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Berliner Räumung und Sicherungsanordnung Prof. Dr. Arnold Lehmann-Richter, HWR Berlin

Berliner Räumung und Sicherungsanordnung Prof. Dr. Arnold Lehmann-Richter, HWR Berlin. 1. Berliner Räumung. Dr. Arnold Lehmann-Richter. Einführung: „Preußische Räumung“ nach § 885 ZPO. Die Vollstreckung eines Titels auf Herausgabe einer Wohnung erfolgt nach § 885 ZPO wie folgt:

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Berliner Räumung und Sicherungsanordnung Prof. Dr. Arnold Lehmann-Richter, HWR Berlin

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  1. Berliner Räumung und Sicherungsanordnung Prof. Dr. Arnold Lehmann-Richter, HWR Berlin

  2. 1. Berliner Räumung Dr. Arnold Lehmann-Richter

  3. Dr. Arnold Lehmann-Richter Einführung: „Preußische Räumung“ nach § 885 ZPO Die Vollstreckung eines Titels auf Herausgabe einer Wohnung erfolgt nach § 885 ZPO wie folgt: 1. Schlossaustausch: Gerichtsvollzieher überträgt den Besitz vom Schuldner (Mieter) auf den Gläubiger (Vermieter), § 885 Abs. 1 ZPO. 2. Wegschaffen des Mobiliars durch Gerichtsvollzieher, § 885 Abs. 2 ZPO. Anschließend Verwahrung/Veräußerung/Vernichtung. 3. Kostenproblem: Für die Maßnahme nach § 885 Abs. 2 ZPO muss der Gläubiger hohen Kostenvorschuss leisten.

  4. § 885a ZPO: Die „Berliner Räumung“ in der ZPO 1. Vermieter stellt beschränkten Vollstreckungsauftrag. 2. Gerichtsvollzieher tauscht deshalb nur das Schloss aus. 3. Vermieter nimmt aufbewahrungswürdiges Räumungsut in Verwahrung. Wenn es der Mieter nicht binnen einen Monats abholt, kann der Vermieter sich der Sachen entledigen: - nicht verkaufsfähige Sachen werden entsorgt; - alle anderen Sachen nach den Regeln über die Hinterlegung verwertet (öffentliche Versteigerung). 3. Kosten der Verwahrung/Verwertung trägt der Mieter. Dr. Arnold Lehmann-Richter

  5. Gesetzliche Regelung der sog. Berliner Räumung (§ 885a ZPO) - § 885a ZPO ist die Umsetzung der sog. Berliner Räumung nach § 885 ZPO a.F. bei der wegen eines (vermeintlichen) Vermieterpfandrechts die Vollstreckung auf den Besitzwechsel beschränkte. - § 885a ZPO verankert dieses Praxismodell im geschriebenen Recht und regelt auch die – bisher im Detail umstrittenen – Rechtsfolgen, welche Rechte und Pflichten den Gerichtsvollzieher und den Gläubiger (Vermieter) beim Umgang mit dem in der Wohnung verbliebenen Räumungsgut treffen. - § 885a ZPO enthält vollstreckungsrechtliche, vor allem aber materiell-rechtliche Regeln. Dr. Arnold Lehmann-Richter

  6. § 885a ZPO: Verfassungsmäßigkeit - Besitz am Räumungsgut wird vom Schuldner auf den Gläubiger übertragen, obwohl der Gläubiger keinen (titulierten) Anspruch auf Herausgabe dieser Sachen hat. Entledigung des Räumungsguts wird dem Gläubiger überlassen. - Dies wirft die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Norm auf (Art. 14 GG [Eigentum]; Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG [Rechtsstaatsprinzip]; Art. 33 Abs. 4 GG [staatlicher Funktionsvorbehalt]). - Im Ergebnis sind verfassungsmäßige Bedenken unbegründet (näher Lehmann-Richter NZM 2014, 257) Dr. Arnold Lehmann-Richter

  7. Fall 1: Dokumentationspflicht Fall 1: V beantragt Räumung nach § 885a ZPO. Im Räumungstermin findet der Gerichtsvollzieher eine vollständig möblierte Wohnung vor. Er fragt sich, ob er verpflichtet ist, die Einbauschränke zu öffnen und deren Inhalt zu dokumentieren. Rechtsgrundlage: § 885a Abs. 2 ZPO: Der Gerichtsvollzieher hat in dem Protokoll (§ 762) die frei ersichtlichen beweglichen Sachen zu dokumentieren, die er bei der Vornahme der Vollstreckungshandlung vorfindet. Er kann bei der Dokumentation Bildaufnahmen in elektronischer Form herstellen. Dr. Arnold Lehmann-Richter

