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Der Begriff des Kaufmanns

AG Handels- und Gesellschaftsrecht SS 2011 – Daniel Könen. Der Begriff des Kaufmanns. Der Kaufmann §§ 1 ff. HGB. Die Kaufmannseigenschaft ist in den §§ 1-7 HGB geregelt. § 1 HGB: Ist-Kaufmann Abs. 1: „ Kaufmann im Sinne dieses Gesetzbuchs ist , wer ein Handelsgewerbe betreibt.“

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Der Begriff des Kaufmanns

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  1. AG Handels- und Gesellschaftsrecht SS 2011 – Daniel Könen Der Begriff des Kaufmanns

  2. Der Kaufmann §§ 1 ff. HGB • Die Kaufmannseigenschaft ist in den §§ 1-7 HGB geregelt. • § 1 HGB: Ist-Kaufmann • Abs. 1:„ Kaufmann im Sinne dieses Gesetzbuchs ist, wer ein Handelsgewerbe betreibt.“ • Abs. 2:„ Handelsgewerbe ist jeder Gewerbebetrieb, es sei denn, dass das Unternehmen nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert.“

  3. Der Kaufmann §§ 1 ff. HGB Prüfungsfolge: • Gem. § 1 Abs. 1 HGB ist Kaufmann im Sinne des HGB, wer ein Handelsgewerbe betreibt. • Handelsgewerbe ist dabei jeder Gewerbebetrieb(vgl. § 1 Abs. 2 HGB), d.h. jede nach außen gerichtete, selbstständige, planmäßige auf gewisse Dauer zum Zwecke der Gewinnerzielung (h.M.) ausgeübte erlaubte (str.) Tätigkeit, die nicht freier Beruf ist. • Ein Gewerbebetrieb ist ein Handelsgewerbe, wenn er einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert.

  4. P: Betreibereigenschaft • ℗ Betreibereigenschaft im Sinne von § 1 I HGB (Ist-Kaufmann)(zT): Derjenige in dessen Namen (Firma) das Geschäft geführt wird(wohl h.M.): Der, der durch die Geschäfte berechtigt und/oder verpflichtet wird. Relevant, bei § 128 HGB • Unterschied: Ein Gesellschafter einer OHG verbürgt sich mündlich, nach h.M. gilt er selbst als Kaufmann, so dass nach § 350 HGB Formfreiheit gilt.

  5. Gewerbebetrieb 1. Es muss also zunächst ein Gewerbebetrieb vorliegen: a) (rechtlich) Selbstständige Tätigkeit: (Unternehmerrisiko) Durch dieses Merkmal sollen vor allem solche Tätigkeiten aus dem Handelsrecht ausgegrenzt werden, die aufgrund und im Rahmen einer abhängigen Stellung erbracht werden. (Abgrenzung über § 84 Abs. 1 S. 2 HGB vorzunehmen: „wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann“ → insbesondere wichtig bei Merkmal „Arbeitnehmer“ im Arbeitsrecht) b)Nach außen gerichtete / erkennbare Tätigkeit: Die reine Vermögensverwaltung ist kein Handelsgewerbe.

  6. c) Planmäßig auf gewisse Dauer angelegte Tätigkeit: Maßgeblich ist hier die Vielzahl der beabsichtigten Geschäftsabschlüsse, die allerdings lediglich ein Indiz liefert. d) Kein freier Beruf: Eine Aufzählung freier Berufe enthält § 1 Abs. 2 PartGG, die jedoch nicht pauschal auf den handelsrechtlichen Gewerbebegriff übertragbar ist. Umfasst die Betätigung sowohl gewerbliche als auch freiberufliche Komponenten, kommt es maßgeblich auf den Tätigkeitsschwerpunkt an. z.B.: ℗ Apotheker = Freiberufler?Zwar: öffentliche Aufgabe der MedikamentenversorgeAber: Heutzutage steht der reine Warenhandel im Vordergrund Kein freier Beruf

