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Sexueller Missbrauch in der Psychotherapie

Sexueller Missbrauch in der Psychotherapie. Seminar „Gesundheit und Krankheit“ von Dr. C. Eichenberg, WS 2005/2006; Referat von Nora Vetter. Gliederung. Umgang mit dem Tabu Tätertypologie Psychodynamik des Missbrauchs im Traumaverlauf Psychodynamische Scripts von Therapeuten

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Sexueller Missbrauch in der Psychotherapie

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Presentation Transcript


  1. Sexueller Missbrauch in der Psychotherapie • Seminar „Gesundheit und Krankheit“ von Dr. C. Eichenberg, WS 2005/2006; Referat von Nora Vetter

  2. Gliederung • Umgang mit dem Tabu • Tätertypologie • Psychodynamik des Missbrauchs im Traumaverlauf • Psychodynamische Scripts von Therapeuten • Folgeschäden • Anhaltspunkte/Regeln bei der therapeutischen Aufarbeitung • ExistentiellerSinnderSymptome • Typische Übertragungskonstellationen • ZeichenproduktivertherapeutischerVeränderung • Juristische Gesichtspunkte • Folgerungen für die Ausbildung

  3. Vielleicht können Sie mir helfen, mir wenigstens Mut geben, mit meiner Psychotherapeutin das zu besprechen, was in meiner letzten Psychotherapie geschehen ist - mit meinem damaligen Therapeuten. Ich war wohl die erste, die Gefühle empfand. Ersatzvatersuche allerdings. Hypnosetherapie. In Hypnose fütterte er mich mit Situationen: ich und er nackt auf einer Insel, Sex etc. Es dauerte nicht lange, daß er in Realität die Initiative ergriff und wir ein Verhältnis begannen. In einer Klinik. Ich war total durcheinander. Ich wollte das nicht. Es war meine erste Therapie. Er sagte immer, ich solle ihm vertrauen, es würde gut sein und so weiter... Ich hätte gehen sollen und können. Aber er war in meinen Augen der beste Therapeut... über die Wochenenden heimlich in seiner Wohnung. Versteckspielen in der Klinik. Ich haßte das. Zum zweiten Aufenthalt sagte ich: nein! Da läuft nichts. Er: Ganz oder gar nicht! Wieder hatte ich nicht den Mut zu gehen. Ich versuchte, wegzudriften, ES zu überstehen, um weiter Therapie machen zu können. Aber ich bin nicht gegangen. Und das hätte ich tun müssen! Für seinen extremen Arbeitsaufwand sollte ich ihm dankbar sein. Ich fuhr tatsächlich mit ihm weg. Urlaub. Unter der Bedingung: kein Sex! Ich vertraute ihm. Dann kam die Nacht, wo er es einfach tat, stundenlang, und ich nur dalag und mich auflösen mußte, wollte, und er immer weiter machte... Verstehen Sie, ich hab inkonsequent gehandelt. Vielleicht war mein Nein, mein Kampf und alles nicht deutlich genug. So was macht man nicht, wenn man nichts will von jemandem, mit ihm wegfahren usw. Ich durchlebe jeden Tag seit 1 1/2 Jahren einen kleinen Alptraum. Haß und Selbsthaß. Schuldgefühle. Ekel. Authentische Erinnerung. Ich habe Angst, meine Therapeutin könnte sagen: das war Ihre eigene Verantwortung! Ich will irgendwie freigesprochen werden. Ich habe Angst zusammenzubrechen, wenn ich darüber rede. Aber ich muß das loswerden!

  4. Umgang mit dem Tabu • Verleugnung des Themas • Beschuldigung der Opfer • „Modethema“: Missbrauch des Missbrauchs • Anti-Antimissbrauchsbewegung • Schädigung des psychotherapeutischen Berufsstandes • = Abwehrmechanismen!?

  5. Studie von Fischer et al • Beginn: 1991 • Empirische Arbeit • Ca. 100 Fälle befragt • Sexualisierungen: auf verbaler (6 Frauen) und/oder körperlicher Ebene

  6. Vorkommen • alle Therapieschulen bei sexuellem Missbrauch vertreten • Ebenfalls andere Berufe (Sozial-/ Gesundheitswesen) betroffen • Jährlich minimal 300 Fälle in krankenkassenfinanzierten Verfahren (weitere Verfahren: Verdopplung) • Enorme Kosten durch schwerwiegende Folgeschäden