  8. Fall 1: Dokumentationspflicht Lösung: Der Umfang der Dokumentationspflicht ist umstritten. Richtigerweise hat der Gerichtsvollzieher sämtliche für die Wertschätzung des Räumungsguts wesentlichen Sachen schriftlich zu protokollieren. (Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter § 885a ZPO Rn. 15ff.; a.A. Lützenkirchen, MietR 2013, Anh § 546 Rn. 82). Zusatzfrage: Welche Rechtsfolgen hat ein Verstoß gegen die Dokumentationspflicht? - Gläubiger oder Schuldner können Erinnerung nach § 766 ZPO einlegen. - Der Gerichtsvollzieher verstößt gegen eine Amtspflicht, so dass ein Amtshaftungsanspruch in Betracht kommt. Dr. Arnold Lehmann-Richter

  9. Fall 2: Verwahrung Fall 2: V findet eine vollmöblierte Wohnung vor. Er möchte das Mobiliar in den Keller räumen, vorher aber folgendes entsorgen, weil er es für wertlos hält: - Kleidung des Mieters; - Fotoalben des Mieters; - Putzuntensilien. Darf V so vorgehen? Rechtsgrundlage: § 885a Abs. 3 ZPO (Auszug): Der Gläubiger kann bewegliche Sachen jederzeit wegschaffen und hat sie zu verwahren. Bewegliche Sachen, an deren Aufbewahrung offensichtlich kein Interesse besteht, kann er jederzeit vernichten. Dr. Arnold Lehmann-Richter

  10. Fall 2: Verwahrung Lösung: Eine sofortige Vernichtung ist nur erlaubt, wenn die Sachen sich nicht mehr für eine Verwendung durch den Schuldner eignen. Dies ist insbesondere bei Müll, aber auch bei wertlosen oder völlig abgenutzten Gebrauchsgegenständen der Fall, die jedermann ohne nähere Überlegung sofort entsorgen würde (vgl. OLG Zweibrücken MDR 1998, 240: Schrott, Altreifen, Altöl und sonstigen Unrat). Kontrollfrage: Hätte ein verständiger Mieter bei seinem Umzug diesen Gegenstand mitgenommen? In Fall 2 kommt daher nur bei den Putzuntensilien eine Entsorgung in Betracht (Einzelfallabwägung). Dr. Arnold Lehmann-Richter

  11. Fall 3: Entledigung Fall 3: In Fall 2 hat V das Räumungsgut in den Keller geschafft. Als sich M nach mehreren Monaten nicht gemeldet hat, holt V den Kostenvoranschlag eines Entrümpelungsunternehmens ein. Darf V das Unternehmen mit der Entrümpelung beauftragen? Rechtsgrundlage: § 885a Abs. 4 ZPO (Auszug) Fordert der Schuldner die Sachen beim Gläubiger nicht binnen einer Frist von einem Monat nach der Einweisung des Gläubigers in den Besitz ab, kann der Gläubiger die Sachen verwerten. Die §§ 372 bis 380, 382, 383 und 385 des BGB sind entsprechend anzuwenden. Sachen, die nicht verwertet werden können, können vernichtet werden. Dr. Arnold Lehmann-Richter

  12. Fall 3: Entledigung Lösung: Nur Sachen, die nicht durch Verkauf verwertet werden können, darf V vernichten. Ansonsten muss er nach den Regeln über die Hinterlegung vorgehen: - Geld und Kostbarkeiten hat er zu hinterlegen (§ 372 BGB: Geld, Wertpapiere und sonstige Urkunden sowie Kostbarkeiten kann der Schuldner bei einer dazu bestimmten öffentlichen Stelle hinterlegen); - andere Sachen hat er öffentlich versteigern zu lassen und den Erlös zu hinterlegen (§ 383 BGB: Ist die geschuldete bewegliche Sache zur Hinterlegung nicht geeignet, so kann der Schuldner sie versteigern lassen und den Erlös hinterlegen). Die Versteigerung führt dazu, dass der Herausgabeanspruch des M auf den Erlös gerichtet ist (Surrogation); durch Hinterlegung erlischt der Anspruch auf Erlösherausgabe. Dr. Arnold Lehmann-Richter

