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Mobiliarsachenrecht, 29.01.2014

Mobiliarsachenrecht, 29.01.2014. PD Dr. Sebastian A.E. Martens, M.Jur. (Oxon.). § 4 Beschränkte dingliche Rechte 3. Eigentumsvorbehalt und Anwartschaftsrecht Der Eigentumsvorbehalt i. Grundgedanken aa ) Definition des § 449 Abs. 1 BGB:

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Mobiliarsachenrecht, 29.01.2014

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  1. Mobiliarsachenrecht, 29.01.2014 PD Dr. Sebastian A.E. Martens, M.Jur. (Oxon.)

  2. § 4 Beschränkte dingliche Rechte 3. Eigentumsvorbehalt und Anwartschaftsrecht • Der Eigentumsvorbehalt i. Grundgedanken aa) Definitiondes § 449 Abs. 1 BGB: „Hat sich der Verkäufer einer beweglichen Sache das Eigentum bis zur Zahlung des Kaufpreises vorbehalten, so ist im Zweifel anzunehmen, dass das Eigentum unter der aufschiebenden Bedingung vollständiger Zahlung des Kaufpreises übertragen wird (Eigentumsvorbehalt)“.

  3. bb) Die Interessen der Beteiligten • Synallagma des Kaufvertrags: Die Pflichten des Verkäufers und des Käufers sind grundsätzlich Zug um Zug zu erfüllen. • Eine Vorleistung ist unsicher: Wird mein Vertragspartner auch wirklich leisten? • Das Sicherungsbedürfnis des Verkäufers bei Kreditierung des Kaufpreises. • Das (Besitz-)Pfandrecht ist ungeeignet zur Sicherung des vorleistenden Verkäufers. • Lösung: Sicherung durch Übergabe des Besitzes, aber nur aufschiebend bedingte Übertragung des Eigentums (Eigentumsvorbehalt).

  4. cc) Die Rechtspositionen der Beteiligten • Verkäufer bleibt zunächst Eigentümer • Der Eigentumsvorbehalt erfüllt zwei Funktionen: • Sicherungsfunktion:Abwehrrecht gegenüber anderen Gläubigern des Käufers • Verwertungsfunktion:Rücknahmerecht bei Pflichtverletzungen des Käufers

  5. Auch der Käufer hat eine gesicherte Rechtsposition (sog. Anwartschaftsrecht): • Gesichert vor nachteiligen Handlungen des Verkäufers (§ 160 Abs. 1 BGB) • Gesichert vor nachteiligen Verfügungen des Verkäufers (§ 161 Abs. 1 S. 1 BGB) • Gesichert vor den Gläubigern des Verkäufers (§ 161 Abs. 1 S. 2 BGB) • Allgemeiner Schutz des Anwartschafts-berechtigten nach §§ 823 ff., 985, 1004 BGB • Weiterer Schutz des Anwartschaftsrechts durch Richterrecht und Rechtsfortbildung

  6. dd) Die Anwendungsfälle des Eigentumvorbehalts (EV) • „Einfacher EV“: Der Käufer bleibt im Besitz der Sache; keine Weiterveräußerung • „Verlängerter EV“: Der Käufer ist Händler; Weiter-verkauf gestattet bei Sicherungsabtretung der Forderungen aus dem Weiterverkauf • Kontokorrentvorbehalt: EV sichert alle Forderungen aus einer Geschäftsbeziehung • Konzernvorbehalt: EV sichert nicht nur Forderungen des Verkäufers, sondern aller Unternehmen seines Konzerns • Nachgeschalteter EV: Käufer veräußert die Sache seinerseits (mit Zustimmung des Verkäufers) unter EV

  7. ii. Die Entstehung des Eigentumsvorbehalts aa) Das allgemeine Verhältnis des schuldrechtlichen Vertrags und der sachenrechtlichen Einigung • Der schuldrechtliche Vertrag klärt, ob eine Über-tragung unter Eigentumsvorbehalt zulässig ist. • Der dingliche Vertrag klärt, ob eine Übertragung unter Eigentumsvorbehalt vorgenommen wird. • Der Verkäufer kann einen Eigentumsvorbehalt nicht einseitig festlegen: • Der Käufer nimmt ihn an: wirksame dingliche Einigung. • Der Käufer nimmt ihn nicht an: keine wirksame dingliche Einigung.

