung darf Frauen nicht vorenthalten werden) → gleiche Fälle gleich behandeln Jemandem sollte etwas zustehen → Kritik an vorherrschendem Verteilungskriterium (z.B. Finanzierung von Gesundheits-leistungen)

  6. Jedem das Seine? • "Iustitiaestconstans et perpetuavoluntasiussuumcuiquetribuendi" (Ulpian) ("Gerechtigkeit ist der feste und dauerhafte Wille, jedem das Seine zuzuteilen") • ähnlich schon Simonides (bei Platon): jedem das geben, was man ihm schuldet

  7. Jedem das Seine? • scheint nicht weiter zu führen: man müsste schon wissen, was jedem zukommt (bzw. was jeder verdient) • Problem des Konventionalismus: Gerechtigkeitsforderungen zielen nicht (nur) auf Feststellungen, was man sich gegenseitig de facto schuldet (etwa, was durch positive Rechte geschützt ist) → Gerechtigkeit ist (auch) ein normativer "Kampfbegriff"

  8. "Formaler" Gerechtigkeitsbegriff • nicht willkürlich handeln; gleiche Fälle gleich behandeln (Unparteilichkeit; Fairness) • "formal", da durch substantielle Überlegungen begründet werden muss, welche Fälle als gleiche gelten (Bsp.: gleiche Bedürfnisse, Leistung…) →Gleichbehandlung bei fehlender Begründung von Ungleichbehandlung (Gleichheitspräsumtion) • Kuchenbeispiel

  9. "Formaler" Gerechtigkeitsbegriff • Problem: vorausgesetzt ist, dass es überhaupt Anspruch auf gerechte Behandlung gibt • Bsp.: Begrüßung, Bettler → bereits substanzielle Gesichtspunkte vorausgesetzt (nicht rein formal)

  10. Unparteilichkeit Bsp.: Ist der steuerliche Besserstellung verheirateter Paare ungerecht? → Unparteilichkeit wird erst dann als Gerechtigkeitsprinzip einschlägig, wenn wir wissen, wem was aufgrund welchen Kriteriums zusteht → dann handelt es sich einfach um die konsistente Anwendung einer Regel (für alle P, die K erfüllen, existiert gerechtfertigter Anspruch auf G)

  11. Unparteilichkeit 2. Stufe • stattdessen: unparteiliche Begründung einer Verteilungsnorm bzw. –regel (Unparteilichkeit 2. Stufe) • Problem der mangelnden Feststellbarkeit, wann etwas unparteilich begründet ist (wer stellt das fest?) → unparteiliche Begründung als Forderung der Begründung von Normen ist selbst kein formaler Gesichtspunkt (sondern vertragstheoretische Grundidee)

  12. Generelle Kritik • soziale Gerechtigkeit Hirngespinst, weil nur verantwortbare Einzelhandlungen gerecht/ungerecht sein können. Beispielsweise Marktresultate können nicht Einzelhandlungen zugeordnet werden (Hayek). • aber: politische Bedingungen führen zu Resultaten, die als gerecht oder ungerecht beurteilt werden können (z.B. Ausschluss von Zugang zu Bildungseinrichtungen); auch Marktprozesse können ungerechte Situationen hervorbringen

  13. Generelle Kritik • Problem der Überforderung des Einzelnen: Wenn Gerechtigkeit Rechte impliziert, wer soll entsprechende Pflichten erfüllen? → alle Mitbürger (oder Mitmenschen?); Individuen werden damit überfordert • aber: Staat erfüllt diese im Namen der Einzelnen ("moralische Arbeitsteilung")

  14. Voraussetzung der Verteilungsgerechtigkeit • Gerechtigkeit nur thematisch, "wenn etwas zur Verteilung ansteht" (Tugendhat 1993, 381) • aber auch Frage der Gerechtigkeit, was zur Verteilung anstehen soll

  15. Hume "So hängen also die Regeln der Billigkeit [equity] oder Gerechtigkeit vollständig von dem besonderen Zustand und der Lage ab, worin sich die Menschen befinden; […] Verändere in irgendeinem bedeutenden Umstand die Lage der Menschen; erzeuge äußersten Überfluss oder äußerste Not; pflanze in ihr Herz vollkommene Bescheidenheit und Menschlichkeit oder vollkommene Habgier und Bosheit; indem man auf diese Weise die Gerechtigkeit gänzlich nutzlos macht, vernichtet man zugleich vollkommen ihr Wesen und hebt ihre Verbindlichkeit für die Menschen auf" (Hume, Eine Untersuchung über die Prinzipien der Moral, Abschnitt 3)

  16. Umstände ("Bedingungen") der Gerechtigkeit Bezug auf Hume • subjektive Bedingung: eingeschränkter Egoismus/Altruismus (Rawls: "lieber mehr als weniger haben") → anthropologische Behauptung? • objektive Bedingung: (moderate) Güterknappheit • (bei Rawls zusätzlich): Pluralismus der Auffassungen des Guten → Gerechtigkeit gefordert bei Interessenkonflikten