  13. Fall 4: Eigentumserwerb I Fall 4: In Fall 2 beauftragt V einen öffentlich bestellten Versteigerer mit der Verwertung des Mobiliars. X, der die Herkunft des Mobiliars kennt, erhält den Zuschlag für einen Kleiderschrank. Als M davon erfährt, verlangt er von X Herausgabe des Schrankes. Rechtsgrundlage: § 383 BGB (Auszug):Ist die Sache zur Hinterlegung nicht geeignet, so kann der Schuldner sie am Leistungsort versteigern lassen. Die Versteigerung hat durch einen für den Versteigerungsort bestellten Gerichtsvollzieher oder zu Versteigerungen befugten anderen Beamten oder öffentlich angestellten Versteigerer öffentlich zu erfolgen (öffentliche Versteigerung). Zuständig für die Versteigerung sind GerVollz, Notare und Personen nach § 34b V GewO, vgl. BGH NJW 1990, 899. Dr. Arnold Lehmann-Richter

  14. Fall 4: Eigentumserwerb I Lösung: X hat von V nach § 929 BGB Eigentum erworben. V handelt – im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt – bei der Übereignung als hierzu Berechtigter (der Versteigerer ist sein Vertreter, vgl. § 445 BGB). § 445 BGB: Wird eine Sache auf Grund eines Pfandrechts in einer öffentlichen Versteigerung unter der Bezeichnung als Pfand verkauft, so stehen dem Käufer Rechte wegen eines Mangels nur zu, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat. Dr. Arnold Lehmann-Richter

  15. Fall 5: Erlösverrechnung Fall 5: In Fall 2 wird durch die öffentliche Versteigerung 3.000 Euro erlöst. Der anwesende M verlangt Herausgabe dieses Betrags. V will zuvor die Kosten der Versteigerung sowie noch zwei offene Monatsmieten abziehen. Zu Recht? Rechtsgrundlage: § 386 BGB (Auszug): Die Kosten der Versteigerung fallen dem Gläubiger zur Last. § 387 BGB: Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teiles aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann. Dr. Arnold Lehmann-Richter

  16. Fall 5: Erlösverrechnung Lösung: V hat Recht. Er hat gegen M einen fälligen Anspruch auf Erstattung der Versteigerungskosten und auf Mietzahlung. Mit diesen Ansprüchen kann er gegen den Anspruch des M aus § 985 BGB auf Herausgabe des Erlöses (Surrogation, siehe Lösung Fall 3) aufrechnen. Unschädlich ist, dass der Anspruch des M auf Herausgabe des Erlöses und der des Vermieters auf Zahlung gerichtet ist; bei wertender Betrachtung sind die Forderungen „gleichartig“ gemäß § 387 BGB (vgl. BGH NJW-RR 1989, 173). Dr. Arnold Lehmann-Richter

  17. Fall 6: Eigentumserwerb II Fall 6: In Fall 2 inseriert V das Räumungsgut zum Verkauf. Es meldet sich Z, dem V erklärt, es handele sich um ihm gehörenden Sperrmüll, worauf Z den Küchentisch kauft. Auch N, der frühere Nachbar des M erscheint und erwirbt einen Kleiderschrank, von dem er weiß, dass er dem M gehört. V erklärt ihm aber, der Verkauf sei aufgrund einer Gesetzesänderung gestattet. Als M davon erfährt, verlangt er von Z und N Herausgabe. Dr. Arnold Lehmann-Richter

  18. Fall 6: Eigentumserwerb II Lösung: Der eigenhändige Verkauf unter Missachtung von § 383 BGB ist rechtswidrig. Z und N können daher nur gutgläubig Eigentum erworben haben, §§ 929, 932 BGB. § 935 BGB sperrt nicht, weil ein Abhandenkommen ausscheidet, wenn die Sache – wie bei § 885a ZPO - dem Besitzer auf Grund eines rechtmäßigen staatlichen Hoheitsaktes weggenommen wurde (Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter § 885a Rn 45). N hat nicht nach § 932 BGB erworben, weil die Norm nur den guten Glauben in das Eigentum, nicht aber in die Verfügungsbefugnis des Veräußerers schützt (MüKo/Oechsler § 932 Rn 14). Bei Z, der auf die Eigentümerstellung des V vertraut, ist entscheidend, ob er gutgläubig war. Das ist eine Frage des Einzelfalls; gutgläubig ist er nicht, wenn sich ihm hätte aufdrängen müssen, dass V nicht Eigentümer ist (vgl. Palandt/Bassenge § 935 Rn. 10). Dr. Arnold Lehmann-Richter