  8. bb) Der nachträgliche Eigentumsvorbehalt Beispiel: K hat eine Waschmaschine des Typs Meile bei dem Händ-ler H gekauft und mit H vereinbart, dass H ihm die Maschine zur Wohnung liefern soll. K soll dann den Kauf-preis an H überweisen. H beauftragt seinen Angestellten A mit der Lieferung. Da H Zweifel an der Zahlungsfähigkeit des K bekommen hat, schärft er A ein, dass er dem K die Waschmaschine nur unter Eigentumsvorbehalt bis zur vollständigen Zahlung übereignen soll. Als A die Ma-schine liefert, vergisst er allerdings zunächst die Sache mit dem Eigentumsvorbehalt. Erst im Lieferwagen fällt es ihm wieder ein, und er klingelt erneut bei K. K will nun aber nichts mehr von dem Eigentumsvorbehalt wissen und meint, er habe richtiges Eigentum erworben. Zurecht?

  9. cc) Eigentumsvorbehalt und AGB • Ein EV wird für gewöhnlich in AGB vereinbart. • Unterscheide: • AGB in Verkaufs-/Einkaufsbedingungen bestimmen den schuldrechtlichen Vertrag; stillschweigende Erstreckung auf die dingliche Einigung. • AGB in den Lieferungsbedingungen/Lieferschein betreffen regelmäßig nur die dingliche Einigung. • Problem kollidierender AGB: • h.M.: Übereinstimmender Inhalt der AGB wird Vertragsinhalt; im Übrigen gilt dispositives Recht. • Folge: Regelmäßig kein EV

  10. Beispiel: Händler H hat bei Unternehmer U eine Lieferung Flachbildschirme bestellt. Beide haben ihren Willenserklärungen ihre AGB beigefügt. Dabei heißt es in den Verkaufsbedingungen des U, dass U nur unter EV verkauft, in den Einkaufsbedingungen des H aber, dass H nur ohne EV kauft. U liefert indes die Flachbildschirme an H. Auf dem Lieferungsschein, den U dem H bei der Übergabe der Bildschirme gibt und auf den er ausdrücklich hinweist, steht erneut, dass U sich das Eigentum bis zur vollständigen Zahlung vorbehält. H denkt, dass ihn das nicht zu interessieren braucht und nimmt die Bildschirme kommentarlos entgegen. Wie ist die Rechtslage?

  11. iii. Das Erlöschen des Eigentumsvorbehalts aa) Volle Bezahlung Beispiel: Wie im vorigen Beispiel hat H bei U eine Lieferung Flachbildschirme unter EV bis zur vollständigen Kaufpreiszahlung gekauft. Als H bereits 15.000 Euro von den 20.000 Euro Kaufpreis bezahlt hat, gerät er in finanzielle Schwierigkeiten. U, der davon bald erfährt, verliert aus Sorge um sein Geld den Ver-stand und seine Geschäftsfähigkeit. Die Sorge des U ist freilich unbegründet, weil der Vater V des H ein-springt und den restlichen Kaufpreis auf das Konto des U überweist. Ist H nun Eigentümer geworden?

  12. bb) Wirksame Veräußerung Beispiel: Erneut hat Händler H Flachbildschirme unter EV von dem Unternehmer U gekauft. H bietet die Bildschirme in seinem Laden an. K entdeckt einen Bildschirm bei H und kauft ihn sogleich. Dabei vereinbaren H und K, dass K den Bildschirm zwar schon mitnehmen soll, es soll aber ein EV gelten. Wird K mit Zahlung seines Kaufpreises Eigentümer des Bildschirms? Variante: H gerät in finanzielle Schwierigkeiten. Um kurzfristig wieder liquide zu werden, bietet er die Bild-schirme in einer Sonderaktion zu 30 % ihres Wertes an, ohne dem U etwas davon zu sagen. X, der von den Hinter-gründen nichts ahnt, freut sich über das Schnäppchen und kauft einen Bildschirm. Wird er Eigentümer?