  7. e) Erlaubte Tätigkeit: Maßgeblich ist insoweit, ob die in dem Betrieb typischerweise abgeschlossenen Rechtsgeschäfte gegen das Gesetz oder die guten Sitten verstoßen. Die neuere Lehre verzichtet auf dieses Erfordernis f) Gewinnerzielungsabsicht: Sie soll bereits vorliegen, wenn das Bestreben darauf gerichtet ist, mit der Tätigkeit einen Ertrag zu erzielen, der höher als der Aufwand ist. Ausgeschlossen sind damit in erster Linie karikative Tätigkeiten. Teilweise wird inzwischen allerdings vertreten, dass auf dieses Merkmal verzichtet werden könne

  8. 2.Kein Kleingewerbe(Vorliegen Handelsgewerbe) Der Gewerbebetrieb istnur ein Handelsgewerbe, wenn zu dessen Führung ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb notwendig ist: Für die Frage, ob ein Unternehmen einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, kommt es maßgeblich auf das Erscheinungsbild des Geschäftsablaufs des Unternehmens an. Es gilt eine gesetzliche Vermutung („es sei denn“).

  9. „Indizwirkung“ entfalten - für den Prüfungspunkt „Art“:die Vielfalt des Geschäftsgegenstandes und Schwierigkeit der Geschäftsvorgänge, die Inanspruchnahme von Kredit- oder Teilzahlungen, erhebliche Teilnahme am Wechsel-/ Scheckverkehr, der Umfang der Geschäftskorrespondenzen, Buchführung und Bilanzierung; - für den Prüfungspunkt „Umfang“: der Umsatz, die Höhe des Anlage-/ Kapitalvermögens, die Anzahl der Betriebsstätten und deren Größe, die Zahl der Geschäftsabschlüsse, die Anzahl der Beschäftigten und die Lohnsumme.

  10. → Eintragungspflicht: Der (Ist-)Kaufmann muss sich in das Handelsregister eintragen lassen. • → Wirkung: Die Eintragung (§ 29 HGB) wirkt rein deklaratorisch (rechtsbekundend) → Der Kaufmann unterliegt also auch dann den handelsrechtlichen Vorschriften, wenn er (pflichtwidrig) nicht in das Handelsregister eingetragen ist. Der Schutz Dritter wird in diesem Fall durch die Regelung des § 15 Abs. 1 HGB gewährleistet. • → Beweislast: widerlegbare Vermutung hinsichtlich des Vorliegens eines Handelsgewerbes; auch zugunsten des nicht eingetragenen Gewerbetreibenden

  11. • Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft → Gesellschafter der OHG/ Komplementäre der KG: KM-Eigenschaft (+), diese sind gem. § 128 HGB einer unbeschränkten persönlichen Haftung ausgesetzt, die wirtschaftlichen Folgen der Geschäfte der Gesellschaft treffen sie also unmittelbar → Kommanditist: (-), beschränkte Haftung (§ 171 HGB), Ausschluss von Geschäftsführung und Vertretung (§§ 164, 170 HGB) • Gesellschafter einer juristischen Person (-), nur die juristische Person wird aus den in ihrem Namen geschlossenen Geschäften berechtigt und verpflichtet

  12. § 2 HGB – Kann-Kaufmann → Voraussetzungen: • Betreiben eines sonstigen gewerblichen Unternehmens; „Kleingewerbetreibende“ • Eintragung im Handelsregister • Für „Kleingewerbetreibende besteht keine Eintragungspflicht, sondern nur eine Eintragungsmöglichkeit (Wahlrecht). Die Eintragung wirkt hier konstitutiv. • Der Gewerbetreibende muss in bewusster Ausübung seines Wahlrechts handeln, also wissen, dass er nicht eine nach § 29 HGB rechtlich gebotene und nur deklaratorisch wirkende Erklärung abgibt, sondern dass er durch seine Äußerung eine materielle Rechtsfolge herbeiführt.