  7. Therapeutische Situation • Exklusive Zweierbeziehung • Vor zumindest groben Behandlungsfehlern, Übergriff & Ausbeutung geschützt • Therapeut trägt Verantwortung für therapeut. Prozess  Schutzfunktion • Psych. EW nach allen Regeln fördern und begleiten OHNE eigene Bedürftigkeit einfließen zu lassen • Nur im Vertrauen, dass Bedingungen eingehalten werden, können sich Patienten für Therapie öffnen

  8. Missbrauch der therapeutischen Situation • Trauma = professional, auf Berufsrolle bezogen • Missbrauch, Pervertierung dieser beruflichen Funktion • Erhebliches Machtgefälle  Ausnutzung von Macht • Therapeut benutzt Vertrauen für egoistische Zwecke • Vertrauen wird zerstört  somit auch Therapie • Therapeut selbst bedürftig  Rollenumkehr

  9. Psychotraumatologische Abwehrstrategien • Kognitive Dissonanzreduktion • Script- bzw. Drehbuchmodell sozialkognitiver Schemata (David Rummelhart, 1978) • Standardisierte, ritualisierte soziale Erwartungsmuster • Oft selbstwidersprüchlich

  10. Psychotraumatologische Abwehrstrategien • Abwehrstrategien zu erkennen an: • Vermeidung von Erkenntnissen • Vermeidung von Handeln • Gewinn: Spannungs- und Dissonanzreduktion, narzisstische Selbstaufwertung • 2 Formen bei SÜP: • Bagatellisierung ( blaming the victim solution) • Überdramatisierung •  Enden in Passivität • Subjektives Sicherheitsbedürfnis wird wiederhergestellt

  11. Psychotraumatologische Abwehrstrategien • Welche „Begründungen“ liefern Therapeuten? • Schicksal • Therapeutische Maßnahme • Schuld/Mitschuld der Patientin ( Spiegel TV) • Leugnung • Beteuerung von Liebe

  12. Psychotraumatologische Abwehrstrategien • Neurotischer Wiederholungszwang • „Opfer finden immer ihren Täter“ • Addiction to the trauma (Traumasucht) • Gefährlich: verstärkt die Tendenz der Opfer, sich selbst anzuklagen • Für die Gestaltung und Aufrechterhaltung der psychotherapeutischen Situation trägt allein der Behandler die alleinige Verantwortung.

  13. Tätertypologie • Nach Schoener, Milgrom, Luepker: • Uninformierte Naive • Ausbildung unzureichend • Gesunde oder durchschnittlich Neurotische • Einmaliges Ereignis, Vorwürfe • Sozial Isolierte • Emotionale Probleme, Schuldgefühle eher unbewusst • Impulsive Charakterstörungen • Schwierigkeiten in Triebkontrolle, Schuldgefühle nur bei Konsequenzen • Soziopathische oder narzißtische Charakterstörungen • Berechnend, Experten • Psychotische oder Borderline-Persönlichkeiten • Gestörter Realitätsbezug, bizarre Rationalisierungen

  14. Tätertypologie • 2 Gruppen: • „Liebeskranke Therapeuten“ • primär akute situative Krisen und Belastungen führen zu Grenzüberschreitungen (1, 2; z.T. 3)  • Persönlichkeitsgestörte • Spaltungen/Dissoziationen; Doubling-Phänomene • Bsp.: Nazidoktor Mengele: liebevoller Vater Todesarzt • Einziger verlässlicher Prädiktor, ob es zu sexuellem Missbrauch kommt: Persönlichkeitsstörung des Therapeuten

  15. Das professionelle Missbrauchstrauma • In 78% der Fälle in Studie: Initiative zum sexuellen Kontakt vom Therapeuten • Vorbereitung: subtil, narzisstische Formen des Missbrauchs • Wenn Initiative von Patientin: siehe Ferenczi, Inzest: kindlicher Wunsch nach Halt, körperlicher Nähe und Zärtlichkeit • Dies wird vom Therapeuten als erotisch missverstanden

  16. Psychodynamik des Missbrauchs im Traumaverlauf • Idealisierung des Therapeuten wird vom ihm forciert • Patientin in persönlicher Weise aufgewertet, andererseits direkt vermittelt, dass sie ohne ihn nicht lebensfähig sei • Hinwirken, sie aus sozialem Umfeld zu isolieren • Rollentausch: weiht sie in persönliche Probleme ein, wird zu seiner Vertrauten (fühlen sich geehrt) • Patienten spüren seine große Bedürftigkeit • Sexuelle Bemerkungen • Um sich Zuwendung zu sichern, geben Patienten ihm das Gefühl, verliebt zu sein  besonders bei in Kindheit missbrauchten Patientinnen („ich bin nur liebenswert, wenn ich mich meinen Körper anbiete“) • Kritik und Ärger werden vom Therapeuten gern umgedeutet: Abwehr eigentlicher Liebe • Gegenseitige Idealisierungen bei gleichzeitiger Verarmung der sozialen Beziehungen  besonders intensives Macht- und Abhängigkeitsverhältnis

