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Erziehungsziele und Erziehungsstile in muslimischen Migrantenfamilien Vortrag in Frankfurt

Erziehungsziele und Erziehungsstile in muslimischen Migrantenfamilien Vortrag in Frankfurt am 15.11.2012

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Erziehungsziele und Erziehungsstile in muslimischen Migrantenfamilien Vortrag in Frankfurt

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Presentation Transcript


  1. Erziehungsziele und Erziehungsstile in muslimischen Migrantenfamilien Vortrag in Frankfurt am 15.11.2012 Prof. Dr. Haci-Halil UslucanWissenschaftlicher Leiter des Zentrums für Türkeistudien und IntegrationsforschungProfessor für Moderne Türkeistudien an der Universität Duisburg-Essen Fakultät für Geisteswissenschaften Kontakt: haci.uslucan@uni-due.de uslucan@zfti.de ww.uslucan.de

  2. Gliederung des Vortrags I. Elterliche Erziehung und ihre Folgen für die Entwicklung II. Studie: Wertedivergenzen zwischen Deutschen, Türken und türkischen Migranten III. Werte und Erziehungskonzeptionen in muslimischen Migrantenfamilien IV. Förderung

  3. Elterliche Erziehung und kindliche Entwicklung 5 Elterliche Erziehungsstile Kindliche Bereitschaft sich erziehen zu lassen 1 Elterliche Erziehungsziele und -werte 4 6 2 Elterliches Erziehungsverhalten Kindliche Entwicklungsmerkmale 3

  4. Veränderte Rahmenbedingungen familiärer Erziehung • Struktureller Wandel der Haushaltsformen • Veränderte Wert- und Erziehungsmuster • Prekäre Bedingungen der innerfamiliären Beziehungsgestaltung

  5. Erziehungsziele Ab den 1980er Jahren und danach • Selbständigkeit • Selbstbewusstsein • Selbstverantwortlichkeit • Kritikfähigkeit • Zuverlässigkeit • Hilfsbereitschaft in den 1950er bis 1970er Jahren • Gehorsam • Ehrlichkeit • Ordnung • Hilfsbereitschaft • Reinlichkeit • Verträglichkeit • gute Manieren • Fehlen von Opposition Quelle: Sturzbecher, D. & Waltz, C. (1998). Erziehungsziele und Erwartungen in der Kinderbetreuung. In D. Sturzbecher (Hrsg.), Kinderbetreuung in Deutschland (S. 86-104). Freiburg i.Br.: Lambertus.

  6. Elterliche Erziehungsmuster Autoritativer Erziehungsstil Emotionale Unterstützung/Wärme _ + • Autoritärer Erziehungsstil + Anforderung/Kontrolle _ • Nachgiebiger Erziehungsstil „Laisser-faire • Ablehnend-vernachlässigender Erziehungsstil (Typologie vom Maccoby & Martin, 1983; in Anlehnung an Baumrind, 1983)

  7. Entwicklungsfolgen für Kinder Kinder ... zeigen Kognitive Selbstwirk- Prosoziales Problem- Kompetenz samkeit verhalten verhalten vernachlässigender Eltern nachgiebiger Eltern autoritärer Eltern autoritativer Eltern höchstes dritthöchste zweithöchste niedrigstes niedrigste mittlere mittlere höchste niedrigste mittlere mittlere höchste niedrigstes mittleres mittleres höchstes Quelle: Baumrind, D. (1989). Rearing competent children. In W. Damon (Ed.), Child development today and tommorrow (pp. 349-378). San Francisco: Jossey-Bass.

  8. Erziehungsziele Rangreihe der Erziehungsziele türkischer Eltern (Scherberger, 1999)

  9. Erziehungsziele Rangreihe der Erziehungsziele deutscher Eltern (Scherberger, 1999)

  10. Kinderwunsch in der Türkei ziemlich hoch: In den älteren Studien (Kagitcibasi, 1982): 77% der Befragten, die sich ein Kind wünschen (und zwar auch als explizite Altersvorsorge) Erwartungen gegenüber Söhnen deutlich höher als gegenüber Töchtern; auch Wunsch nach einem Sohn deutlich höher: 84 % Sohn; 16 % Tochter als Kinderwunsch; deshalb auch ein stärkeres Kümmern um Söhne.