  13. § 2 HGB – Kann-Kaufmann → Rechtsfolge: Solange sich der Kleingewerbetreibende nicht zur Eintragung ins Handelsregister angemeldet hat, sind diejenigen handelsrechtlichen Vorschriften, die tatbestandlich an die Kaufmannseigenschaft anknüpfen, grundsätzlich nicht anwendbar. Zu prüfen bleibt allerdings immer, ob einzelne Vorschriften entsprechend anzuwenden sind. • Die handelsrechtlichen Regelungen bergen auch Nachteile: Besondere Pflichten (Buchführung, § 238 HGB), größeres Maß an Sorgfalt (§ 377), weiterhin §§ 348, 350 HGB, § 310 Abs. 1 BGB etc. • Merke: Es handelt sich um eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung, Regelungen für WE analog anwendbar.

  14. § 5 HGB: Kaufmann kraft Eintragung → Voraussetzungen: (1) Betreiben eines Gewerbes § 5 HGB setzt den tatsächlichen und aktuellen Betrieb eines Gewerbes unter der eingetragenen Firma voraus → Die Anwendung des § 5 HGB ist ausgeschlossen, wenn die Tätigkeit nicht die Voraussetzungen des handelsrechtlichen Gewerbebegriffs erfüllt.

  15. § 5 HGB: Kaufmann kraft Eintragung (2) Eintragung im Handelsregister • § 5 HGB dient dem Schutz des Rechtsverkehrs. Die Regelung setzt allerdings nicht die Gutgläubigkeit eines Dritten voraus. Es handelt sich nicht um eine Rechtsscheinnorm. • Für § 5 HGB ist allein die formelle Rechtslage maßgeblich, d. h. die Rechtsfolge des § 5 HGB tritt nur ein, wenn eine Firma in das Handelsregister eingetragen ist (→ auch die zu Unrecht erfolgte Eintragung löst die Rechtsfolge des § 5 HGB aus!). • § 5 HGB ist von Amts wegen zu berücksichtigen (h.M.). Der Dritte muss sein Begehren also nicht auf die Kaufmannseigenschaft nach § 5 HGB stützen (teilweise vertretene Ansicht). • Streitig ist, ob § 5 HGB auch im Deliktsrecht Anwendung finden soll. Teilweise wird dies bejaht, der BGH ließ diese Frage ausdrücklich offen und zum Teil wird diese Frage unter Verweis auf den Schutzzweck der Norm verneint.

  16. Problem1: Herabsinken des Istkaufmanns zum Kleingewerbetreibenden • Umstritten sind die Auswirkungen auf die Kaufmannseigenschaft, wenn ein Istkaufmann nach seiner deklaratorisch wirkenden Eintragung in das Handelsregister infolge einer Verringerung des Geschäftsbetriebes zum Kleingewerbetreibenden herabsinkt. • → Wortlaut des § 2 Satz 1 HGB: Die Kaufmannseigenschaft bleibt von der Verringerung des Geschäftsbetriebes wegen der fortbestehenden Eintragung im Handelsregister unberührt. Folge hiervon ist, dass eine Löschung der Firma von Amts wegen unzulässig ist und die Kaufmannseigenschaft erst verloren geht, wenn der Inhaber gem. § 2 S. 3 HGB die Löschung beantragt. (arg.: Rechtssicherheit) • In dem Eintragungsantrag nach § 1 HGB könnte konkludenter Antrag nach § 2 HGB liegen. • Ausübung des Wahlrechts könnte in dem Unterlassen der Löschung der Eintragung liegen.

  17. Problem1: Herabsinken des Istkaufmanns zum Kleingewerbetreibenden • → Problematisch stellt sich insoweit allerdings die fehlende Harmonie mit § 5 HGB dar. Dieser will nach seinem Wortlaut gerade den Sachverhalt erfassen, dass ein Gewerbe kein Handelsgewerbe ist, und somit in den Fällen eingreifen, in denen sich der Eingetragene darauf beruft, dass sein Unternehmen keinen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. • Es wird daher teilweise auch eine Anwendung des § 5 HGB vorgeschlagen. • H.M.: § 2 HGB ist abzulehnen; es fehlt an einer bewussten Ausübung des Wahlrechts. § 1 HGB ist nur deklaratorisch, während § 2 HGB konstitutiv wirkt. Daher liegt eine andere Rechtsqualität vor.