  19. Fall 7: Haftung I Fall 7: V findet eine vollmöblierte Wohnung vor. Er entsorgt sofort die unverkäufliche Kleidung des Mieters, in der Annahme, hierzu berechtigt zu sein. Die restlichen Sachen bringt er in den Keller. Dabei geht eine Glaslampe zu Bruch, weil V ausrutscht. M verlangt Schadensersatz. Rechtsgrundlage: § 885a Abs. 3 ZPO (Auszug): Der Gläubiger kann bewegliche Sachen jederzeit wegschaffen und hat sie zu verwahren. Bewegliche Sachen, an deren Aufbewahrung offensichtlich kein Interesse besteht, kann er jederzeit vernichten. Der Gläubiger hat hinsichtlich der Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 nur Vorsatz und grobeFahrlässigkeit zu vertreten. Dr. Arnold Lehmann-Richter

  20. Fall 8: Haftung I Lösung: § 885a Abs. 3 ZPO begründet zwischen M und V ein gesetzliches Schuldverhältnis, auf das § 280 BGB anwendbar ist (Lehmann-Richter NZM 2013, 260). V hat zwei Pflichtverletzungen begangen, da § 885a ZPO weder die sofortige Vernichtung der Kleidung noch die Beschädigung der Lampe gestattet. Allerdings hat V nach § 885a Abs. 3 S. 3 ZPO nur Vorsatz und grobeFahrlässigkeit zu vertreten. Für die Beschädigung der Lampe haftet er daher nicht (Einzelfallwertung). Etwas anderes gilt für die Kleidungsstücke. Denn V hätte sich durch einen einfachen Blick in das Gesetz darüber informieren können, dass er diese Sachen nicht sofort vernichten durfte. Dr. Arnold Lehmann-Richter

  21. Fall 8: Haftung II Fall 8: V fordert den M fruchtlos auf, sein Mobiliar abzuholen. Dann verkauft er es eigenhändig ohne öffentliche Versteigerung. M verlangt Schadensersatz für den Verlust des nicht mehr auffindbaren Mobiliars. Haftet V, wenn er irrigerweise davon ausging, er sei zum eigenhändigen Verkauf berechtigt gewesen? Rechtsgrundlage: § 885a Abs. 4 ZPO, der die Verwertung der verwahrten Sachen regelt, enthält keine Haftungsmodifizierung. § 300 Abs. 1 BGB: „Der Schuldner hat während des Verzugs des Gläubigers nur Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zu vertreten.“ Dr. Arnold Lehmann-Richter

  22. Fall 8: Haftung II Lösung: Anspruchsgrundlage ist § 280 BGB. Die Weggabe des Mobiliars durch eigenhändigen Verkauf ist eine Pflichtverletzung, weil § 885a ZPO dieses Vorgehen nicht gestattet. Zwar hat V wegen des Annahmeverzugs des M – ein wörtliches Angebot genügte, weil M die Sachen abholen muss, § 295 BGB – nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. Richtigerweise handelte V aber grob fahrlässig, weil er den Blick ins Gesetz zwecks Ermittlung der zulässigen Verwertungsmethoden unterlassen hat (Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter § 885a Rn 50; aA OLG Köln NJW-RR 1995, 53). Dr. Arnold Lehmann-Richter

  23. Fall 9: Kosten Fall 9: V lässt das Mobiliar für einen Monat in der Wohnung. Dann bringt er es selbst in den Keller, mit dem Transport eines Klaviers beauftragt er X. Nach 4 Monaten lässt er alles öffentlich versteigern. Er fragt, ob/wie er von M Erstattung folgender Kosten verlangen kann: 1. “Miete” für die Wohnung und Keller; 2. Vergütung des X; 3. Vergütung für eigene Umzugsleistungen. Rechtsgrundlagen: § 885a Abs. 7 ZPO:Die Kosten nach den Absätzen 3 und 4 gelten als Kosten der Zwangsvollstreckung. § 788 Abs. 1 ZPO (Auszug): Die Kosten der Zwangsvollstreckung fallen, soweit sie notwendig waren (§ 91), dem Schuldner zur Last. Dr. Arnold Lehmann-Richter