  17. Psychodynamik des Missbrauchs im Traumaverlauf • Alleinherrscher, Retter, Gott, Messias, potenter Liebhaber • Aktuelle persönliche Probleme  Wunsch nach Beziehung schwer kontrollierbar • Mangelnde Liebe  Helfersyndrom, Befriedigungen in therapeutischer Arbeit nicht genug (können Geben-müssen nicht ertragen, ohne selbst etwas zu bekommen) • Narzißtische Probleme  bereits Abstinenzforderung als narz. Kränkung, Kränkung des Alterns • Bei 2+3: oft unaufgearbeitete traumatische Kindheitserfahrungen • In Begegnung mit traumatisierten Patienten  eigene Traumata reaktiviert • Massive Rettungsphantasien als Abwehrmaßnahme • Golden phantasy (Smith, 1984): Vorstellung eines Zustandes von absoluter Versorgung und Geborgenheit • Wunsch in einen prätraumatischen Zustand zurückzukehren • Hass-/Destruktionsimpulse + Wünsche nach Gratifikation

  18. Rache- und Wunscherfüllungstypus • Rachetypus • Rache an Patientinnen im Vordergrund • traumat. Enttäuschungen aus Kindheit werden weitergegeben • Abwehr durch Identifikation mit Täter • Wechselt Opfer häufiger • trotzdem enge Bindung • braucht ständig mindestens ein Opfer • Wunscherfüllungstypus • Rettungsphantasie • Verleugnung des Traumas (s.o.) • Umkehr der Rollenverteilung

  19. Vier psychodynamische Scripts von Therapeuten • Golden phantasy • WT, s.o. • Distanzierter Gott • RT, Grenzen zunächst eingehalten, Schweigen, plötzlicher Übergriff • Hilfloser Messias • WT, Patientin ist einzige, die ihm helfen kann • Guru „Sextherapie“ • RT, Rachemotivation kommt in Sexualpraktiken zum Ausdruck, Überrumpelungstaktik

  20. Sexuelles Missbrauchstrauma • Rache- und Wunscherfüllungstypus = Wiederholungstäter • Nicht immer traumatisierter Therapeut • Schlichte Machtbedürfnisse, sadistische Neigungen • Sexuelle Ebene für Therapeuten nur Mediator-Funktion • Patientin: Objekt seiner Zerstörungslust  Ende = qual-und grauenvoll • In familiären/partnerschaftlichen Bereich der Patientin wird eingedrungen

  21. Folgeschäden • Abgespaltene Schattenseite des Therapeuten wird übernommen • Tiefgreifende Erschütterung des Selbst- und Weltverständnisses • Tiefes Misstrauen • Gegenüber anderen • Gegenüber eigenen Wahrnehmungen und Gefühlen • Meist Festhalten an der Vorstellung, es sei wahre Liebe • Verliebtheitsgefühle fortan mit Ängsten besetzt • Sex. Lust mit Schuld und Scham besetzt • Meist ist Therapeut zu keinem klärenden Gespräch bereit • Gesellschaftlich und rechtlich kaum Anerkennung

  22. Folgeschäden

  23. Anhaltspunkte / Regeln bei der therapeutischen Aufarbeitung des PMT PMT = Professionales Missbrauchs- Trauma Besondere Schwierigkeit in Folgetherapien : • Unterscheidung zwischen Arbeitsbündnis und Übertragung erreichen =>„Optimale Differenz“ • Ziel : Neuentwurf des bisherigen pathogenen Beziehungsschemas sowie Rekonstruktion der traumatischen Beziehungserfahrung

  24. Anhaltspunkte /Regeln bei der therapeutischen Aufarbeitung des PMT Psychoedukative Maßnahmen: • Im Erstgespräch deklarieren, dass es in aktueller Therapie zu keinem sexuellen Kontakt kommt • Einschalten einer dritten Instanz • Gegenseitiger Arbeitsvertrag im Sinne eines „informed consent“ • Gruppentherapie (als Ergänzung zur Einzeltherapie und um sozialer Isolierung entgegenzuwirken)

  25. Anhaltspunkte / Regeln bei der therapeutischen Aufarbeitung des PMT • Arbeit mit den Angehörigen: “assoziierte Opfer“ • Besondere Gefährdung bei Patientinnen ohne mitbetroffene Angehörige! Soziale Reintegration aufgrund erhöhter Suizidgefahr hat hier Priorität