  18. Problem2: Irrtümliche Anmeldung als Istkaufmann • Jemand denkt, er sei „Ist-Kaufmann“ und lässt sich daher ins Handelsregister eintragen. ◦ teilw.: derjenige sei Kaufmann (§ 2 HGB), da er sich ins Handelsregister hat eintragen lassen ◦ teilw.: er sei nicht Kaufmann, da es sich um eine fehlgeschlagene Eintragung handelt; solche Fälle seien über § 5 HGB zu lösen • Der Unterschied zwischen § 2 HGB und § 5 HGB ist insoweit relevant, als § 5 HGB keine staatlichen Zwangs- und Sanktionsmaßnahmen herbeiführt. Ein Kaufmann nach § 5 HGB unterliegt nicht der Bilanzierungspflicht der §§ 238 ff. HGB und kann sich somit auch nicht nach §§ 283 ff. StGB strafbar machen.

  19. Der Scheinkaufmann • Voraussetzungen: • 1. Rechtsscheinder Eigenschaft als Kaufmann → ausdrückliche Erklärung: Wer unaufgefordert oder auf Nachfrage erklärt, Kaufmann zu sein. P: Muss diese Erklärung auch schlüssig sein? Nein, hiergegen ist einzuwenden, dass mangelnde Rechtskenntnisse für die Frage, ob ein ausreichender Rechtsschein besteht, irrelevant sind. → problematisch: konkludentes Verhalten: zumindest dann, wenn sich jemand solcher Einrichtungen bedient, die ausschließlich Kaufleuten vorbehalten sind (z.B. Erteilung einer Prokura)

  20. Der Scheinkaufmann • 2. Aufgrund des eigenen Auftretens im Rechtsverkehr zurechenbar gesetzt → wichtig: Geschäftsfähigkeit notwendig! Verschulden nicht erforderlich! → Testfrage: Ist es objektiv vorhersehbar, dass ein bestimmtes Handeln bei Dritten bzw. im Rechtsverkehr den Rechtsschein der Kaufmannseigenschaft erweckt?

  21. Scheinkaufmann • 3. Gutgläubigkeit des Dritten → hieran fehlt es bei positiver Kenntnis und bei grob fahrlässiger Unkenntnis → grds. keine Nachforschungspflicht, nur bei konkreten Zweifeln

  22. Scheinkaufmann • 4. Konkrete Kausalität: Der Dritte hat im Vertrauen auf Rechtsschein gehandelt. (kennen und darauf verlassen) → hierfür ist ausreichend, wenn bei Kenntnis der wahren Sachlage mit einer anderen Entscheidung des Dritten zu rechnen gewesen wäre → es sei sachgerecht, die Beweislast demjenigen aufzuerlegen, der die Rechtsscheinshaftung nicht gegen sich gelten lassen möchte

  23. Rechtsfolge: • Der Scheinkaufmann muss sich wie ein Kaufmann behandeln lassen. (dogmatisch: Entweder wird der Anwendungsbereich der Norm mittels einer Analogie auf den Scheinkaufmann ausgedehnt oder dem Scheinkaufmann wird die Berufung auf die fehlende Kaufmannseigenschaft nach § 242 BGB (venire contra factumproprium) verwehrt. • Der Dritte kann sich entscheiden (Wahlrecht), ob er sich auf die wahre oder auf die scheinbare Rechtslage berufen möchte. Der „Scheinkaufmann“ kann sich nicht auf den Rechtsschein berufen und damit eine ihm günstige Rechtslage herbeiführen. • Problem: Anwendung des § 366 Abs. 1 HGB auf den Scheinkaufmann? Wohl hL keine Wirkung des Rechtsscheins zu Lasten unbeteiligter Dritter (aber str., aA vertretbar).

