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Materialität und Humangeographie – welche Erkenntnistheorie benötigen wir?

Materialität und Humangeographie – welche Erkenntnistheorie benötigen wir?. Peter Weichhart, Wien. Workshop „Materialität“ 13./14. 7. 2007 Institut für Geographie, LMU München Institut für Geographie und Regionalentwicklung, Universität Wien. WSMaterialitätMUC01.

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Materialität und Humangeographie – welche Erkenntnistheorie benötigen wir?

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  1. Materialität und Humangeographie – welche Erkenntnistheorie benötigen wir? Peter Weichhart, Wien Workshop „Materialität“ 13./14. 7. 2007 Institut für Geographie, LMU München Institut für Geographie und Regionalentwicklung, Universität Wien WSMaterialitätMUC01

  2. Schon wieder ein neuer „Turn“? In der deutschsprachigen Humangeographie noch kaum bemerkt, lässt sich in den Kulturwissenschaften eine Neu- thematisierung der physisch-materiellen Welt beobachten. IFK, Wien, Projektausschreibung „Kulturen der Evidenz“: „Was heißt ,Evidenz’ in den Wissenschaften? Der Anspruch, ,nackte Tatsachen’ zu präsentieren, ist sowohl in den Natur- wie auch in den Geisteswissenschaften längst überwunden. Weithin herrscht Einigkeit darüber, dass sowohl die exakten Wissenschaften wie auch die Geisteswissenschaften ihre Gegenstände konstruieren und dass ,Tatsachen’ erst durch Praktiken der Evidenzerzeugung (wie Diagramme, Bilder, Formeln, Texte etc.) entstehen. WSMaterialitätMUC02

  3. Schon wieder ein neuer „Turn“? In den letzten Jahren häufen sich aber die Vorbehalte gegenüber diesem konstruktivistischen Leitbild. Im Rückgriff auf die Phänomenologie wird daher seit kurzem versucht, dem Eigenleben der Dinge wieder zu ihrem Recht zu verhelfen. Die Gegenstände der Wissenschaften sind sowohl konstruiert als auch daseiend, vermittelt und unvermittelt, künstlich und natürlich“ (IFK, Ausschreibung „Kulturen der Evidenz“, Hervorhebung P. W.). WSMaterialitätMUC03

  4. Neubesinnung auf die materielle Welt Auch in der englischsprachigen Sozialgeographie ist seit einigen Jahren eine Neubesinnung auf die materielle Welt zu beobachten, die durchaus als Gegenposition zu der mit dem Cultural Turn ver- bundenen Fokussierung auf Texte und Diskurse und die thematische Konzentration auf die Welt der Zeichen, Symbole und immateriellen Sinn- strukturen angesehen werden kann (vgl. z. B. P. JACKSON, 2000, L. LEES, 2002, D. MITCHELL, 1995, C. PHILO, 2000 oder G. HOSKINS, 2007). WSMaterialitätMUC04

  5. Neubesinnung auf die materielle Welt In diesem Zusammenhang wird sogar von der Not- wendigkeit einer „Rematerialisierung“ der Human- geographie gesprochen. Die hier ausgesprochene Botschaft ist natürlich nicht als „entweder – oder“, sondern als „sowohl – als auch“ zu verstehen. Sie lautet: Wenden wir uns doch den Symbolen und Zeichen, aber eben auch den Dingen und Arte- fakten, der kulturalisierten und sozialisierten Materie zu. WSMaterialitätMUC05

  6. Das zentrale Erkenntnisobjekt der Humangeographie: (in der Formulierung von GREEN/ZIERHOFER) Das Verhältnis von Sinn und Materie WSMaterialitätMUC06

  7. Welche Erkenntnistheorie? Welche erkenntnistheoretische Position sollen wir einnehmen, um mit diesem Erkenntnisobjekt umgehen zu können? Naiver Realismus, Nepositivismus, Phänomenologie, Kritischer Rationalismus, Konstruktivismus, Kritischer Realismus, Marxismus, Strukturalismus, Poststrukturalismus…? Mein Vorschlag: hypothetisch-konstruktiver Realismus WSMaterialitätMUC07

  8. „Viabilität“ „Handlungen, Begriffe und begriffliche Operationen sind dann viabel, wenn sie zu den Zwecken oder Beschreibungen passen, für die wir sie benutzen. Nach konstruktivistischer Denkweise ersetzt der Begriff der Viabilität im Bereich der Erfahrung den traditionellen philosophischen Wahrheitsbegriff, der eine ,korrekte’ Abbildung der Realität be- stimmt. Diese Substitution ändert natürlich nichts am Alltagsbegriff der Wahrheit, der die getreuliche Wiederholung oder Beschreibung einer Erfahrung bedeutet.“ E. v. GLASERSFELD, 1997, S. 43 WSMaterialitätMUC07b

  9. „Minimaleserkenntnis-theoreti-sches Modell“ WSMaterialitätMUC08

  10. Hypothetisch-konstruktiver Realismus … lässt sich durch fünf erkenntnistheoretische Annahmen beschreiben (G. SCHURZ, 2006, S. 26): Minimaler Realismus: „Dieser Annahme zufolge gibt es eine Wirklichkeit bzw. Realität, die unabhängig vom (gegebenen) Erkenntnissubjekt existiert. Es wird nicht unterstellt, dass alle Eigenschaften dieser Realität erkennbar sind. Die Möglichkeit grundsätzlicher Erkenntnis- grenzen wird offengelassen und kann nicht apriori, sondern nur angesichts des faktischen Erkenntnis- erfolges der Wissenschaften beantwortet werden.“ WSMaterialitätMUC09