  24. Fall 9, Ersatz nach § 885a Abs. 7 ZPO: 1. §§ 885a Abs. 7, § 788 ZPO ermöglichen es dem V, “Kosten der Zwangsvollstreckung” festsetzen zu lassen. 2. “Kosten” = Aufwendungen des Gläubigers (vgl. BGH NJW 2006, 1598). 3. „Aufwendungen“ = freiwillige Vermögensopfer (vgl. BGH NJW 2011, 1726). Selbstkosten sind danach keine Aufwendungen. 4. Zwischenergebnis: Eigene Arbeitsleistung und „Miete“ fallen nicht unter § 885a Abs. 7 ZPO. Anders nur, wenn V wegen Verwahrung auf Mieteinnahmen verzichtet hätte. 5. Erstattungsfähig könnte aber an X gezahlte Vergütung, sein. Problem: Notwendige Kosten? Zweifelhaft, weil V nach Ablauf der Wartefrist von einem Monat auch sofort zur Verwertung hätte schreiten können (Einzelfallbewertung). Dr. Arnold Lehmann-Richter

  25. Fall 9, Ersatzanspruch nach materiellem Recht: 1. Anspruch auf Ersatz der Selbstkosten (eigene Arbeitsleistung und „Miete“) richtet sich nach materiellem Recht. 2. Anspruchsgrundlagen: § 546a I BGB: Gibt der Mieter die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses nicht zurück, so kann der Vermieter für die Dauer der Vorenthaltung als Entschädigung die vereinbarte Miete oder die Miete verlangen, die für vergleichbare Sachen ortsüblich ist. § 354 I HGB (Auszug): Wer in Ausübung seines Handelsgewerbes einem anderen Dienste leistet, kann dafür auch ohne Verabredung Provision und, wenn es sich um Aufbewahrung handelt, Lagergeld nach den an dem Orte üblichen Sätzen fordern. Dr. Arnold Lehmann-Richter

  26. 2. Sicherungsanordnung (§ 283a ZPO) Dr. Arnold Lehmann-Richter

  27. Zweck der Neuregelung (BR-Drs. 313/12) „Infolge der Dauer des Räumungsprozesses summieren sich häufig erhebliche Zahlungsausfälle. Ist der Mieter zahlungsunfähig, lassen sie sich am Ende nicht mehr realisieren. Das neue Instrument der Sicherungsanordnung soll den tatsächlichen Wert des Titels über die bis zum Urteil aufgelaufenen und fällig gewordenen Forderungen sichern. Es mindert den Anreiz, den Zivilprozess als Instrument zu missbrauchen, den Ausgleich einer berechtigten Geldforderung zu verzögern. Vermieter sind davon in besonderer Weise betroffen, weil sie auch dann weiter leistungspflichtig bleiben, wenn der Mieter seine Zahlungspflicht verletzt.“ Dr. Arnold Lehmann-Richter

  28. § 283a Sicherungsanordnung (Auszug) (1) Wird eine Räumungsklage mit einer Zahlungsklage aus demselben Rechtsverhältnis verbunden, ordnet das Prozessgericht auf Antrag des Klägers an, dass der Beklagte wegen der Geldforderungen, die nach Rechtshängigkeit der Klage fällig geworden sind, Sicherheit zu leisten hat, soweit 1. die Klage auf diese Forderungen hohe Aussicht auf Erfolg hat und 2. die Anordnung nach Abwägung der beiderseitigen Interessen zur Abwendung besonderer Nachteile für den Kläger gerechtfertigt ist. Hinsichtlich der abzuwägenden Interessen genügt deren Glaubhaftmachung. Gegen die Entscheidung über die Sicherungsanordnung findet die sofortige Beschwerde statt. (2) Der Beklagte hat die Sicherheitsleistung binnen einer vom Gericht zu bestimmenden Frist nachzuweisen. (3) Soweit der Kläger obsiegt, ist in einem Endurteil oder einer anderweitigen den Rechtsstreit beendenden Regelung auszusprechen, dass er berechtigt ist, sich aus der Sicherheit zu befriedigen. (4) Soweit dem Kläger nach dem Endurteil oder nach der anderweitigen Regelung ein Anspruch in Höhe der Sicherheitsleistung nicht zusteht, hat er den Schaden zu ersetzen, der dem Beklagten durch die Sicherheitsleistung entstanden ist. § 717 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend. Dr. Arnold Lehmann-Richter

  29. Ablauf der Sicherungsanordnung (Grobschema) 1. Räumungs- und Zahlungsklage 2. Antrag auf Sicherungsanordnung 3. Gericht entspricht Antrag wegen der nach Rechtshängigkeit fällig gewordenen Geldforderungen, wenn - Zahlungsklage hohe Aussicht auf Erfolg hat; - Sicherungsanordnung zur Abwendung besonderer Nachteile gerechtfertigt ist. 4a. Wenn Mieter die Sicherheitsleistung dem Gericht nachweist, so - ist bei (teilweisem) Obsiegen des Vermieters im Endurteil auszusprechen, dass er berechtigt ist, sich aus der Sicherheit zu befriedigen; - anderenfalls hat Vermieter den Schaden zu ersetzen, der dem Mieter durch die Sicherheitsleistung entstanden ist. 4b. Wenn Mieter die Sicherheitsleistung nicht nachweist, darf die Räumung von Wohnraum durch einstweilige Verfügung angeordnet werden, § 940a Abs. 3 ZPO. Daneben soll Vermieter auch vollstrecken können. Dr. Arnold Lehmann-Richter