  24. Fall 1: Der Bäckermeister (B) ist nicht im Handelsregister eingetragen. Für die Darlehensschuld seines Bruders (D) gibt B der G-Bank (G) gegenüber eine schriftliche Bürgschaftserklärung ab. Mit Eintritt der Fälligkeit nimmt G den B in Anspruch. B wendet ein, G müsse sich zunächst an D halten. Er sei kein Kaufmann. Der Betrieb des B hat einen Jahresumsatz von 200. 000 Euro. In der Bäckerei, die sich im Haus des B befindet, arbeiten nur zwei Lehrlinge, sowie seine Ehefrau und Tochter. Die Bäckerei wird nur von einem Lieferanten versorgt. Die Abrechnung mit diesem erfolgt teils durch Barzahlung teils durch Banküberweisung. Teilzahlungs- oder Wechselgeschäfte werden nicht getätigt. Kann die G-Bank von B die Rückzahlung des Darlehens verlangen?

  25. A. Anspruch der G-Bank gegen B aus der Bürgschaft gem. § 765 Abs. 1 BGB I. Bestehen und Fälligkeit der Hauptverbindlichkeit Nach dem Sachverhalt besteht eine fällige Hauptverbindlichkeit in Form eines wirksamen Darlehensvertrags (§ 488 BGB) zwischen D und der G-Bank. II. Wirksame Bürgschaft B müsste sich wirksam verbürgt haben. B hat gegenüber der G-Bank ein Bürgschaftsversprechen abgegeben. Die Bürgschaftserklärung bedarf grundsätzlich der Form des § 766 S. 1 BGB. Da die Schriftform laut Sachverhalt eingehalten wurde, kann hier offen bleiben, ob die Formvorschrift gem. § 350 HGB keine Anwendung findet.

  26. III. Einrede der Vorausklage § 771 BGB • B könnte jedoch die Einrede der Vorausklage zustehen, dass heißt er könnte die Befriedigung des Gläubigers verweigern, solange nicht der Gläubiger eine Zwangsvollstreckung gegen den Hauptschuldner (D) ohne Erfolg versucht hat. • Diese Einrede steht dem B jedoch nach § 349 HGB nicht zu, wenn die Bürgschaft für ihn ein Handelsgeschäft darstellt. Handelsgeschäfte sind nach § 343 HGB alle Geschäfte eines Kaufmanns, die zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehören

  27. 1. Kaufmannseigenschaft des B B müsste zunächst Kaufmann sein. Kaufmann ist nach § 1 Abs. 1 HGB, wer ein Handelsgewerbe betreibt. Nach § 1 Abs. 2 ist ein Handelsgewerbe jeder Gewerbebetrieb, es sei denn, dass das Unternehmen nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert.

  28. a) Gewerbe • Erforderlich ist zunächst, dass überhaupt ein Gewerbe betrieben wird. Gewerbebetrieb ist jede nach außen gerichtete, selbstständige, auf gewisse Dauer, zum Zwecke der Gewinnerzielung ausgeübte, erlaubte Tätigkeit. Das Gewerbe wird von demjenigen betrieben, der aus den abgeschlossenen Geschäften berechtigt und/ oder verpflichtet wird. • Dies ist vorliegend der B. B betreibt ein Gewerbe im Sinne der genannten Definition, damit gilt für ihn grundsätzlich die gesetzliche Vermutung der Kaufmannseigenschaft aller Gewerbetreibenden. • Umstritten ist es, ob die Gewinnerzielungsabsicht sowie das Kriterium der Erlaubtheit konstitutive Merkmale sind.

  29. b) Mindestbetriebsgröße/Abgrenzung vom sog. Kleingewerbe • Gemäß § 1 Abs. 2 HGB ist B jedoch ausnahmsweise kein Kaufmann, wenn sein Betrieb nach Art oder Umfang einen kaufmännischen Geschäftsbetrieb nicht erfordert. • Unter einem in „kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb“ sind diejenigen Einrichtungen zu verstehen, die ein Kaufmann für eine ordnungsgemäße Geschäftsführung benötigt. • Dazu gehören z.B. kaufmännische Buchführung, Inventar- und Bilanzerrichtung, Lohnbuchhaltung, Aufbewahrung der Geschäftskorrespondenz, also das, was notwendig ist, um einen Betrieb übersichtlich und zuverlässig abwickeln zu können. Entscheidend ist allein, ob derartige Einrichtungen erforderlich, nicht ob sie tatsächlich vorhanden sind. Andernfalls könnte der Unternehmer dieses Tatbestandsmerkmal beliebig herbeiführen oder beseitigen.