  26. Anhaltspunkte / Regeln bei der therapeutischen Aufarbeitung des PMT • Ziel in Einzeltherapie : • Aufarbeitung der traumatischen Aktualerfahrung • Aufarbeitung jener primären Störung, die zur Ersttherapie führte

  27. Anhaltspunkte / Regeln bei der therapeutischen Aufarbeitung des PMT • Besondere Schwierigkeiten bei der Auflösung der pathologischen Bindung zum Ersttherapeuten ergeben sich durch die Haltung der Patientin, Mitschuld am Missbrauch zu haben • -> Herstellung möglichst hoher Transparenz der gegenwärtigen Therapie und Ermutigung der Patientin, kritische Gedanken gegenüber Folgetherapeut jederzeit einbringen zu können

  28. ExistentiellerSinnderSymptomedesPMT • „Prinzip der Normalität“ (Ochberg, 1993): Den Traumatisierten verdeutlichen, dass die Symptome unter denen sie leiden, normale Reaktionen auf eine traumatische Reaktion sind • Generalisiertes Misstrauen sollte den Patientinnen als gesunde Reaktion auf die Missbrauchserfahrung verständlich gemacht werden • Charakterstörungen als Versuche, die Erinnerungen zu kontrollieren

  29. ExistentiellerSinnderSymptomedesPMT • Weitere Symptome: • Spaltungen von Gefühlen • Arbeitsstörungen • Amnesien • Wichtig für die Beurteilung der Symptome: Begründung berücksichtigen, die die Therapeuten für den Missbrauch gaben

  30. Typische Übertragungskonstellationen • Charakteristische Übertragungsgefühle: • Rettungsphantasien • Erwartungstendenzen gegenüber dem Folgetherapeuten • Übertragung abgespaltener Wut auf den Folgetherapeuten

  31. ZeichenproduktivertherapeutischerVeränderung • Spaltungstendenz als Selbstschutzstrategie bzw. unbewusste Aufspaltung der emotionalen Objektrepräsentanz (der destruktive Anteil des Wunsches nach Geborgenheit wird abgespalten) • Wenn Dissoziation therapeutisch aufgelöst: Fähigkeit zur Objektanalyse (Fischer, 1990): Patientin soll die Fähigkeit erlangen, Distanz zum missbrauchendenTherapeuten zu gewinnen und dessen „innere Gespaltenheit“ zu erkennen

  32. ZeichenproduktivertherapeutischerVeränderung • 3 Phasen des Veränderungsschritts der Fähigkeit zur Objektanalyse: • 1) Aufbau eines vertrauensvollen Arbeitsbündnisses • 2) Subjektive und objektive Wendung gegen das traumatogene Objekt, verbunden mit der Einsicht in dessen reale Gespaltenheit • 3) Fähigkeit zur Objektspaltung wird in der Beziehung zum Therapeuten erprobt

  33. JuristischeGesichtspunkte • Rechtliche Möglichkeiten: Klage auf Schmerzensgeld, Körperverletzung; Schadensersatzforderungen wg. Behandlungsfehlern; Rückerstattung der Therapiekosten, Übernahme der Folgetherapiekosten Problem: • Betroffene müssen die Vorfälle beweisen • finanzielles Risiko • Bei Vergewaltigung muss körperliche Gewalt angewendet worden sein

  34. Ansprechpartner: Kammer Berufsverband Therapieverbände Krankenkasse JuristischeGesichtspunkte

  35. FolgerungenfürdieAusbildung => Umgang mit therapeutischen Gefühlen sowie der Umgang mit sexuell-erotischen Gefühlen sollte generell in alle Ausbildungscurricula aufgenommen => Vermittlung differentialdiagnostischer Kenntnisse insb. dissoziative Persönlichkeitsstörungen und evtl. spezifizierte Auswahlverfahren für die Zulassung an Ausbildungsinstituten => Möglichkeit der Einrichtung von speziellen Selbsthilfegruppen gefährdeter Therapeuten

  36. Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit! • Literatur: Becker-Fischer, M.; Fischer, G.(1996). Sexueller Missbrauch in der Psychotherapie – was tun? : Orientierungshilfen für Therapeuten und interessierte Patienten. Heidelberg: Asanger, 1996 Tipp : Löwer-Hirsch, M. (1998). Sexueller Missbrauch in derPsychotherapie. Zwölf Fallgeschichten: elf Frauen und ein Therapeut. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

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