  30. Bisherige Rechtsprechung: LG Berlin NJW 2014, 1188 Tatbestand: Die Miete beträgt 1.290 EUR monatlich. Räumungs- und Zahlungsklage (Juli/August 2011) am 9.12.2011 rechtshängig geworden. Am 23.5.2013 Klageerweiterung auf Nutzungsentschädigung bis einschließlich Mai 2013. Die Beklagten wenden Minderungsrechte wegen diverser Mängel ein. 7.5.2013 Antrag nach § 283a ZPO für die nach Rechtshängigkeit fällig gewordenen Nutzungsentschädigungen sowie fortlaufend ab dem Monat Juni 2013. Glaubhaftmachung durch eidesstattliche Versicherung des Hausverwalters, wegen der mittels Darlehen erfolgten Finanzierung der streitgegenständlichen Wohnung sei sie auf die ausbleibenden Mieteinnahmen angewiesen. Dr. Arnold Lehmann-Richter

  31. Bisherige Rechtsprechung: LG Berlin NJW 2014, 1188 Entscheidung: Der Antrag wird abgewiesen. 1. Sicherheit kann nur für eingeklagte Ansprüche erfolgen. Eingeklagt sind aber nur Ansprüche bis 5/13. 2. Auch im Übrigen ist der Antrag unbegründet, weil es an der notwendigen "hohen Erfolgsaussicht“ fehlt. Ob diese gegeben ist, kann nicht vor dem weitestgehenden Abschluss einer Beweisaufnahme über die gerügten Mängel beurteilt werden. Zudem fehlt es an dem besonderen Nachteil. Es ist nicht erkennbar, in welcher Höhe das Darlehen valutiert und welche Raten hierauf zu erbringen sind; die Vermögensverhältnisse der gewerblich als Vermieterin tätigen Klägerin sind ebenso wenig dargelegt wie die Auswirkung der ausbleibenden Mietzahlungen auf ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Ganzen. Dr. Arnold Lehmann-Richter

  32. Bisherige Rechtsprechung: AG Dortmund (3.2.2014, 425 C 533/14, juris) Tatbestand: Mit Klage vom 14. Januar 2014 wird beantragt, die Beklagte zur Räumung der Wohnung sowie zur Zahlung von Mietrückständen für die Monate September bis Dezember 2013 sowie Januar 2014 zu verurteilen. Ferner hat die Klägerin für die fällig werdenden weiteren Mieten Sicherungsanordnung beantragt. Schließlich hat die Klägerin für den Fall, dass die Beklagte gegen die Sicherungsanordnung verstößt, die Durchsetzung der Räumung im Wege der einstweiligen Verfügung beantragt. Dr. Arnold Lehmann-Richter

  33. Bisherige Rechtsprechung: AG Dortmund (3.2.2014, 425 C 533/14, juris) Entscheidung: Der Antrag wird zurückgewiesen. Eine Sicherungsanordnung darf nur für Ansprüche ergehen, die „fällig geworden sind“. Das bedeutet, dass sie nicht für zukünftig fällig werdende Ansprüche ergehen darf. Eine Sicherungsanordnung für alle bis zur Räumung fällig werdenden Ansprüche ist deshalb nicht möglich (ebenso AG LangenfeldNJW 2014, 710). Dr. Arnold Lehmann-Richter