  30. aa) Umfang Bei der Bäckerei des B handelt es sich dem Umfang nach um einen einfach strukturierten Familienbetrieb. Die Betriebsräume sind im Wohnhaus des B und neben zwei Lehrlingen sind nur die Ehefrau und Tochter beschäftigt. Der Umsatz in Höhe von 200.000 Euro ist jedoch erheblich und erfordert regelmäßig kaufmännische Einrichtungen. (maßgebliche Umsatzschwelle spätestens ab 250. 000 Euro)

  31. bb) Art • Ein Gewerbetreibender ist aber bereits dann kein Kaufmann, wenn sein Betrieb entweder nur der Art oder aber nur dem Umfang nach eine kaufmännische Einrichtung nicht erfordert. So reicht ein hoher Umsatz allein nicht, wenn die Art des Geschäftsbetriebs einfach ist. • B ist also dennoch kein Kaufmann, wenn der Betrieb seiner Art nach keine kaufmännischen Einrichtungen erfordert. Da der B die Waren nur von einem Lieferanten bezieht und sie i.d.R. sofort aus eigenen oder aus Mitteln eines eingeräumten Kredits bezahlt, ist die Buchführung insoweit einfach und durchsichtig. Die Weiterveräußerung erfolgt überwiegend gegen Barzahlung, so dass eine einfache Gewinn- und Verlustrechnung einen hinreichenden Überblick über die finanzielle Lage des Betriebs gewährt. Zudem ist bei der Anzahl der Beschäftigten keine umfangreiche Lohnbuchhaltung geboten. Bei Würdigung des Gesamtbildes des Geschäftsablaufes ist demnach kein kaufmännisch eingerichteter Geschäftsbetrieb erforderlich.

  32. 2. Zwischenergebnis: • Da der Bäckereibetrieb des B keinen kaufmännisch eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, ist B kein Kaufmann (§ 1 Abs. 2 HGB). Die Voraussetzungen des § 349 HGB sind nicht erfüllt. • § 349 und 350 HGB setzen voraus, dass derjenige, der das Bürgschaftsversprechen abgibt, Kaufmann ist und dass das Bürgschaftsversprechen für ihn ein Handelsgeschäft ist. Vgl. §§ 343, 344 HGB. IV. Ergebnis: • Da § 349 HGB nicht eingreift, kann sich B wie jeder „normale“ Bürge auf die Einrede der Vorausklage berufen. Es besteht kein Anspruch aus § 765 Abs. 1 BGB, solange der Gläubiger nicht eine Zwangsvollstreckung gegen den D versucht hat.

  33. Kriterien für die Erforderlichkeit eines kaufmännischen Geschäftsbetriebes: Art: • Vielfalt des Geschäftsgegenstandes • Schwierigkeit der Geschäftsvorgänge • Inanspruchnahme von Kredit- und Teilzahlungen • Erhebliche Teilnahme am Wechsel- und Scheckverkehr • Bilanzierung • Umfang der Geschäftskorrespondenz • Art und Weise der betrieblichen Organisation Umfang: • Umsatz • Höhe des Kapitalvermögens • Anzahl der Betriebsstätten und deren Größe • Anzahl der Beschäftigten • Lohnsummen

  34. Fall 2: K betreibt eine Baustofffirma im großen Stil und lässt sich im Handelsregister als Kaufmann eintragen. Mit der Zeit wendet sich K jedoch immer mehr den schönen Dingen des Lebens zu, entlässt einen Großteil seiner Mitarbeiter und verkauft nur noch in viel geringerem Umfang. Da auch in seiner Handelsbilanz nicht mehr viel passiert, fragt sich K, ob er ein solche überhaupt noch aufstellen muss.