  13. cc) Verlängerter Eigentumsvorbehalt Unterscheide: • Weiterveräußerungsklausel:Käufer wird ermächtigt (§ 185 BGB), die unter EV gelieferte Sache im ordentlichen Geschäftsverkehr weiterzuveräußern. Zugleich wird die Abtretung aller Forderungen aus solch einer Weiterveräußerung zur Sicherung des Verkäufers vereinbart. • Verarbeitungsklausel:Der Käufer darf die unter EV gelieferten Sachen verarbeiten, der Verkäufer soll aber an den hergestellten Produkten Sicherungseigentum erhalten. Entweder durch Vereinbarung des „Herstellers“ iSd § 950 BGB oder durch antizipiertes Besitzkonstitut nach § 930 BGB.

  14. dd) Verzicht/Kein Erlöschen bei Verjährung • Der Eigentümer kann einseitig auf den EV verzichten (BGH NJW 1958, 1231)(kein Vertrag notwendig! Anders § 397 BGB) Folge: Käufer wird unmittelbar Eigentümer. • Die Verjährung des Kaufpreisanspruchs berührt den EV nicht (arg. ex § 216 Abs. 2 S. 2 BGB) Beispiel: A hat vor 31 Jahren einen Pkw bei V gekauft und unter EV übereignet bekommen. Den Kaufpreis hat A bis heute nicht bezahlt. V hat lange Geduld gezeigt. Nun ist er aber in ein Alter gekommen, da er nicht länger warten kann. Er möchte seinen Pkw wiederhaben. Zurecht?

  15. iv. Die schuldrechtliche Seite des EV aa) Rücktritt des Verkäufers und Rücknahme der Sache • § 449 Abs. 2 BGB: Rücknahme der Sache nur bei Rücktritt möglich! • Rücktritt nach § 323 Abs. 1 BGB: Grds. Fristsetzung erforderlich • Bei Teilzahlung ist § 323 Abs. 5 BGB zu beachten • Verzug (§ 286 BGB) grds. nicht erforderlich (auch kein Verschulden!) • Rücktritt auch bei verjährter Forderung möglich (§§ 218 Abs. 1 S. 3, 216 Abs. 2 S. 2 BGB)

  16. Beispiel: F hat sich vor vier Jahren einen Kühlschrank bei V gekauft. Geld hatte er damals aber keines. Deshalb hatten F und V vereinbart, dass das Eigentum erst bei vollständiger Kaufpreiszahlung auf F übergehen sollte. Allerdings ist F in der Zwischenzeit nicht reicher geworden. V hat nun seine Geduld verloren. Er setzt F eine letzte Frist von zwei Wochen. F zahlt freilich nicht. Was raten Sie V nun?

  17. bb) Sonderfall des Abzahlungskaufs bei Verbrauchern: § 508 Abs. 2 BGB • Bei Teilzahlungsverträgen (§ 506 Abs. 3 BGB) zwischen Unternehmern und Verbrauchern Rücktritt nur nach §§ 508 Abs. 2, 498 S. 1 BGB • § 498 S. 1 BGB: • Verzug des Verbrauchers • mit mindestens zwei aufeinander folgenden Raten ganz oder teilweise, und • mit mindestens 10 %, bei einer Laufzeit von mehr als drei Jahren mit mindestens 5 %, und • Erfolgloser Ablauf einer zweiwöchigen Frist mit Androhung der Restschuldfälligkeit.