  11. Sozialisationskontexte von Kindern mit Migrationshintergrund Häufige entwicklungspsychologische Risiken in Migrantenfamilien aus der Sicht des Kindes im jungen Alter: mehr als drei Geschwister (dadurch zu wenig Aufmerksamkeit und Zuwendung dem einzelnen Kind gegenüber); bei mehr als drei Geschwistern auch ein deutlich geringeres Netz an Peer-Kontakten. zu geringer Altersabstand in der Geschwisterreihe (Gefahr der Übersozialisierung und Vernachlässigung typisch kindlicher Bedürfnisse)

  12. Sozialisationskontexte von Kindern mit Migrationshintergrund 24% der deutschen 8-9 jährigen Kinder Altersabstände unter zwei Jahren zu einem benachbarten Geschwister; bei Migrantenkindern insgesamt etwa 80% (Marbach, 2006). Entwicklungspsychologische Studien zeigen: bei Altersabständen unter zwei Jahren steigt das Risiko der geringeren Aufmerksamkeit in der Kindheit und die Wahrscheinlichkeit für eine spannungsreichere Adoleszenz als bei Geschwistern mit größerem Altersabstand.

  13. Wert und Stellung von Kindern anhand der Namensgebungen: Typologie: Religiöse Namen: Ahmet, Mehmet, Mahmut, Nureddin, Seyfeddin, Osman, Ömer, Ali (männlich); Ayse, Fatma, Hatice, Emine (weiblich) Namen als Familienprogramm und familiale Positionsanzeiger: Murat, Ümit, Ilknur, Songül, Yeter Namen als Träger der Tradition: Namen der eigenen Eltern insbesondere bei dem ersten Kind; Generationenkette nach dem A-B-A-B Modell. Modische Namen, internationale Namen, ereignisbezogene Namen: Deniz, Yasmin, Cigdem, Baris, Devrim, Bülent, etc.

  14. Versuch einer Kategorisierung der Kindheit im Islam: Ende der Kindheit mit der sexuellen Reife; bis dahin aber folgende Phasen: I. Säuglingsphase bis zur Stuhlkontrolle (0 bis 2 Jahre) II. 2- bis 7 Jahre III. 7-bis 15 Jahre (Strafe und Erziehbarkeit beginnt); darin noch mal zwei Phasen: 7-10 und 10 bis 15 Jahre (erstaunliche Ähnlichkeit mit Piagets Kategorien der intellektuellen Entwicklung)

  15. II. Kulturelle Werte Was sind Werte? 1. Überzeugungen, die aber nicht als bloße Ideen mit nur einem kognitiven Gehalt, sondern, wenn sie aktiviert werden, emotional aufgeladen sind (Schwartz, 1999). 2. Werte verweisen auf wünschenswerte Ziele wie z.B. Gleichheit, Gerechtigkeit etc. 3. Werte gehen über konkrete Situationen hinaus und umfassen größere Handlungskontexte (bspw. soll man nicht nur in der Schule oder auf der Arbeit gerecht sein, sondern überall). 4. Werte dienen auch als ein Standard, wie die Handlungen und Überzeugungen anderer zu bewerten sind.

  16. II. Wertedivergenzen zwischen Deutschen und Türken

  17. Stichprobenkennzeichnung: Lebensort

  18. Stichprobenkennzeichnung

  19. Werteausprägung

  20. Rangreihe der wichtigsten Werte

  21. Werteauffassungen: Differenziert nach der selbstberichteten Religiosität (Mittelwerte): Non-Relig: nicht religiös; Relig: religiös

  22. III. Werte und Erziehungskonzeptionen in muslimischen Migrantenfamilien Intergenerationale Transmission von Werten: Komplette Transmission: kein Wandel Keine Transmission: kein koordiniertes Handeln zwischen den Generationen In Migrationskontexten häufig intensivere Transmission Zugleich: Fertigkeiten, die ein geordnetes Familienleben garantieren, müssen unter Bedingungen erworben werden, unter denen eine bruchlose soziale Tradition nicht mehr vorliegt

  23. Sackmann (2001): Türkische Muslime in Deutschland – Zur Bedeutung der Religion 1/3der befragten Muslime: Keine Religionsbindung; Religion kein Integrationshindernis. Für einen großen Teil: Religion selbstverständlicher Teil des Lebens, ohne aber Hauptbezugspunkt des Lebens zu sein Für etwa knapp 10%: Religion ein starkes Abgrenzungskriterium; eher integrationshemmend Integrationshemmend insbesondere dann, wenn Religiosität eher traditionale (keine individualisierende) Züge trägt und religiös orientierte Lebensführung zentral ist.