  11. Hypothetisch-konstruktiver Realismus „Wissenschaftliche Disziplinen bezwecken, mög- lichst wahre und gehaltvolle Aussagen über abge- grenzte Bereiche dieser Realität aufzustellen. … Wahrheit wird dabei im Sinne der strukturellen Korrespondenztheorie verstanden, derzufolge die Wahrheit eines Satzes in einer strukturellen Über- einstimmung zwischen dem Satz und dem von ihm beschriebenen Teil der Realität besteht. Dieser von A. TARSKI … präzisierte strukturelle Wahrheitsbe- griff unterstellt somit keine direkte Widerspiege- lungsbeziehung zwischen Sprache und Wirklichkeit.“ WSMaterialitätMUC10

  12. Hypothetisch-konstruktiver Realismus Die zweite Annahme umschreibt SCHURZ mit den Konzepten Fallibilismus und kritische Einstellung: „Es gibt keinen unfehlbaren ,Königsweg’ zu korrespondenz- theoretischer Wahrheit. Der Annahme des Fallibilismus zu- folge ist jede wissenschaftliche Behauptung mehr oder minder fehlbar; wir können uns ihrer Wahrheit daher nie ab- solut sicher sein, aber wir können ihre Wahrheit als für mehr oder weniger wahrscheinlich befinden. … Mit dem Fallibilis- mus ist somit eine kritische Einstellung verbunden, derzu- folge keine Aussage von der Kritik ein- für allemal ausge- schlossen werden darf“ (ebd., S. 26/27). WSMaterialitätMUC11

  13. Hypothetisch-konstruktiver Realismus Objektivität und Intersubjektivität … besagt, dass die Wahrheit einer Aussage objektiv gelten muss, also unabhängig ist von den Einstel- lungen und Wertungen des Erkenntnissubjekts. Ein zentrales wissenschaftliches Kriterium für Objektivi- tät und damit auch für Wahrheit liegt in der Inter- subjektivität von Aussagen: WSMaterialitätMUC12

  14. Hypothetisch-konstruktiver Realismus „Wenn sich die Wahrheit einer Aussage überhaupt überzeugend begründen lässt, so muss sich jede kognitiv hinreichend kompetente Person von der Wahrheit dieser Aussage nach hinreichender Kenntnisnahme der Datenlage zumindest ,im Prin- zip’ überzeugen lassen.“ G. SCHURZ, 2006, S. 27 WSMaterialitätMUC13

  15. Hypothetisch-konstruktiver Realismus minimaler Empirismus Der Gegenstandsbereich einer Wissenschaft muss im Prinzip der Erfahrung bzw. der Beobachtung zu- gänglich sein. „Empirische Beobachtungen sind so- mit ein zentraler Schiedsrichter für die wissen- schaftliche Wahrheitssuche: an ihnen müssen wissenschaftliche Gesetzeshypothesen und Theo- rien überprüft werden“ (ebd., S. 27). WSMaterialitätMUC14

  16. Hypothetisch-konstruktiver Realismus Logik im weiten Sinn „Durch die Anwendung präziser logischer Methoden zur Ein- führung von Begriffen, zur Formulierung von Sätzen sowie zur Bildung korrekter Argumente kann man dem Ziel der Wahrheitssuche … am effektivsten näher kommen. … nur für Sätze mit präzise formulierten Bedeutungen sind deren logische Konsequenzen präzise ermittelbar. Schließlich ist nur dann, wenn die Konsequenzen einer Hypothese genau bekannt sind, diese Hypothese … empirisch überprüfbar. Das Verfahren der empirischen Überprüfung erfordert also an allen Stellen die Anwendung logischer Methoden …“ G. SCHURZ, 2006, S. 27/28 WSMaterialitätMUC15

  17. Hypothetisch-konstruktiver Realismus „Die moderne Wahrheitstheorie fasst die Beziehung zwi- schen wahrer Aussage und ihrem Gegenstand … nicht als quasi-identische Widerspiegelung, sondern als struktu- relle Korrespondenz auf, die gewisse Informationen über- trägt, aber weder vollständig noch eindeutig sein muss. Dass der Satz ,diese Blume ist rot’ wahr ist, heißt lediglich, dass das vom singulären Term ,diese Blume’ bezeichnete Objekt die vom Prädikat ,rot’ ausgedrückte Eigenschaft be- sitzt: wie viele andere Eigenschaften diese Blume sonst ha- ben mag und wie viele Rotnuancen es auch geben mag, spielt für diese strukturelle Korrespondenz keine Rolle.“ WSMaterialitätMUC16

  18. Hypothetisch-konstruktiver Realismus „In dieser Sicht liegt keine Inkohärenz darin, zu sa- gen, mit unseren erkenntnismäßigen Konstruktio- nen sagen wir etwas über eine Wirklichkeit aus, die unabhängig von unseren erkenntnismäßigen Konstruktionen existiert, wenngleich diese er- kenntnismäßigen Konstruktionen keine quasi- identischen Widerspiegelungen der Wirklichkeit, sondern nur unvollkommene strukturelle Abbil- dungen derselben darstellen.“ WSMaterialitätMUC17

  19. Hypothetisch-konstruktiver Realismus „Die unabhängig existierende Wirklichkeit wird eben nicht als in unseren Vorstellungen unmittelbar gegeben angenommen, wie im metaphysischen Realismus, sondern sie wird lediglich als System hypothetischer Entitäten postuliert, dessen Existenz die empirischen Erfolge unserer Erkenntnis am besten erklären kann. … ich bezeichne diese Position als den hypothetisch-konstruktiven Realismus, um zu betonen, dass auch der Realismus letztlich eine fallible Hypothese darstellt.“ G. SCHURZ, 2006, S. 57 WSMaterialitätMUC18

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