  35. I. Bestehen einer Bilanzierungspflicht nach § 238 Abs. 1 S. 1 HGB Gem. § 238 Abs. 1 S. 1 HGB unterliegen alle Kaufleute der Bilanzierungspflicht. Anzuknüpfen ist danach an die Regelungen der §§ 1 ff. HGB. Nach herrschender Meinung gilt § 238 HGB nicht für Kaufleute kraft Eintragung iSd § 5 HGB, da es sich bei der Bilanzierungspflicht um eine öffentlich-rechtliche Pflicht handelt und § 5 HGB lediglich dem Schutz des rechtsgeschäftlichen Verkehrs dient. Also besteht eine Bilanzierungspflicht des K nur dann, wenn er Kaufmann iSd §§ 1 oder 2 HGB ist.

  36. 1. Kaufmann gem. § 1 Abs. 1 HGB Zwar ist weiterhin von einem Gewerbetrieb auszugehen, da der Vertrieb der Holzlatten in einem gewissen Rahmen fortgeführt wird, jedoch hat die Baustofffirma des K an Umfang stark eingebüßt und macht einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht mehr erforderlich. Das ehemalige Handelsgewerbe ist zum Kleingewerbebetrieb herabgesunken. Eine Eigenschaft als Ist-Kaufmannschaft gem. § 1 Abs. 1 HGB scheidet somit aus.

  37. 2. Kaufmann gem. § 2 HGB Möglicherweise ist K als Kann-Kaufmann iSd § 2 HGB anzusehen. Nach § 2 S. 1 HGB gilt ein Gewerbetrieb, der nicht schon Handelsgewerbe nach § 1 Abs. 2 HGB ist, als Handelsgewerbe, wenn er im Handelsregister eingetragen ist. § 2 HGB eröffnet dem sog. Kleingewerbetreibenden die Wahlmöglichkeit, sich zu entscheiden, ob er sich – mit konstitutiver Wirkung – ins Handelsregister eintragen lässt und ab dann Kaufmann ist, oder er dies unterlässt und diejenigen Vorschriften, die die Kaufmannseigenschaft voraussetzen, auf ihn nicht anwendbar sind. Hintergrund dieser Vorschrift ist, dass die handelsrechtlichen Regelungen nicht nur Vorteile, sondern auch eine Reihe Nachteile mit sich bringen und der Kleingewerbetreibende daher durch das Wahlrecht geschützt werden soll.

  38. 3. Herabsinken auf Kleingewerbe K ist im Handelsregister eingetragen und betreibt ein Gewerbe. Problematisch erscheint allerdings, ob § 2 HGB auf den Fall anzuwenden ist, dass ein Ist-Kaufmann auf den Status eines Kleingewerbetreibenden herabsinkt. In diesem Fall ist zweifelhaft, ob von der Ausübung des Wahlrechts nach § 2 HGB gesprochen werden kann. Dieses bestand im Zeitpunkt der Eintragung jedenfalls nicht, da K zu diesem Zeitpunkt nach § 29 HGB zur Eintragung verpflichtet war.

  39. → Argumente für die Anwendung des § 2 HGB • in der Eintragung nach § 29 HGB könnte bereits ein konkludenter Antrag nach § 2 HGB für den Fall des Herabsinkens gesehen werden. • das Unterlassen der Abmeldung in dem Zeitpunkt, in dem die Ist-Kaufmannschafteigenschaft durch das Herabsinken wegfällt, könnte einen Antrag iSd § 2 HGB darstellen. • Wesensgleichheit aller Registeranmeldungen • Danach wäre K Kaufmann gem. § 2 und somit bilanzierungspflichtig gem. § 238 Abs. 1 S. 1 HGB.

