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Tilman Rhode-Jüchtern Friedrich-Schiller-Universität Jena Institut für Geographie

„System“, „Nachhaltigkeit“, „Kompetenzen“ & Co – Unbestimmte Begriffe als fachdidaktisches Konzept? . Tilman Rhode-Jüchtern Friedrich-Schiller-Universität Jena Institut für Geographie www.geographie.uni-jena.de/Vortraege_TRJ.html.

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Tilman Rhode-Jüchtern Friedrich-Schiller-Universität Jena Institut für Geographie

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Presentation Transcript


  1. „System“, „Nachhaltigkeit“, „Kompetenzen“ & Co – Unbestimmte Begriffe als fachdidaktisches Konzept? Tilman Rhode-Jüchtern Friedrich-Schiller-Universität Jena Institut für Geographie www.geographie.uni-jena.de/Vortraege_TRJ.html

  2. Begriffe (z.B. „Ordnung“): „concepts“ oder Worthülsen? „Zwei Gefahren bedrohen unaufhörlich die Welt: die Ordnung und die Unordnung.“ (Paul Valéry)

  3. z.B. „Entropie“: Natürliche Ordnung = gesellschaftliches Chaos • Wesen der Natur: systemische, vernetzte, entropische Ordnung (Fressen und Gefressenwerden, Ausgleich) • Wesen der Gesellschaft: Herstellen einer künstlichen Ordnung durch Arbeit und Kultur (Natur als Umwelt)

  4. Gesellschaft - Umwelt - Verhältnis Zum Beispiel: Der Garten „Ein Garten ist nicht Kunst und nicht Natur. Nie weiß der Gärtner, ob er es ist, der seinen Flecken Erde beherrscht. Oder doch umgekehrt.“ (Christian Schüle: Der edle Wilde. 2012)

  5. Die „Zwei Kulturen“ Charles Percy Snow (amerik. Physiker, 1967): „Der Verkehr mit zwei Gruppen, Naturwissenschaftlern und Schriftstellern, war schuld daran, dass mich ein Problem nicht mehr losließ; ich hatte es die ‚zwei Kulturen‘ getauft. Von gleicher Rasse und gleicher Intelligenz, die sich aber so gut wie gar nichts mehr zu sagen hatten – wie durch einen Ozean getrennt.“ (Charles P. Snow: Die zwei Kulturen. Literarische und naturwissen-schaftliche Intelligenz. 1967)

  6. Verbindung in der „ozeanischen Trennung“: Dritte Kultur Natur- und Geistes-/Kulturwissenschaft sind zwei Arten der Weltbegegnung: szientifisch und literarisch/künstlerisch. Die Sozialwissenschaft verbindet diese beiden Orientierungen durch eine eigene „Dritte Kultur“, nämlich die der Deutung („Interpretatives Paradigma“) und der Intervention. (Wolf Lepenies: Die drei Kulturen. Soziologie zwischen Literatur und Wissenschaft. 1985)

  7. Beispiel 1:Der Garten in den „Drei Kulturen“ „Als der Mensch sesshaft wurde, hat er als erstes einen Garten angelegt. Und als er das tat, hat er eine Grenze gezogen. Der Zaun bedeutet Kultur. Er grenzt eine Fläche ab und schafft einen Raum der Verantwortung, der Gestaltung. Einen Raum der Ordnung. – Und der Garten ist der Ort der selbst-bestimmten Arbeit. – Damit ist der Garten ein politischer Ort.“ (Jakob Augstein: Die Tage des Gärtners. 2012)

  8. Engl. Landschaftsgarten 18. Jh

  9. Barockgarten Versailles

  10. Sozialwissenschaftliche Interpretationen des Gartens Ausgerechnet Versailles ein Paradies der Freiheit? Offen für alle Stände, Tag und Nacht, für jeden, der ordentlich gekleidet war. Ausgerechnet der englische Landschaftsgarten eine bewusste Täuschung? Denn das scheinbar Wilde ist höchst artifiziell. Hermetisch abgeriegelt, mit drakonischen Strafen für Eindringlinge. (Horst Bredekamp: Leibniz und die Revolution der Gartenbaukunst. 2012)