  18. Die sachenrechtliche Seite des EV • Verkäufer bleibt bis Bedingungseintritt Eigentümer • Veräußerung nach § 931 BGB möglich (Schutz des Käufers nach §§ 161 Abs. 1, 986 Abs. 2 BGB) • Bei Insolvenz des Käufers Wahlrecht seines Insolvenzverwalters (§ 103 Abs. 1 InsO): • Erfüllung (§ 103 Abs. 1 InsO): Vertrag wird durchgeführt als bestünde keine Insolvenz • Nichterfüllung (§ 103 Abs. 2 S. 1 InsO):Schuldverhältnis zwischen Käufer und Verkäufer wandelt sich in ein Schadensersatzverhältnis um, der Verkäufer erhält einen Anspruch aus § 985 BGB und ein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO

  19. Beispiel: V hat unter verlängertem EV eine Badewanne an K geliefert, die K seinerseits an den P veräußert und in seine Wohnung eingebaut hat. Dabei ver-einbarten P und K, dass die Forderung aus ihrem Vertrag nicht abtretbar war. Von dem EV zuguns-ten des V wusste P nichts, fragte aber auch nicht nach. K, der schon längere Zeit in finanziellen Schwierigkeiten war, fiel wenig später in Insol-venz. Welche Rechte hat V hinsichtlich der Badewanne?

  20. In der Zwangsvollstreckung gegen den Käufer:Verkäufer hat als Eigentümer der unter EV ver-äußerten Sache die Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO • Wirkung des Bedingungseintritts: Die zuvor bestehende Rechtsposition des aus der bedingten Übereignung Berechtigten, d.h. das sogenannte Anwartschaftsrecht des Anwartschaftsberechtigten, erstarkt nun zum Volleigentum.

  21. Beispiel: A hat einen neuen Flachbildfernseher mit einer Bildschirmdiagonale von 2 m von V unter EV bis zur vollständigen Zahlung des Preises in Höhe von 10.000 Euro gekauft. Als A 7000 Euro abbezahlt hat, gerät er in finanzielle Schwierigkeiten und nimmt deshalb ein Darlehen bei der B-Bank auf. Zur Sicher-heit überträgt A der B alle Rechte, die er aus dem Geschäft mit V an dem Fernseher hat. Das Gerät soll indes vorerst in der Wohnung des A bleiben. Die Situation des A bessert sich jedoch nicht, und er gerät nun auch mit der Zahlung seiner Miete in Rückstand. B fragt sich nun, was sie im Hinblick auf den Fernseher für Rechte hat und was sie tun soll?

  22. § 4 Beschränkte dingliche Rechte I. Sicherungsrechte • Eigentumsvorbehalt und Anwartschaftsrecht b. Das Anwartschaftsrecht • Grundgedanken aa) Idee des Anwartschaftsrechts: • Eine eigentlich nur vorläufige Rechtsposition wird besonders behandelt. • Definition: Von einem mehraktigen Erwerbs-tatbestand sind bereits so viele Teile verwirk-licht, dass der Eigentumserwerb nicht mehr vom Veräußerer verhindert werden kann.

  23. bb) Arten des Anwartschaftsrechts Es gibt eine Reihe von Anwartschaftsrechten: Die Stellung • des Hypothekars bei Einigung und Eintragung vor Entstehung der gesicherten Forderung; • des Erwerbers eines Grundstücksrechts nach Erklärung der bindenden Einigung (Auflassung) und Stellung des Eintragungsantrags durch den Erwerber, aber vor Eintragung im Grundbuch; • des Käufers bei einem Kauf unter Eigentumsvorbehalt nach § 455 BGB vor vollständiger Kaufpreiszahlung.

  24. cc) Die Interessenlagen • Verkäufer will sich bis zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises sichern. • Käufer möchte die Sache bereits jetzt „wie ein Eigentümer“ nutzen. • Sicherungsinteresse des Verkäufers nimmt mit Zahlung der Raten ab. • Berechtigtes Interesse des Käufers nimmt mit Zahlung der Raten zu. Lösung: • Quasi „ratenweiser“ Übergang des Eigentums Problem: Schutz Dritter, da dingliche und schuldrechtliche Vereinbarungen vermengt.