  24. Religiöse Werterziehung in islamischen Familien: Familienpolitisch: muslimische und christliche (christdemokratische) Positionen in ihrem Familienbild nicht weit voneinander entfernt: Muslime unterstützen eine Politik, die die Stärkung eines (konservativen) Familienbildes zum Ziel hat (Vgl. Rüschoff, 2002). Wechselseitige Pflichten in der Familie: Pflichten der Ehefrau: Schaffung eines harmonische Haushaltes, Haushaltsführung, Früherziehung und Wohlbefinden der Kinder; Pflicht des Mannes: Bestreiten des Lebensunterhaltes

  25. Religiöse Werterziehung in islamischen Familien: Gerade in der Diaspora: Überhöhung des Islams bzw. der Religiosität angesichts migrationsbedingter erlittener Kränkungen stärker identitätsrelevant als in der Herkunftskultur; Religiosität wird bewusster erlebt; Religion hat bedeutsame Ordnungsfunktion. Orientierung am Islam hilft mit Blick auf den Erziehungskontext, die in der Moderne – auch für deutsche Eltern - immer schwerer gewordene Frage nach angemessenen Erziehungsinhalten zu vermeiden bzw. zu umgehen oder sie individuell beantworten zu müssen. Klare Regeln und Orientierung: Reduktion von Komplexität

  26. Religiöse Werterziehung in islamischen Familien: Wirkung religiöser Sozialisation: Angstbesetzte religiöse Sozialisation (Gott als strafende Instanz): bei sensiblen Personen auch zu einem Bruch mit der Religion (Oser, Di Loreto, & Reich, 1996), also keine Festigung der religiösen Identität, sondern eher kontraproduktive Effekte

  27. Religiöse Werterziehung in islamischen Familien: Wirkung religiöser Sozialisation: Dagegen: Vermittlung eines Gottesbildes, bei dem Gott als eine schützende, bergende und bedingungslos liebende Macht wahrgenommen wird, selbstwertstabilisierend für Kinder sein (Grom, 1982).

  28. Religiöse Werterziehung in islamischen Familien: Mensch eingefasst in eine umfassende Gehorsamsstruktur der Natur gegenüber Gott; wie alle Geschöpfe hat er auch im islamischen Selbstverständnis seinem Schöpfer dankbar und gehorsam zu sein.[1] Gehorsam eine ethische Dimension, die vielen Kulturkreisen gemeinsam ist und ein essenzielles Erziehungsziel darstellt (Vgl. Uslucan & Fuhrer, 2003). Auch in der bayerischen Verfassung ist die „Ehrfurcht vor Gott“ als ein oberstes Bildungsziel formuliert (Art. 131).

  29. Religiöse Werterziehung in islamischen Familien: Inhalte islamischer Erziehung unterliegen großen Schwankungen: einfache Frömmigkeit: Ziel: Nachkommen in die elementaren Inhalte islamischen Lebens unterweisen (z.B. die fünf Säulen des Islam) und Rituale wie Gebetsuren, Waschungen lehren, aber auch die Unterscheidungen zwischen dem, was „rein“ und „unrein“ ist, zu kennen.

  30. Religiöse Werterziehung in islamischen Familien: Inhalte islamischer Erziehung unterliegen großen Schwankungen: Das andere Extrem: fundamentalistische Positionen, die in den koranischen Inhalten sämtliches Wissen vorgeformt und kryptisch vorformuliert betrachten und sich ganz offen gegen eine (natur-)wissenschaftliche kognitive Bildung stellen.

  31. Religiöse Werterziehung in islamischen Familien: Orientierung ausschließlich an der koranischen Offenbarung: in erster Linie an der Tradition fixiert; keine Anweisung für die Lösung moderner Alltagsprobleme, überlässt den Einzelnen hilflos der Gegenwart, die er dann nicht bewältigen kann. rigide Fixierung auf klare erzieherische Leitsätze, die aus dem Koran abgeleitet werden: Ausdruck massiver Verunsicherung muslimischer Eltern; Ziel: Klarheit und Orientierung, jedoch vielfach nicht zeitgemäß (bspw. Orientierung an Gehorsam).

  32. Exemplarische Ressourcen von Familien mit (muslimischer) Zuwanderungsgeschichte: • gesundheitsfördernde kulturelle Muster der Lebensführung wie bspw. ein günstigeres Stillverhalten von Müttern; • niedrigerer Tabak- und Alkoholkonsum von Jugendlichen mit Migrationshintergrund (Robert-Koch-Institut 2008). • Muslimische Migrantenfamilien in ähnlichen widrigen Umständen wie Einheimische (Armut, Arbeitslosigkeit, Deprivation etc.): durch eine stärkere Kohäsion ihrer verwandtschaftlicher und familialer Netzwerke bessere Verarbeitung sozialer Benachteiligungen als Einheimische (Thiessen 2007).