  11. Beispiel 2:Tropischer Regenwald Eine sozialwissenschaftliche Betrachtung des Tropischen Regenwaldes verbindet naturwissenschaftliche und kulturwissenschaftliche Befunde. Zwei Schritte der Beobachtung: • Auswahl des Sachaspektes • Klärung der Perspektive

  12. Tropischer Regenwald: Sachaspekte Sach-Aspekte: Was wird beobachtet? • Lebensraum für indigene Ethnien • Sauerstoffproduzent • Heilpflanzenressource • Flächenreserve für Großfarmen (Soja, Rindfleisch etc.) • Flächenreserve für Agrarsprit • Tropenholz • Erdöllagerstätte • Naturschutz • Tourismus-Attraktion • Klischees • …

  13. Tropischer Regenwald:Perspektiven Perspektiven (Akteure) – Wer beobachtet,wie und wozu? • Internationale/ nationale/ regionale/ lokale Politik • Großfarmer • Kleinbauern • Naturschützer • Erdölkonzerne • Völkerrechtler • Ökologen • Filmemacher • Naturschutzpaten (NGOs, Firmen) • Soja- und Orangensaft-Ex-/Importeure • Baumärkte (Tropenholz) • Mafia/ Biopiraten • …

  14. Strukturschema: Aspekt und Perspektive

  15. Reduktion von Komplexität • Alle Sachaspekte (z.B. des Tropischen Regenwaldes) sind im natürlichen und kulturellen System vernetzt, sie werden aber selektivbeobachtet. • Der Fall fokussiert einigeSach-/ Fachaspekte sowie Urteile, Bewertungen und Handlungen in der Perspektive einzelner Akteure/ Beobachter. • Reduktion von Komplexität wird möglich durch bewusste und reflektierte Analyse: Was wird beobachtet, von wem und wozu?

  16. Kontextuales und Situiertes Lernen Lernen mit Fällen und authentischen Problemen. 1. Irritation als Lernanlass; Fälle werden zunächst ohne theoretischen Rahmen bzw. Lösungsansätze präsentiert 2. Bestimmung plausibler Sachaspekte und Perspektiven 3. Auswahl und Definition einer Problemstellung 4. Vergleich mit prototypischen bekannten Lösungen 5. Hintergrundwissen mobilisieren 6. Antworten/ Lösungen im Rahmen der sachlichen Problemstellung und Perspektive 7. Reflexion

  17. Beispiel 3:Natur-„Katastrophen“/ -ereignisse • Schlagzeilen wie „Die Natur rächt sich“, „Der Berg schlägt zurück“ oder „Monsterwelle“ lassen auf einen fahrlässigen Natur- und Gesellschaftsbegriff schließen. • Natur kennt keine Katastrophen; Natur ist ein vernetztes, entropisches System. Wenn sich Menschen dieser Entropie aussetzen und sie durch eine kulturelle Ordnung ersetzen wollen, gehen sie zugleich das Risiko unerwünschter Folgen ein. • Eine Katastrophe ist die Auswirkung von Naturgewalten/ -gefahren, sofern diese in der Kultur und Technik einer Gesellschaft nicht beherrscht werden können.

  18. „Katastrophale“ Deutungen Kontext: Hurrican „Sandy“ 30.10.2012 in New York Deutungen in Zeitungsüberschriften: A„Der Angriff des Wetters“ B „Aus einem Sturm wird eine Katastrophe“ C „Die Lage scheint unter Kontrolle“ D „Die Medien können vom Sturm nicht genug bekommen“ E „Der Kran von New York – Symbol einer abgeschlafften Weltmacht“ (A: FR, B bis D: taz . E: stern) 30.10.12