  25. dd) Grundstruktur • Aufschiebend bedingte Veräußerung gemäß §§ 929 ff. BGB • Erwerber erhält Eigentum bei Bedingungseintritt; • Eigentümer behält Eigentum bis Bedingungseintritt. • Gesetzlicher Schutz des bedingt Berechtigten durch §§ 161, 986 Abs. 2 BGB u.a. • Weitere Annäherung an das Vollrecht durch Literatur und Rechtsprechung!

  26. ee) Eigenständige Bedeutung des AWR? • Gesetzlicher Schutz ausreichend? • Vorsichtige Ergänzungen durch Rechtsfortbildung sind zulässig und teilweise notwendig, aber: • EngeBindung an das Gesetz: • Stets Anknüpfung an gesetzliche Wertungen; • Vorrang der gesetzlichen Wertungen; • Keine unmittelbaren Rechtsfolgen aus der „Natur“ oder dem „Wesen“ des Anwartschaftsrechts möglich oder zulässig!

  27. ff) Gemeinsame Probleme bei allen AWR • Die Übertragung: • Kann das AWR übertragen werden? • Wenn ja, wie kann das AWR übertragen werden? • Gibt es einen gutgläubigen Erwerb eines AWR? • Die Pfändung: • Kann das AWR gepfändet werden? • Wenn ja, wie kann das AWR gepfändet werden? • Der Schutz des AWR: • Wie und in welchem Umfang wird das AWR geschützt?

  28. ii. Übertragbarkeit des Anwartschaftsrechts: nach h.M. entsprechend §§ 929 ff. BGB Voraussetzungen: • Einigung über die Übertragung des WAR; • Übergabe oder Übergabesurrogat, §§ 929 ff. BGB analog; • Berechtigung des Veräußerers hinsichtlich des AWR. Achtung: Der Bestand des AWR bleibt auch nach der Übertragung abhängig von der Möglichkeit des Bedingungseintritts!

  29. Beispiel: K hat sich von V einen BMW bei Ratenzahlung unter Eigentumsvorbehalt gekauft. Zur Sicherheit für einen Kredit überträgt K sein Anwartschaftsrecht an dem Wagen auf seine Hausbank B. K und B vereinbaren, daß K den Wagen weiter nutzen und auch die Raten an V weiter zahlen soll. In der Tat nutzt K das Auto weiter, aber mit den Raten kommt er bald in Verzug. Als K mit drei Raten in Rückstand und auch eine letzte Frist verstrichen ist, tritt V von dem Kaufvertrag mit K zurück. Erst jetzt beichtet K der B alles. Die B will ihre Rechte am Wagen behalten und notfalls auch die restlichen Raten an V bezahlen. Der jedoch hat genug und verlangt sein Auto heraus. Zurecht?

  30. iii. Der Erwerb des Anwartschaftsrechts vom Nichtberechtigten aa) Der Erwerb eines Anwartschaftsrechts vom Nichteigentümer Beispiel: B hat sich ein teures Mountainbike von E geliehen. Da er notorisch knapp bei Kasse ist, will er das Fahrrad zu Geld machen und bietet es deshalb dem K zum Kauf an. Auch K hat aber gerade die verlangten 700 Euro nicht flüssig. Deshalb vereinbaren B und K Ratenzahlung und B behält sich das Eigentum bis zur vollständigen Kaufpreiszahlung vor. Bevor es dazu kommt, kommt die Wahrheit jedoch ans Licht. Kann K das Eigentum noch durch Zahlung der letzten Raten erwerben?

  31. bb) Der Erwerb einer bestehenden Anwartschaft vom Nichtberechtigten Beispiel: A hat einen Porsche von P bei Ratenzahlung unter Eigentumsvorbehalt gekauft. B ist auf den neuen Wagen des A sehr neidisch. Er überredet A, ihm den Wagen für ein Wochenende zu leihen. Sobald B den Porsche hat, verkauft und überträgt er ihn dem D, der schon lange so einen Renner haben wollte. B erzählt D, dass er den Porsche selbst von P unter Eigentumsvorbehalt gekauft habe und nur noch 3000 Euro an Raten ausstünden. Tatsächlich hatte A jedoch erst 10.000 von den 80.000 Euro des Kaufpreises abbezahlt. Wie ist die Rechtslage?