  40. → Argumente gegen die Anwendung des § 2 HGB, also für die Anwendung des § 5 • Der Annahme, dass in der Anmeldung nach § 29 HGB ein konkludenter Antrag iSd § 2 HGB liege, ist jedoch entgegenzuhalten, dass es sich bei Ersterer um eine materiellrechtlich folgenlose Rechtspflichtausübung handelt, Letztere hingegen die Wahrnehmung eines Wahlrechts manifestiert. • Gleiches gilt für die Annahme, das bloße Unterlassen des Löschungsantrags stelle einen Antrag gem. § 2 HGB dar. Normzweck des § 2 HGB ist es, den Kleingewerbetreibenden zu schützen. Dieser soll sich der Konsequenzen einer konstitutiven Eintragung bewusst werden. Daher setzt § 2 HGB die bewusste Ausübung des Wahlrechts voraus. • Folgt man dieser Ansicht, ist K lediglich nach § 5 HGB als Kaufmann anzusehen. Er wäre danach nicht zur Buchführung verpflichtet.

  41. Die beiden Meinungen gelangen zu unterschiedlichen Ergebnissen, so dass der Meinungsstreit zu entscheiden ist. • In den Fällen des Herabsinkens kann nicht von der Ausübung des Wahlrechts gesprochen werden. Mangels Ausübung des Wahlrechts des § 2 HGB und mit Hinblick auf den Schutzzweck des § 5 HGB werden die Fälle des Herabsinkens auf kleingewerbliches Niveau regelmäßig von § 5 HGB erfasst (a. A. mit entsprechender Argumentation vertretbar). • Ks Kaufmannschaftseigenschaft wird somit über § 5 HGB fingiert. Diese Fiktion schützt den rechtsgeschäftlichen Verkehr, entfaltet jedoch keine Wirkung bezüglich öffentlich–rechtlicher Rechtsverhältnisse. II. Ergebnis: K ist nicht mehr bilanzierungspflichtig gem. § 238 Abs. 1 HGB.

  42. Fall 3: • Architekt A verwendet er auf seinen Geschäftsbriefen das Kürzel e.K.. Muss sich A bei seinen Geschäften mit Baulöwe B wie ein Kaufmann behandeln lassen?

  43. I. Kaufmannseigenschaft des A 1. Angehörige freier Berufe Angehörige freier Berufe können kein Gewerbe betreiben. Die Nichteinbeziehung der freien Berufe in die gewerbliche Tätigkeit entspreche nicht deren historisch gewachsenen Berufsbild. Dogmatisch wurde hierbei immer an das Merkmal der Gewinnerzielungsabsicht angeknüpft. Für Freiberufler stünde deren berufliche Tätigkeit und nicht die Gewinnerzielung im Vordergrund. Als Architekt und somit Angehöriger eines freien Berufes fällt eine Eigenschaft nach §§ 1, 2 oder § 5 HGB aus.

  44. 2. Lehre vom Rechtsscheinkaufmann Möglicherweise greift jedoch die Lehre vom Scheinkaufmann. Dann müsste A den Rechtsschein, Kaufmann zu sein, zurechenbar gesetzthaben. Dies könnte er dadurch gemacht haben, dass er auf Geschäftsbriefen das Kürzel „e.K.“ verwendete. Fraglich ist allerdings, ob die den Rechtsschein erzeugende Erklärung auch schlüssig sein muss. Nimmt man dies an, wäre A auch nach der Lehre vom Scheinkaufmann nicht wie ein Kaufmann zu behandeln. Als Angehöriger eines freien Berufs würde es an der Schlüssigkeit seiner Erklärung fehlen. Mangelnde Rechtskenntnis des Dritten kann jedoch nicht für die Frage, ob ein hinreichender Rechtsschein besteht, von Relevanz sein. A hat somit einen hinreichenden Rechtsschein zurechenbar gesetzt.

  45. B hatte keine positive Kenntnisvon der wahren Rechtslage und hat hierauf vertraut (konkrete Kausalität).Dogmatisch kann dies entweder auf eine Analogie zu § 5 HGB oder auf eine Anwendung des § 242 BGB unter dem Gesichtspunkt des venire contra factumproprium gestützt werden. Folglich muss A sich wie ein Kaufmann behandeln lassen.

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