  19. Ein Fall:Istanbul im Kontext Erdbeben „Die angekündigte Katastrophe“: 1. Aspekt Geophysik: „60% Wahrscheinlichkeit eines schweren Erdbebens in Istanbul in den nächsten 30 Jahren“ (Erdbebenwarte Kandilli/ Bosporus) 2. Aspekt technische Beurteilung der Gefahr und Risiken: Wo leben in Istanbul? „Eigenfrequenz eines Hauses soll möglichst wenig mit der des Untergrundes übereinstimmen“ (GFZ Potsdam) 3. Aspekt Baukultur und gesellschaftliche Mentalität Marmarameer (anatolische Verwerfung) gefährdeter als Norden: „Das Problem sind unsere Häuser!“ (stv. Bürgermeister). Erdbebengesetz liegt seit Jahren unerledigt im türkischen Parlament. 4. Aspekt absehbare Folgen und Handlungsoptionen: Bei Beben in Gefahr: Häuser, Autobahnen, Brücken, Flughäfen, Kraftwerke, Fabriken: „Die ersten zehn Sekunden sind entscheidend“ (Erdbebenwarte) (Michael Thumann: Die angekündigte Katastrophe. In: Die Zeit 18/12 (zeit-online/Umwelt)

  20. Den Fall erzählen Ein Fall wie „Istanbul - Die angekündigte Katastrophe“ lässt sich in differenzierten Sätzen erzählen, in sachlich-fachlichen Fragen verbinden und von außen begründet beurteilen und bewerten, z.B.: • Was geschieht im System der Natur, wenn ein Erdbeben droht oder ausbricht? • Wie haben sich die Menschen in der absehbaren Naturgefahr eingerichtet? • Welche Gefahren erkennen sie und welche Risiken gehen sie ein? • Welche Handlungsoptionen gibt es? Welche werden gewählt?

  21. Noch einmal: Wer beobachtet was?

  22. Und: Wie wird beobachtet? Keine einfachen/eindeutigen Antworten, sondern differenziert • nach räumlichem Maßstab • nach Zeithorizonten • nach ausgewählten Sachaspekten • ach fachlichen oder subjektiven Schwerpunkten • nach Kommunikation • nach Blinden Flecken

  23. Außerdem: Innen-Außen-Differenz Fragen von innen betrachten: Im Medium, als Mitglieder der Kultur und als Akteure im Verhältnis Umwelt und Gesellschaft Fragen von außen betrachten: Als Objekt, fachlich-sachlich distanziert, als wissenschaftliche/ wissenschafts-propädeutische oder pädagogische Tätigkeit

  24. Die Dritte Säule zwischen Erster und Zweiter Säule

  25. Die Idee einer „Dritten Säule“ • Ausgehen vom realen und ungelösten Problem im Gesellschaft – Umwelt – Verhältnis • Die erste und zweite Säule des Faches (Natur- und Kulturgeographie) zu Hilfe nehmen • In der „Dritten Kultur“ der Sozialwissenschaften analysieren, beurteilen, bewerten (Peter Weichhart, in: Gebhardt et al: Geographie. Kapitel „Das Drei-Säulen-Modell der Geographie“. 2007) Achtung: Die dritte Säule ist nicht die Schnittmenge der Ersten und Zweiten Säule!

  26. Der Antrieb der Wissenschaften und der Allgemeinen Bildung „Die Erkenntnis beginnt nicht mit Wahrnehmungen oder Beobachtungen oder der Sammlung von Daten oder von Tatsachen, sondern sie beginnt mit Problemen. [...] Denn jedes Problem entsteht durch die Entdeckung, dass etwas in unserem vermeintlichen Wissen nicht in Ordnung ist.“ (Karl R. Popper: Die Logik der Sozialwissenschaften. 1962)

  27. Irritation in der Spannung von Wissen und Nichtwissen: Die Kamelmethode Erkenntnisse entstehen nicht durch Reproduktion von Wissen, sondern durch Neugier und Irritation. Fragen und Problemstellungen entstehen in Kommunikation. Schulunterricht ist wie ein Nadelör („Reduktion von Komplexität“). Die Gestalt eines Problems soll rekonstruiert werden. Der Erkenntnisprozess soll reflektiert und relativiert werden.

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