  32. cc) Gutgläubiger Erwerb eines nichtbestehenden Anwartschaftsrechts? Beispiel: B hat einen schicken Schlitten mit vier Rädern von V gemietet. Als A den B wegen des neuen Autos bewundert, erzählt B, er habe den Wagen günstig unter Ratenzahlung erworben und auch schon beinahe abbezahlt. Nur noch zwei Raten à 2000 Euro stünden aus. Eigentlich bräuchte er das Auto im Stadtverkehr aber gar nicht. B bietet A an, ihm das Anwartschaftsrecht für 5000 Euro zu verkaufen. Die letzten Raten solle A dann selbst an V bezahlen. A willigt ein, und B übergibt ihm den Wagen. Als A die Raten an V bezahlen will, kommt die Wahrheit ans Licht. V verlangt nun den Wagen von A heraus. Zurecht?

  33. Zusammenfassung zum Gutgläubigen Erwerb eines AWR: • Gutgläubiger Ersterwerb eines AWR vom Nicht-berechtigten nach h.M. entsprechend §§ 932 ff. BGB möglich, wenn redlich bei Einigung und Übergabe; • Gutgläubiger Erwerb eines bestehenden AWR vom Nichtberechtigten nach h.M. entsprechend §§ 932 ff. BGB möglich, aber Bestand des AWR hängt vom Vorbehaltskauf ab; • Gutgläubiger Erwerb eines nicht bestehenden AWR ist nach h.M. ausgeschlossen, weil kein gutgläubiger Erwerb eines Vertrags möglich ist.

  34. iv. Die Pfändung des Anwartschaftsrechts aa) Die Pfändung des AWR durch die Gläubiger des Anwartschaftsberechtigten: • Das AWR kann einen wichtigen Vermögenswert darstellen • Sachpfändung (§ 808 ZPO)?Problem: Die Sache steht nicht im Eigentum des Schuldners! • Theorie der Rechtspfändung: Das AWR als „sonstiges Vermögensrecht“ im Sinne des § 857 ZPO? • Problem: Kein gesetzlich vorgesehener Übergang der Pfändung bei Bedingungseintritt. • contra: entsprechende Anwendung der § 1287 BGB, § 847 ZPO.

  35. oder Rechts- und Sachpfändung (h.M.)? • Pfändung des AWR nach § 857 ZPO (Zustellung des Pfändungsbeschlusses an den Vorbehaltskäufer als „Schuldner“ und den Vorbehaltsverkäufer als „Drittschuldner“), und • Pfändung der Sache nach § 808 ZPO, die bei Bedingungseintritt wirksam werden soll Beispiel: K hat sich vor geraumer Zeit einen 7er BMW bei Raten-zahlung unter Eigentumsvorbehalt gekauft. Gut 70% des Kaufpreises hat er bereits abgezahlt. Nun will einer seiner Gläubiger die Zwangsvollstreckung gegen K durch-führen. Der größte Vermögensposten ist offenbar der 7er BMW. Wie läuft die Vollstreckung in das Auto ab?

  36. bb) Die Pfändung des Anwartschaftsrechts durch den Vorbehaltsverkäufer • 1. Problem: Vollstreckung in eigene Sache möglich?Ja: § 811 Abs. 2 ZPO (Grundlage der Verwertung ist allein die durch die Pfändung bewirkte Vollstrickung). • 2. Problem:Materiell-rechtliche Wirkung der Vollstreckung: • Vollstreckung des Vorbehaltsverkäufers in die Sache bei Verbraucherkreditkauf ist Rücktritt (§ 503 II 4 BGB) • Folge: • Rückgewährschuldverhältnis nach §§ 346 ff. BGB • Kaufpreisforderung erlischt, Vollstreckungsgegenklage des Vorbehaltskäufers nach § 767 ZPO damit eröffnet.