  34. Bisherige Rechtsprechung: OLG Celle NJW 2013, 3316. Tatbestand: Die Parteien streiten um die Räumung von Geschäftsräumen und Zahlung rückständiger Miete. Die Klägerin beantragt den Erlass einer Sicherungsanordnung nach § 283a Abs. 1 ZPO für 10 Monatsmieten in Höhe von insgesamt 263.860 Euro. Sie trägt vor, ihr drohe eine Blockierung ihrer Einnahmen, da sie sich in dem Darlehensvertrag verpflichtet habe, eine festgelegte Grenze des Schuldendienstdeckungsgrads (Debt Service Coverage Ratio, DSCR) von 175 % nicht zu unterschreiten, d.h. die Mieteinnahmen müssten 175 % des zu leistenden Schuldendienstes betragen; aufgrund der Nichtzahlung der Beklagten lägen sie jedoch lediglich bei 172,63 % (bei Zahlung/Sicherheitsleistung hingegen bei 175,31 %). Auch wenn die monatliche Miete der Beklagten lediglich 4 % der Gesamtmieteinnahmen der Klägerin ausmache, so könne auch eine Miete, die in Relation zur Gesamtmietfläche bzw. zu den Gesamtmieteinnahmen vergleichsweise niedrig sei, erhebliche wirtschaftliche Verluste hervorrufen. Dr. Arnold Lehmann-Richter

  35. Bisherige Rechtsprechung: OLG Celle NJW 2013, 3316. Entscheidung: Die Sicherungsanordnung dient vor allem dem Schutz von Privatvermietern. Der Kläger muss darlegen, dass ihm der Ausfall der im Prozessverlauf fällig gewordenen Mietforderungen bzw. Ansprüche auf Nutzungsentschädigung besondere wirtschaftliche Nachteile zufügen würde, etwa weil er auf die Mieteinnahmen aus der streitgegenständlichen Wohnung zur Sicherung seiner Altersversorgung angewiesen ist. Das allgemeine Prozessrisiko eines jeden Gläubigers, die Forderung nicht realisieren zu können, reicht nicht aus. Die Klägerin hat nicht hinreichend konkret dargelegt, dass ihr der Ausfall der zu sichernden Forderung in Höhe von 263.860,00 Euro besondere wirtschaftliche Nachteile, die über das allgemeine Zahlungsausfallrisiko bzw. Prozessrisiko hinausgehen, zufügen würde. Dr. Arnold Lehmann-Richter

  36. Sicherungsanordnung Fall 1: Vertragsende am 30.10. V erhebt Räumungs- und Zahlungsklage, die Zahlungsklage betrifft die Miete für Oktober. Er beantragt Sicherungsanordnung wegen der nach Klagezustellung fällig werdenden Nutzungsentschädigung. Lösung: Ohne Erfolg. Denn die Forderung, für die eine Sicherungsanordnung begehrt wird, muss Gegenstand der (Hauptsache)klage sein (Arg. § 283a Abs. 1 Nr. 1 ZPO „..die Klage auf diese Forderungen hohe Aussicht auf Erfolg…“). Dr. Arnold Lehmann-Richter

  37. Sicherungsanordnung Fall 2: Vertragsende am 30.10. V erhebt Räumungsklage, die am 20.11. zugestellt wird. Am 8.12. erweitert er die Klage um die Nutzungsentschädigung für Nov. und Dez. und beantragt insoweit Sicherungsanordnung. Lösung: Hier ist nur die „Dezembermiete“ Gegenstand der (Hauptsache)klage. Insoweit könnte Sicherungsanordnung ergehen. Dr. Arnold Lehmann-Richter

  38. Sicherungsanordnung Fall 3: Vertragsende (Miete: 300 Euro) am 30.10. V erhebt Räumungsklage und Klage auf zukünftige Leistung (§ 259 ZPO), die am 20.11. zugestellt wird. Das Gericht entscheidet am 15.1. über die Sicherungsanordnung. Lösung: Die Klage nach § 259 ZPO führt zur Rechtshängigkeit des Zahlungsanspruchs. Dennoch kann nach wohl h.M. für die nach dem 15.1. fällig werdende Nutzungsentschädigung keine Sicherungsanordnung ergehen, weil diese Ansprüche nicht fällig sind (AG Langenfeld NJW 2014, 710; Börstinghaus NJW 2013, 3265; Schmidt-Futterer/Streyl § 283a ZPO Rn. 15/47). Dr. Arnold Lehmann-Richter

  39. Sicherungsanordnung Fall 4: M verteidigt sich gegen den Zahlungsanspruch mit einer substantiierten Mängelrüge, die im Hauptsacheverfahren zu einer Beweiserhebung führt. Lösung: Die Zahlungsklage muss „hohe Aussicht auf Erfolg haben“ (ein der ZPO bislang unbekannter Begriff). Definition umstritten: - „Hohe Wahrscheinlichkeit“ (Hinz ZMR 2012, 162) - „ähnliches Überzeugungsmaß wie Vollbeweis“ (S-F/Streyl Rn. 19) Streitig ist, ob Beweisgebote vollständig ausgeschöpft sein müssen. Jedenfalls darf Gericht Grundlage für Prognose nur mit Mitteln des Strengbeweises gewinnen. In Fall 4 kann ohne Beweiserhebung keine Sicherungsanordnung ergehen (ebenso LG Berlin NJW 2014, 1188). Dr. Arnold Lehmann-Richter