  17. Umstände ("Bedingungen") der Gerechtigkeit • aber: welche Interessen sind gerechtfertigt? → selbst Frage der Gerechtigkeit; bloßer Wunsch ist kein gerechtfertigtes Interesse • außerdem: Möglicherweise keine (vordergründigen) Interessenkonflikte und dennoch ungerechte Situation (z.B. Glaube an natürliche Hierarchie der Geschlechter)

  18. Was heißt "Knappheit"? • nicht genug für alle Ansprüche? • bei Hume: Gegensatz zu Überfluss ("Angebot" begrenzt) • aber: es könnte Frage der Gerechtigkeit sein, "Nachfrage" oder Güterverbrauch zu beschränken, so dass genug da wäre (d.h. Güter nicht knapp wären)

  19. Was heißt "Knappheit"? → Knappheit von Gütern kann selbst gerechtigkeitsrelevantes Problem sein; wie kann es dann eine Voraussetzung der Gerechtigkeit sein? → Knappheit: deskriptive vs. normative Lesart → unter Bedingung der Knappheit (deskriptive Lesart) mag es rational sein, so viel wie möglich zu wollen, aber damit wird Knappheit (normative Lesart) mitunter erst erzeugt bzw. verschärft

  20. Komparative vs. nicht-komparative Gerechtigkeit In all cases, of course, justice consists in giving a person his due, but in some cases one’s due is determined independently of that of other people, while in other cases, a person’s due is determinable only by reference to his relations to other persons. I shall refer to contexts, criteria, and principles of the former kind as noncomparative, and those of the latter sort as comparative. (Feinberg 1974: 298)

  21. Komparative vs. nicht-komparative Gerechtigkeit komparativ: Vergleich erfordert, um zu bestimmen, was jemandem jeweils zukommt Bsp.: Höhe der Sozialhilfe abhängig vom Durchschnitts-einkommen; Lohn gemäß Beitrag zum Warenwert nicht-komparativ: Bsp.: Sozialhilfe abhängig von individuellem Bedürfnis; Lohn gemäß geleisteter Arbeitszeit

  22. Komparative vs. nicht-komparative Gerechtigkeit Problem: immer unterscheidbar? Z.B. "positionelle" Güter (möglicherweise Bedürfnis erst aufgrund Ausstattung anderer) Frage: steht jemandem ein Gut zu, weil es andere haben, oder abgeleitet, wenn es andere haben → hat auch mit Art des Guts zu tun (z.B. Lohn vs. Gesundheitsfürsorge)

  23. Resümee Gerechtigkeit: "Was wir uns gegenseitig schulden" aber warum nicht (auch) "was wir uns gegenseitig zugestehen wollen"? → Gerechtigkeitsurteile sind keine Feststellungen formaler Gerechtigkeitsbegriff (Unparteilichkeit) unzureichend Umstände der Gerechtigkeit unklar komparative vs. nicht-komparative Gerechtigkeit

  24. Literatur Barry, Brian, 1995, JusticeasImpartiality. (A Treatise on SocialJusticeVolume II), Oxford: Oxford U.P. Berlin, Isaiah, 1955-56, "Equality", Proceedings of the Aristotelian Society 56, S.301-326. Feinberg, Joel, 1973, Social Philosophy, Englewood Cliffs, New Jersey: Prentice Hall. Frankena, William, 1962, "The Concept of Social Justice", in: Richard Brandt (Hrsg.), Social Justice, Englewood Cliffs, New Jersey: Prentice Hall, S.1-29. Gosepath, Stefan, 2004, Gleiche Gerechtigkeit. Grundlagen eines liberalen Egalitarismus, Frankfurt: Suhrkamp. Horn, Christoph & Scarano, Nico (Hrsg.), 2002, Philosophie der Gerechtigkeit. Texte von der Antike bis zur Gegenwart, Frankfurt: Suhrkamp. Hume, David, 1777, An Enquiry Concerning the Principles of Morals. Third Edition. Edited by L.A. Selby-Bigge, Oxford: Clarendon Press 1975. Koller, Peter, 2003, "Soziale Gerechtigkeit – Begriff und Begründung", Erwägen, Wissen, Ethik 14 (2), S.237-250. Nathan, N.M.L., 1971, The Concept of Justice, London: MacMillan. Perelman, Chaïm, 1967, Über die Gerechtigkeit, München: Beck. Raphael, David Daiches, 2001, Concepts of Justice, Oxford: Clarendon Press. Rawls, John, 1975, EineTheorie der Gerechtigkeit, Frankfurt: Suhrkamp. Schramme, Thomas, 2006, Gerechtigkeit und soziale Praxis, Frankfurt: Campus. Tugendhat, Ernst, 1993, Vorlesungen über Ethik, Frankfurt: Suhrkamp.

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