  37. Beispiel: A wollte schon lange sein Wohnzimmer ver-schönern. Nun hat er bei dem Möbelhändler „Roll‘sräus“ (R) eine neue Sofagarnitur zu 2000,- € ent-deckt. R und A vereinbaren Ratenzahlung und einen Eigentumsvorbehalt bis zur vollständigen Kaufpreis-zahlung. Anfangs zahlt A seine Raten auch noch fleißig, aber nach einem halben Jahr stellt er seine Zahlungen ein. Als er bereits mit drei Raten in Ver-zug ist, leitet R ein Mahnverfahren gegen A ein und erwirkt so einen Titel. Mit diesem Titel wendet er sich an den Gerichtsvollzieher und möchte in die Sofagarnitur vollstrecken. Geht das?

  38. v. Der Schutz des Anwartschaftsrechts Überblick: • Schutz vor Zwischenverfügungen, § 161 BGB • Besitzrecht gemäß § 986 BGB • Besitzschutz bei unmittelbarem Besitz, §§ 861 ff. BGB • Ansprüche aus §§ 985, 987 ff. BGB analog • Schutz gegen Störungen, § 1004 BGB analog • Deliktischer Schutz gemäß § 823 Abs. 1 BGB • Drittwiderspruchsklage in der Zwangsvollstreckung, § 771 ZPO • Aussonderungsrecht in der Insolvenz, § 47 InsO

  39. aa) Der Schutz des Anwartschaftsrechts durch § 161 BGB • Vorbehaltsverkäufer bleibt Eigentümer und kann weiter über sein Eigentum verfügen (§ 931 BGB) • Schutz des Anwartschaftsberechtigten vor Bedingungseintritt gegenüber Erwerber nach § 986 Abs. 2 BGB • Bei Bedingungseintritt Unwirksamkeit zwischenzeitlicher Verfügungen nach § 161 Abs. 1 BGB • Gutgläubiger Erwerb nach § 161 Abs. 3 BGB zwar grundsätzlich möglich, aber bei Besitz des Käufers nach § 936 Abs. 3 BGB ausgeschlossen

  40. Beispiel: K hat sich mal wieder einen Pkw von V bei Raten-zahlung unter Eigentumsvorbehalt gekauft und ist eigentlich ganz zufrieden mit seinem neuen Auto. Er ahnt nicht, daß V den Wagen schon bald an den D veräußert hat. V hatte dem D erzählt, daß er den Wagen dem K geliehen hätte, und dem D den Wagen unter Abtretung seines Herausgabean-spruchs gegen K übereignet. D verlangt nun den Wagen von K heraus. Zurecht? Wie ist die Rechtslage nach Zahlung der letzten Rate?

  41. bb) Der Besitzschutz des Anwartschaftsberechtigten und sein Recht zum Besitz • Anwartschaftsberechtigter Käufer ist unmittelbarer Fremdbesitzer • Aus dem Kaufvertrag gegenüber Verkäufer zum Besitz berechtigt • Darüberhinaus absolutes Recht zum Besitz? Beispiel: K hat von V Fahrrad unter Eigentumsvorbehalt bis zur vollständigen Kaufpreiszahlung erworben. K ahnte nichts davon, dass V das Fahrrad nicht gehörte, sondern dass dieser es bloß vom wahren Eigentümer E geliehen hatte. Kann E das Fahrrad nun von K herausverlangen?

  42. Für ein absolutes Recht zum Besitz: • Anwartschaftsrecht als Vorstufe des Eigentums • Schutz des Guten Glaubens unabhängig davon, ob Erwerb des Vollrechts oder des Anwartschaftsrechts • Besitzrecht des Eigentümers erlischt sowieso bei Bedingungseintritt • Bei demnächstigen Bedingungseintritt:doloagitquipetitquodstatimrediturusest Gegen ein absolutes Recht zum Besitz: • Anwartschaftsrecht vom Kaufvertrag abhängig • Grundsätzlich bloß relative Wirkung von Verträgen • Eigentum besteht bis Bedingungseintritt weiter • Gesetzlicher Schutz der §§ 160 ff. BGB abschließend

  43. cc) Der Schutz des Anwartschaftsberechtigten entsprechend §§ 985, 987 ff. BGB Beispiel: K hat von V im April 2012 einen VW-Golf bei Ratenzahlung unter Eigentumsvorbehalt ge-kauft. Die Beziehung zu seinem neuen Wagen wurde allerdings schon bald von D empfindlich gestört, der den Wagen klaute und ohne Papiere an den X veräußerte. X fuhr einige Monate mit dem Auto. Bei einem kleinen Unfall mit seinem Gartentor entstand zudem ein Lackschaden. Welche Ansprüche haben K und V gegen X?