  33. Folgende problematische Charakteristika (Auernheimer, 2006) : Barsche Forderung nach Assimilation („Es ist durchaus notwendig, dass man diesen Eltern mal ganz rabiat bewusst macht, rabiat in Anführungszeichen, was ich von ihnen erwarte, was sie gefälligst zu tun haben und was ihre Pflicht ist“ (Marburger, 1997) Aber auch: Folgenlose bzw. ausgrenzende „Toleranz“; Anerkennen, dass Migranteneltern andere Erwartungen und Wünsche haben, aber keine Bereitschaft, in irgendeiner Weise diese Wünsche in Erfüllung zu bringen. Tendenz zu zivilisatorischer Mission

  34. Was motiviert Menschen? Maslows Bedürfnispyramide: Ohne Befriedigung elementarer Bedürfnisse keine kulturellen Bedürfnisse (Selbstverwirklichung) möglich Bsp. Hausfrauenexperiment mit Fleischsorten Migranten: „Was von den kulturellen Angeboten kann ich auch für mich nutzen?“ Wie viel von den präsentierten Kulturangeboten sprechen auch meine „Herkunftskultur“ an? Sind Räume so gestaltet, dass dort Migranten sich wohlfühlen, das Eigene wieder erkennen? 36

  35. Stolpersteine und Ressourcen Einerseits: Forderung nach Mitarbeitern mit gleichem ethnischem Hintergrund Andererseits: Problem der sozialen Differenz innerhalb etwa der türkischen Community nicht zu übersehen: Türkische Mittelschichtsangehörige, die auch in Deutschland Bildungsgewinner sind und heute viele sozialpädagogische und psychologische Beratungsfunktionen inne haben, eine hohe Distanz gegenüber Landsleuten aus ländlichen Regionen auf und sind eher kritisch gegenüber der traditionalistisch-muslimischen Landsleuten Deshalb: interkulturelle Öffnung des Personals kann manchmal auch ungeahnte neue Probleme bereiten. 37

  36. Stolpersteine und Ressourcen Für die interkulturelle Beratung: nicht nur methodisches Know-how, sondern auch: Selbstreflexion, Empathie und Ambiguitätstoleranz: Generelle soziale Kompetenzen, jenseits von Migration und Integration. Wie weit wird die ungleiche Machtverteilung thematisiert? Wie weit wird die Machtposition der Mehrheit gegenüber Migranten reflektiert? 38

  37. Stolpersteine und Ressourcen Als typische Stolpersteine, die auch in anderer Form der Sozialarbeit auftauchen: direkt mit dem Problem zu beginnen bzw. konfrontativ zu arbeiten, Schuldzuweisungen, eine Verurteilung des Verhaltens des Kindes oder Vorurteile ins Spiel zu bringen. 39

  38. Ressourcen und Fördermöglichkeiten Niedrigschwellige Ansprache durch unbelastete Themen: • Gesundheit • Lernen: Welche Vorstellungen vom Lernen gibt es? • Spiel als Lernen darstellen/erklären

  39. Ressourcen und Fördermöglichkeiten Verbesserungen durch: • Qualitativ bessere Bildung im vorschulischen Bereich (Ganztagsbetreuung, bessere sprachliche Förderung etc.) • Keine frühe Selektion • Ganztagsschulen: Hausaufgabenbetreuung soll nicht von den Eltern abhängig sein (auch andere „bildungsferne“ Schichten profitieren davon). Seite 41 Seite 41

  40. In Schulkontexten: • Individuelle Bezugsnorm statt soziale Bezugsnorm zur Lernmotivation einsetzen • Erfahrungen mit Tutorensystemen in der Lehr-Lern-Forschung einsetzen • stärker handlungsorientierte Formen des Unterrichts (nicht nur Frontalunterricht) praktizieren, in denen Jugendliche partizipieren können; Schule nicht nur als Ort des Versagens und Ohnmachtserfahrungen • Ethnische Diskriminierung als Thema stärker ins öffentliche Bewusstsein bringen: Änderung des gesellschaftlichen Klimas, der medialen Berichterstattung etc.

  41. Kompetenzen und Potenziale junger Migranten stärker entdecken, herausstellen, wahrnehmen, fördern (keine Abwertung der Muttersprache). • In Schulkontexten (Migranten-)Jugendliche noch stärker in verantwortungsvolle Positionen – ungeachtet möglicherweise geringerer sprachlicher Kompetenzen – einbinden • Keine scheinbar sozial/pädagogisch motivierten Überlegungen in der Schule dulden („Für Migrantenkinder ohne elterliche Unterstützungspotenziale reicht auch eine Hauptschule/Realschule“).

  42. Vielen Dank für Ihre Geduld und Aufmerksamkeit ! Kontakt: haci.uslucan@uni-due.de uslucan@zfti.de ww.uslucan.de

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