  40. Sicherungsanordnung Fall 5: M verteidigt sich gegen den Zahlungsanspruch nicht. V trägt vor, er sei auf die Zahlung finanziell angewiesen. Lösung: Die Sicherungsanordnung muss zur Abwendung besonderer Nachteile gerechtfertigt sein; dies ist glaubhaft zu machen. OLG Celle NJW 2013, 3316: Nicht ausreichend ist es, wenn 4% der Gesamtmiete eines Objekts betroffen ist und Vermieter weder Zahlungsunfähigkeit noch Insolvenzgefahr glaubhaft macht (Geschäftsraum, Großvermieter). Ähnlich LG Berlin NJW 2014, 1188. Dr. Arnold Lehmann-Richter

  41. Sicherungsanordnung Fall 6: M ist zur Sicherungsleistung verurteilt worden. Wie muss er diese erbringen? Problem: Handelt es sich um eine prozessuale (dann § 108 ZPO, Zöller/Greger § 283a Rn. 6) oder materiell-rechtliche Sicherheit (dann § 232 BGB, S-F/Streyl Rn. 37; BT-Drs. 17/10485)? § 108 ZPO: Gericht bestimmt nach freiem Ermessen, sonst Bankbürgschaft oder Hinterlegung von Geld. § 232 BGB lässt im Wesentlichen nur die Hinterlegung von Geld bzw. Realsicherheiten zu, Bürgschaft nur, wenn „Sicherheit nicht in dieser Weise geleistet werden“ kann. Dr. Arnold Lehmann-Richter

  42. Sicherungsanordnung Fall 7: M ist zur Sicherungsleistung verurteilt worden. Welche Rechtsmittel hat er? Was kostet das Verfahren? Rechtsmittel ist die sofortige Beschwerde. Besondere Gerichts- und Anwaltskosten sollen nicht entstehen, das Verfahren soll Bestandteil des Hauptsacheverfahrens sein (BT-Drs. 17/10485, S. 12) Dr. Arnold Lehmann-Richter

  43. 3. Sicherungsanordnung: Einstweilige Räumungsverfügung Dr. Arnold Lehmann-Richter

  44. § 940a Räumung von Wohnraum (3) Ist Räumungsklage wegen Zahlungsverzugs erhoben, darf die Räumung von Wohnraum durch einstweilige Verfügung auch angeordnet werden, wenn der Beklagte einer Sicherungsanordnung (§ 283a) im Hauptsacheverfahren nicht Folge leistet. (4) In den Fällen der Absätze 2 und 3 hat das Gericht den Gegner vor Erlass einer Räumungsverfügung anzuhören. Dr. Arnold Lehmann-Richter

  45. Räumung wegen Sicherungsanordnung nach § 940a ZPO 1. Räumung von Wohnraum 2. Beklagte leistet Sicherungsanordnung nicht Folge 3. Vermieter erlangt vom Besitzerwerb des Dritten erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung Kenntnis Verfügungsanspruch = materiell-rechtlicher Anspruch auf Herausgabe, §§ 985, 546 II BGB Verfügungsgrund ist streitig: - § 940a Abs. 3 ZPO (S-F/Streyl § 940a ZPO Rn. 33) - allgemeiner Verfügungsgrund: Vermieter muss auf die sofortige Leistung dringend angewiesen sein (Zöller/Vollkommer § 940a ZPO Rn. 9) Dr. Arnold Lehmann-Richter

  46. Räumung wegen Sicherungsanordnung nach § 940a ZPO Fall 1: Wohnraummieter M leistet einer Sicherungsanordnung nicht Folge. V will einen Antrag auf Räumung durch einstweilige Verfügung stellen. Hinweise: - Neues Verfahren (Kosten!) - Glaubhaftmachung von Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund erforderlich - Nach wohl h.M. muss Sicherungsanordnung rechtskräftig sein Zöller/Vollkommer § 940a ZPO Rn. 9; a.A. S-F/Streyl § 940a ZPO Rn. 38) - Bestimmter „Zahlungsrückstand“ soll nicht erforderlich sein - Zahlung bis zur Entscheidung soll „heilende“ Wirkung haben Dr. Arnold Lehmann-Richter

  47. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Dr. Arnold Lehmann-Richter

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