  44. Problem: Zwei Anspruchsinhaber, aber nur eine Verpflichtung zur Zahlung Lösungsmöglichkeiten: • Teilgläubigerschaft gemäß dem Verhältnis der getilgten Raten zum offenen Kaufpreisanspruch zur Zeit der Entstehung des Anspruchs (BGHZ 55, 20, 32) • Anspruch steht dem Eigentümer zu und Anwartschaftsberechtigter erhält durch dingliche Surrogation ein Anwartschaftsrecht daran; Geltendmachung entsprechend § 1281 BGB (a.A. § 432 BGB) • Differenzierung: Nutzungen stehen Anwartschaftsbe-rechtigtem zu, Teilung bei Schadensersatzansprüchen

  45. dd) Das Anwartschaftsrecht als „sonstiges Recht“ iSd § 823 Abs. 1 BGB Beispiel: K hat sich im „Bin-doch-nicht-schlau“-Markt einen neuen Flachbildschirm zu 1000 Euro bei Raten-zahlung unter Eigentumsvorbehalt gekauft. Als er schon 600 Euro abbezahlt hatte, stieß auf einer Party der Gast G aus Versehen den Fernseher um, so dass ein Schaden von 300 Euro entstand. Wie ist die Rechtslage? Problem: An wen ist der Schadensersatz zu leisten? • BGH: anteilig je nach ausstehender Summe, aber: • Zahlreiche weitere Lösungen in der Literatur!

  46. ee) Die Drittwiderspruchsklage des Anwartschaftsberechtigten in der Zwangsvollsteckung • Das AWR als „ein die Veräußerung hinderndes Recht“ im Sinne des § 771 Abs. 1 ZPO • Pfändung der Sache grds. ausgeschlossen, wenn sie sich beim Vorbehaltskäufer befindet, da Gewahrsam erforderlich (§ 808 Abs. 1 ZPO), aber: Beispiel: A hat sich einen Pkw bei Ratenzahlung unter Eigentums-vorbehalt gekauft. Nun will er den Pkw als Sicherheit für einen Kredit verwenden und überträgt deshalb sein AWR an die B-Bank. Allerdings reicht der Kredit nicht zur Begleichung aller Schulden. Der Gläubiger G des A be-treibt deshalb die Zwangsvollstreckung in den Pkw. Was kann die B-Bank tun?

  47. Literaturhinweise: • Armgardt, Das Anwartschaftsrecht - dogmatisch unbrauchbar, aber examensrelevant, JuS 2010, 486 ff. • Harke, Anwartschaftsrecht als Pfandrecht, JuS 206, 385 ff. • Leible/Sosnitza, Grundfälle zum Recht des Eigentumsvorbehalts, JuS 2001, 244 ff., 341 ff., 449 ff., 556 ff. (Leider nicht mehr ganz aktuell) • Leyendecker, Grundfälle zur Drittwiderspruchsklage gem. § 771 ZPO - Teil I, JA 2010, 725 ff. • Lorenz, Grundwissen - Zivilrecht: Der Eigentumsvorbehalt, Jus 2011, 199 ff. • Lux, Das Anwartschaftsrecht bei bedingter Übereignung - bloßes Sprachkürzel oder eigenständiges absolutes Recht?, Jura 2004, 145 ff. • Mülbert, Das inexistente Anwartschaftsrecht und seine Alternativen, AcP 202 (2002), 912 ff. • Rahak, Die Rücktrittsfiktion des § 508 II 5 BGB im Rahmen der Einzelzwangsvollstreckung, JA 2011, 101 ff.

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